Schadenersatz: 50.000 Wirecard-Aktionäre hoffen auf den BGH

Schadenersatzforderungen von Anlegern:50.000 Wirecard-Aktionäre hoffen auf den BGH

Christoph Schneider

von Christoph Schneider

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Zehntausende Wirecard-Aktionäre haben nach der Insolvenz des Unternehmens Forderungen angemeldet - ob sie auf kleine Entschädigungen hoffen können, klärt nun der Bundesgerichtshof.

Wirecard-Sitz in Aschheim

Der BGH verhandelt über die Frage, ob auch Aktionäre unter bestimmten Umständen als Gläubiger insolventer Unternehmen gelten können.

Quelle: dpa

Er ist einer der betroffenen rund 50.000 geschädigten Wirecard-Aktionäre: Gunther Holzschuh. Der 71-jährige Unternehmer aus Kreuth in Bayern investierte einst rund 20.000 Euro bei dem Finanz- und Zahlungsdienstleister.

Heute antwortet er auf die Frage, warum er sich damals dafür entschieden hat: "Was habe ich mir versprochen? Eine Rendite. Ich habe jetzt nicht in astronomischen Höhen gedacht, aber in einer guten, soliden Rendite." Doch dieser Wunsch blieb aus. Das einstige Erfolgsunternehmen, das 2018 sogar an der Börse in den Dax aufgestiegen ist, fiel tief.

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Juristische Verfahren auf mehreren Ebenen

2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem bekannt wurde, dass Bestätigungen für Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gefälscht waren und das Testat für den Jahresabschluss 2019 verweigert wurde. Nach Jahren der Aufarbeitung auch in einem Bundestagsuntersuchungsausschuss laufen längst juristische Verfahren auf mehreren Ebenen:

In einem Strafverfahren verantworten sich der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun und zwei Mitangeklagte seit Dezember 2022 vor dem Landgericht München. Wer trägt welche Schuld, und wer wusste wann was, das sind die entscheidenden Fragen im immer noch laufenden Strafprozess.

Daneben haben geschädigte Aktionäre ein zivilrechtliches Musterverfahren angestrengt, das aktuell vor dem bayerischen Obersten Landesgericht verhandelt wird. Hauptklagegegner ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die aus Sicht der Aktionäre Wirecard über Jahre nicht richtig geprüft haben soll.

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Kernfrage vor dem BGH: Wer hat Vorrang?

Insgesamt bleiben zivilrechtlich Forderungen der geprellten Aktionäre bestehen: rund 50.000 haben Schadensersatzansprüche in einer Höhe von 8,5 Milliarden Euro angemeldet. Zusammen mit den anderen Forderungen von Gläubigern wie Banken und Lieferanten addiert sich die geforderte Summe auf 15,4 Milliarden Euro.

Aus der Insolvenzmasse verfügt der bestellte Insolvenzverwalter Michael Jaffé allerdings nur über rund 650 Millionen Euro. Für die Aktionäre ist es daher wichtig zu wissen, in welcher Reihenfolge Forderungen aus der Insolvenzmasse zu bedienen sind. Steht an erster Stelle die Bedienung der Gläubiger wie Banken und Lieferanten oder hat die Bedienung von Aktionären Vorrang?

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Berufung vor OLG, Revision beim BGH

Für Insolvenzverwalter Jaffé ist klar: erst sind die klassischen Gläubiger zu bedienen, dann kommen die Aktionäre. In diesem Sinne urteilte auch zunächst das Landgericht München I. Demnach ist die Einordnung der Ansprüche von Aktionären als Insolvenzforderung "mit den Grundwerten des Insolvenzrechts nicht vereinbar", so die 29. Zivilkammer des LG München I.

Gegen diese Einschätzung legten die Aktionäre Berufung ein und bekamen vor dem Oberlandesgericht München (OLG) Recht. Doch Insolvenzverwalter Jaffé legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, der nun grundsätzlich verhandeln und entscheiden wird. Oder sind beide gleichermaßen zu bedienen?

Aktionäre hoffen auf für sie positive Entscheidung

Höchstrichterlich ist das bislang noch nicht geklärt. Sollte der BGH den Aktionären den Vorzug geben und damit das OLG München bestätigen, dann wäre das ein kleiner Lichtblick für die vielen Kläger. Gunther Holzschuh sagt dem ZDF zu einer möglichen positiven Entscheidung des BGH, dass er keine konkrete Vorstellung habe, weil es vielleicht einen Kompromiss geben werde. "Im Prinzip ist die Hoffnung die, zu sagen, jeder Euro, der zurückkommt, ist von Wert."

Gunther Holzschuh ist nach der Wirecard-Pleite misstrauisch geworden. "Ich bin deutlich defensiver geworden, vorsichtiger geworden. Das hat auch mit dem Alter logischerweise zu tun, weil ich das Geld, was ich da verloren habe, nicht mehr verdienen kann." Um 11 Uhr findet die öffentliche Verhandlung in Karlsruhe statt. Ob auch am heutigen Donnerstag bereits ein Urteil verkündet wird, ist offen.

Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF

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