Continental-Hauptversammlung: Radikale Rückbesinnung auf Reifen
Neue Bereifung für Autozulieferer:Radikale Rückbesinnung bei Continental
von Klaus Weber
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Continental will sich in Zukunft nur noch auf das Geschäft mit Reifen konzentrieren. Das hat die Aktionärshauptversammlung nun entschieden - alles andere wird abgestoßen.
Nach der Hauptversammlung von Continental steht fest: Künftig konzentriert sich der Automobilzulieferer voll auf das Reifengeschäft.
Quelle: dpa
Wer sich das Logo von Continental schon mal genauer angesehen hat, weiß, dass dort auch ein sich aufbäumendes Pferd zu finden ist. Klar, wird man nun sagen: immerhin geht es ja auch um einen Autozulieferer. Also liegt die Analogie zu Pferdestärken nah.
Nicht ganz richtig: Denn eines der ersten Produkte von "Conti" waren sogenannte Hufpuffer aus Gummi, die verhindern sollten, dass Pferde auf vereisten Flächen ausrutschen. Im Jahr der Gründung, 1871, sehr wichtig, da damals vor allem Pferdekutschen für Mobilität sorgten.
Aus diesen Hufpuffern entwickelte sich erst das globale Reifengeschäft, mit dem "Conti" so erfolgreich wurde. Ein Erfolg, der das Unternehmen immer größer machte - auch in anderen Bereichen.
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Continental - ein gewachsener Gemischtwarenladen
Aus dem Reifenhersteller wurde ein global tätiges Technologieunternehmen mit insgesamt etwa 200.000 Mitarbeitern und 40 Milliarden Euro Jahresumsatz. Ein echtes deutsches Powerhouse also.
Neben der Reifensparte entstanden über die Jahre die Sparten ContiTech und Automotive. ContiTech legte den Fokus auf Werkstoffe. Das bedeutet: Hier werden Produkte vom Gartenschlauch bis hin zu Förderbändern für den Bergbau hergestellt.
Daneben gibt es noch den riesigen Bereich Automotive. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter des Dax-Konzerns arbeitet hier. Eine Sparte, die sich inzwischen zu einem der größten Autozulieferer der Welt entwickelt hat - mit besonderen Stärken bei Displays, Brems- und Komfortsystemen oder Serverlösungen.
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Jahrelang fühlte man sich in Hannover mit dieser Konzernstruktur sehr wohl, sozusagen als industrieller Gemischtwarenladen.
Autokrise auch Krise für Zulieferer wie "Conti"
Doch nun haben sich die Zeiten fundamental geändert. Die Krise der Autoindustrie ist auch die Krise von Continental. Dass die Zulieferer noch stärker betroffen sein werden als die Autohersteller, wird bei "Conti" besonders sichtbar.
Der Dax-Konzern nimmt deshalb unter dem Druck der schwachen Autokonjunktur und einer teuren Umstellung auf Elektromobilität den radikalsten Umbau der Branche inklusive eines massiven Stellenabbaus vor. Die Autozuliefersparte soll nun unter dem neuen Namen "Aumovio" im September an die Börse gebracht werden.
Doch damit nicht genug: Auch von der Kunststofftechniksparte ContiTech, die sowieso immer ein wenig nebenher lief, will man sich trennen. Am besten durch Verkauf. Übrig bleibt so nur noch das ursprüngliche Kerngeschäft: Reifen.
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Börsengang als Befreiungsschlag für den Konzern?
Für Branchenkenner, wie den unabhängigen Autoanalysten Jürgen Pieper, eine nicht unerwartete Veränderung:
Conti war in den letzten fünf, sechs Jahren eine absolute Negativstory. Automotive ist ein Sanierungsfall gewesen.
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Jürgen Pieper, Analyst der Autoindustrie
Die Ursachen sieht er, neben der Krise im Autosektor, vor allem bei der Konzernstruktur. Man habe "einfach zu viel gemacht" und ein "paar tausend Produkte rund ums Auto" im Angebot gehabt. Der Konzern sei zu komplex und zu groß geworden, zudem habe man sich zu lange auf den Erfolgen ausgeruht.
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Als Beispiel nennt Pieper die Tachos vom Tochterunternehmen VDO: "Die waren früher top, aber seit Jahren gibt's von VDO nur noch schlechte Zahlen." Der Vorstand habe auch "nicht viel vorzuweisen" und probiere nun mit dem Börsengang "eine Art Befreiungsschlag".
Rückbesinnung auf Kerngeschäft im Trend
Ob nun aber ausgerechnet die so kritische Börse der richtige Ort ist, um sich durchzusetzen, ist fraglich. Pieper meint allerdings:
Das ist ein bisschen wie Magie, der Wert der Einzelteile wir immer höher eingestuft als der Gesamtkonzern.
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Jürgen Pieper, Analyst der Autoindustrie
Die Wirtschaft ist in der Krise. Aber es gibt auch Zukunftsideen für Deutschland.17.02.2025 | 43:22 min
Zudem scheint Continental einem Trend zu folgen: Die Zeit der der sogenannten "One-Stop-Shops", die alles aus einer Hand anbieten, scheint vorbei zu sein. Das Reifengeschäft, das eigentlich immer gut lief, soll Continental nun also quasi zurück in die Zukunft führen.
Leicht abgewandelt könnte man sagen: der Schuster bleibt bei seinen Reifen. Radikaler könnte eine Rückbesinnung kaum sein. In jedem Fall lässt sich auch an dieser Geschichte exemplarisch ablesen, in welch enormen Wirren die deutsche Wirtschaft aktuell steckt. Doch wer ein Pferd in seinem Logo trägt, dem bleibt fast nichts anderes übrig, als sich dagegen aufzubäumen.
Klaus Weber ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
Quelle: dpa
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