Erreichbarkeit im Urlaub

Erreichbarkeit im Urlaub

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Dank Smartphones und Computer ist jeder Arbeitnehmer für seinen Chef schnell greifbar. Doch muss man auch im Urlaub erreichbar sein? Arbeitsrechtler Christoph Burgmer klärt auf.

Endlich Urlaub! Dann freuen sich die meisten von uns auf zwei, vielleicht sogar drei entspannte Wochen weit weg vom Büro-Schreibtisch: Am Strand liegen, Sonne tanken, Stress und Arbeit hinter sich lassen. Doch dann passiert das, was man jetzt am wenigsten braucht - der Chef ruft an: „Können Sie sich bitte um unseren Kunden kümmern? Der braucht noch ein, zwei Infos ... geht auch ganz schnell ...“. Ein kleiner Auftrag mit weitreichenden Folgen: Immerhin jeder fünfte deutsche Arbeitnehmer arbeitet im Urlaub. Dabei fallen pro Jahr rund 260 Millionen zusätzliche Arbeitsstunden an.
Je mehr ein Angestellter verdient, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Urlaub arbeitet. Kommunikationsmittel wie Smartphone oder Laptop bergen die Gefahr, dass Arbeitnehmer immer erreichbar sind – auch dann, wenn sie sich eigentlich erholen sollten.

Der Gesetzgeber regelt den Urlaub im Bundesurlaubsgesetz (BurlG), das seit 1963 existiert. Der Urlaub ist damit ein elementares Recht. Er soll den Arbeitnehmer vor allem vor gesundheitsschädlicher Überarbeitung schützen. Arbeitnehmer sollen außerdem Zeit für Familie, Freunde und zur Erledigung privater Angelegenheiten haben.

Arbeitnehmer muss nicht immer erreichbar sein

Nach BurlG haben Mitarbeiter nach einer Beschäftigungszeit von sechs Monaten in einem Unternehmen vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Wer fünf oder sechs Tage pro Woche arbeitet, hat Anspruch auf mindestens vier Wochen Urlaub. Das Bundesurlaubsgesetz gibt mindestens 24 Werktage vor, zählt aber auch den Samstag als Werktag. Wer also fünf Tage die Woche arbeitet, hat gesetzlichen Anspruch auf mindestens 20 Tage Erholungsurlaub. „An diesen Tagen müssen die Arbeitnehmer von der Arbeit und der Verpflichtung zur Arbeitsleistung vollständig entbunden sein. Das bedeutet dann auch, dass sie für Anrufe nicht erreichbar sein müssen, da sie frei haben“, sagt Christoph Burgmer, Fachanwalt für Arbeitsrecht.  
Während des Mindesturlaubs darf das Diensthandy also getrost ausgeschaltet bleiben. „Anrufe, Kurznachrichten oder E-Mails können Sie ignorieren.“ Der Arbeitnehmer muss auch nicht mitteilen, wie und wo er erreichbar ist. Dennoch gibt es Sonderfälle, in denen der Chef seine Mitarbeiter im Urlaub stören darf. „Er kann zum Beispiel eine SMS schreiben, wenn das Passwort für einen Zugang fehlt. Allerdings darf der Vorgesetzte nicht erwarten, dass sein Mitarbeiter zeitnah darauf antwortet“, so Burgmer. Er rät, diese Sonderfälle vorher zu besprechen und eine Regelung zu finden.

Von Rufbereitschaft spricht man, wenn sich der Arbeitnehmer verpflichtet, jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienst ist dann gegeben, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um erforderlichenfalls unverzüglich seine volle Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können. „In beiden Fällen können sich die Mitarbeiter nicht im Urlaub befinden, da sie dort von der Arbeit vollständig befreit sind. Sie müssen sich folglich auch nicht bereithalten, sagt Burgmer und konkretisiert: „Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst und zeitgleicher Urlaub schließen sich aus. Anderslautende vertragliche Vereinbarungen sind unwirksam.“

Aus dem Urlaub an den Arbeitsplatz

Um den Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückzuholen, müssen besonders wichtige Gründe vorliegen. Dies kann zum Beispiel die Pleite der Firma sein, die nur Sie verhindern können, oder ein Katastrophenfall, beispielsweise ein Brand im Betrieb oder ein Hochwasserschaden. Tritt dieser Fall ein, muss der Arbeitgeber auch ohne besondere Vereinbarung die dem Arbeitnehmer entstandenen Kosten für die Verlegung oder Absage des Urlaubs erstatten.
Allerdings gilt das nicht automatisch auch für die Storno- und Rückreisekosten der anderen Familienmitglieder des Mitarbeiters. Diese muss der Arbeitgeber nur dann übernehmen, wenn eine Fortsetzung des Urlaubs ohne das am Arbeitsplatz unabkömmliche Familienmitglied unzumutbar ist. Die verlorenen Urlaubstage dürfen nachgeholt werden. „Eine Zahlung kann er allerdings in der Regel nicht erwarten, es sei denn, er scheidet kurz nach dem Urlaub aus dem Unternehmen aus und hat deshalb keine Gelegenheit mehr, den Ersatzurlaub zu nehmen“, sagt der Fachanwalt.

Genehmigten Urlaub streichen oder verlegen

Im Normalfall darf ein Arbeitgeber einen bereits genehmigten Urlaub nicht streichen. Aber auch der Arbeitnehmer darf seinen Urlaub im Normalfall nicht einfach zurückgeben. Wurde der Urlaub genehmigt, so kann weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber alleine entscheiden, dass der Urlaub widerrufen oder verschoben wird. „Ist eine nachträgliche Änderung beabsichtigt, bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, sagt Christoph Burgmer.
Treten nach der Genehmigung des Urlaubs betriebliche Interessen auf, die besonders wichtig sind und die Anwesenheit des Arbeitnehmers während des eigentlichen Urlaubszeitraums notwendig machen, kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, einer Aufhebung der Festlegung zuzustimmen. „Der Arbeitgeber kann dies unter Umständen sogar durch eine einstweilige Verfügung vor dem Arbeitsgericht erzwingen.“
Nur in extremen Ausnahmefällen kann der Urlaub auch ohne ausdrückliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien einseitig verlegt werden. Auf Arbeitgeberseite kann dies vor allem bei Katastrophen der Fall sein, oder wenn plötzlich eine größere Zahl von Arbeitnehmern ausfällt und dadurch etwa die Produktion und letztlich die Existenz des Unternehmens gefährdet wäre. „Die Rechtsprechung spricht hier von ‚zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen‘“, konkretisiert der Fachanwalt.

Damit Sie weder auf Mails noch auf Anrufe von Ihrem Chef reagieren müssen, sollten Sie Ihren Urlaubsantritt vorher gut planen:
  • Melden Sie Ihren Urlaub rechtzeitig beim Chef an.
  • Besprechen Sie mit ihm, wer Ihre Vertretung sein soll.
  • Machen Sie eine transparente Übergabe mit Kollegen und Kunden.
  • Verlangt Ihr Chef trotzdem von Ihnen, dass Sie im Urlaub arbeiten, suchen Sie zunächst das persönliche Gespräch.
  • Blockt der Chef ab, wenden Sie sich nach Möglichkeit an den Betriebsrat.

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