Cum-Ex-Steuerskandal: Bewährungsstrafe für Kronzeuge Steck

Zentrale Figur bei Steuerbetrug:Bewährungsstrafe für Cum-Ex-Kronzeuge Steck

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von Ralph Goldmann
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In den Verfahren um illegale Aktien-Geschäfte hat das Landgericht Bonn ein Urteil gesprochen: Eine der Schlüsselfiguren, der Finanzmanager Kai-Uwe Steck, muss nicht ins Gefängnis.

Der angeklagte Rechtsanwalt Kai-Uwe Steck sitzt im Gerichtssaal der Außenstelle des Landgerichts Bonn Siegburg aufgenommen am
Kai-Uwe Steck im Gerichtssaal der Außenstelle des Landgerichts Bonn-Siegburg
Quelle: dpa

Kai-Uwe Steck nahm das Urteil fast regungslos zur Kenntnis. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sicherlich Freudensprünge vor der Richterbank aufgeführt, als Richter Sebastian Hausen ihn zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilte.
Der 53-Jährige muss nicht ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und acht Monate Haft gefordert. Das Gericht hielt Steck zugute, dass er als Kronzeuge einerseits gestanden und zum anderen einen wesentlichen Teil zur Aufklärung beigetragen hat.

Der Angeklagte bot erstmals einen aufhellenden Gesamteinblick eines Praktikers aus dem Maschinenraum des Cum-Ex-Handels und trieb damit die Ermittlungen voran.

Sebastian Hausen, Richter am Landgericht Bonn

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Verurteilt wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen

Das Vergehen von Kai-Uwe Steck: besonders schwere Steuerhinterziehung in fünf Fällen zwischen 2007 und 2015. Steuerschaden laut Anklage: 428 Millionen Euro. 50 Millionen Euro soll er selbst daran verdient haben. Nur elf Millionen hat der Steueranwalt bisher zurückgezahlt.
Steck gilt als Schlüsselfigur in den Cum-Ex-Verfahren, die seit Jahren die Justiz beschäftigen. Vereinfacht gesagt haben die Beschuldigten Aktien so schnell zwischen Käufern und Verkäufern hin- und hergeschoben, bis der Fiskus nicht mehr wusste, wem sie eigentlich gehörten.
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Statt die fällige Kapitalertragssteuer nur dem einen Aktienbesitzer zurückzuzahlen, der sie auch bezahlt hatte, erstattete das Finanzamt sie gleich mehrfach. Der Verein Finanzwende, der sich für faire, stabile und nachhaltige Finanzmärkte einsetzt, hat einen Schaden in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro errechnet:

Die Cum-Ex-Geschäfte stehen für den größten Steuerraub der deutschen Geschichte.

Verein Finanzwende

Kronzeuge geworden, um Strafe zu mildern

Steck und sein Partner Hanno Berger flogen auf, als die damalige Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker im November 2012 mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Frankfurter Kanzlei stand.
Steck habe Berger ans Messer geliefert, sagen Banker hinter vorgehaltener Hand, denn der Rechtsanwalt hatte sich vier Jahre nach der Razzia für Brorhilker als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und in den Folgejahren umfassend ausgesagt, gestanden, den Cum-Ex-Betrug erklärt - und vor allem: Namen geliefert.

Es war mir sehr schnell klar, dass da eine hohe Haftstrafe auf dem Zettel steht und ich einer derjenigen war, der ganz oben bei ihr auf dem Zettel stand.

Kai-Uwe Steck, angeklagter Steueranwalt

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Stecks Anwalt: Forderung auf Haft "bar jeden Sinnes"

Steck hatte darauf gehofft, dass die Staatsanwaltschaft im Gegenzug die Anklage fallen lässt. Den Gefallen tat sie ihm nicht, zeigte sich aber mit dem Urteilsspruch durchaus milde. Denn auch das von der Anklage geforderte vierjährige Berufsverbot hielt das Gericht nicht für nötig.
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Sein Verteidiger Gerhard Strate zeigte sich im Anschluss erleichtert und kritisierte die Forderung der Staatsanwaltschaft. Niemand würde sich bei derartigen Strafen noch als Kronzeuge zur Verfügung stellen:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft aus Köln war völlig bar jeden Sinnes.

Gerhard Strate, Verteidiger von Kai-Uwe Steck

1.700 Beschuldigte im Cum-Ex-Komplex

Bisher hat die federführende Staatsanwaltschaft Köln allein im Cum-Ex-Komplex mehr als 1.700 Beschuldigte in 135 Verfahren ermittelt. Dabei wurden 14 Anklagen gegen 21 Personen erhoben, aber nur elf wurden nach Auskunft des Landgerichts Bonn verurteilt. Zwei Verfahren wurden eingestellt.
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Was noch bevorsteht, sind die Prozesse in den sogenannten Cum-Cum-Verfahren, einer ähnlichen Masche, die die Steuerzahler sogar 28 Milliarden Euro gekostet haben soll. Der NRW-Justizminister (Grüne) dämpfte vorsorglich die Erwartungen:

Wir werden in Wirtschaftskriminalität nie Anklagen vom Fließband bekommen, aber wir werden kontinuierlich neue Anklagen bekommen.

Benjamin Limbach, Justizminister NRW

Der Prozess fand in einem fast 45 Millionen Euro teuren Neubau des Bonner Landgerichts in Siegburg statt. Die drei neuen, riesigen Säle mit 15 Meter langen Richterbänken werden aber kaum genutzt. Nur für die Plädoyers und die Urteilsverkündung im Fall Steck öffneten sich nun doch zwei Mal die Türen. Wann die nächsten Cum-Ex-Prozesse stattfinden, ist noch völlig offen
Ralph Goldmann ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.

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