Dieselgipfel
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In vielen Städten drohen im nächsten Jahr Diesel-Fahrverbote. Bund, Länder und Kommunen wollen gegensteuern. Ob das ausreicht, ist offen – Professor Michael Schreckenberg, Mobilitätsforscher der Uni Duisburg-Essen, schätzt ein.
Pendler kommen nicht zur Arbeit, Handwerker nicht zu ihren Kunden. Notdienstfahrzeuge von Apotheken fahren nicht mehr, Müll bleibt liegen. Es wäre ein drastisches Szenario, sollte es wegen zu dreckiger Luft in Städten zu großflächigen Fahrverboten für ältere Diesel kommen. Politik und Autobranche wollen das unbedingt vermeiden. Anfang August hatten Bund und Autoindustrie bei einem Dieselgipfel beschlossen, einen Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ aufzulegen. Geplantes Volumen: zunächst 500 Millionen Euro, Anfang September erhöhte Merkel den Diesel-Fonds auf eine Milliarde Euro. „Die Größenordnung reicht nicht – ein Tropfen auf den heißen Stein“, so die Einschätzung des Verkehrsexperten Schreckenberg.
Maßnahmenkatalog
Es geht um eine Vielzahl von Projekten – etwa die Umstellung von Busflotten von Diesel auf Elektro, um die Elektrifizierung von Taxis und Mietwagen sowie einen schnelleren Ausbau von Ladesäulen für E-Autos. Außerdem geplant sind Erweiterungen des ÖPNV, eine Digitalisierung des Verkehrs etwa durch Parkleitsysteme und Fahrgast-Informationssysteme sowie mehr Fahrradwege. Ziel ist es, dass in allen Kommunen, in denen Grenzwerte überschritten werden, diese möglichst schnell eingehalten werden.
Für Mobilitätsforscher Michael Schreckenberg ist der Umgang mit dem Thema noch unausgegoren: „Elektrofahrzeuge bringen, was Feinstaub angeht, maximal 15 Prozent Verbesserung. Es wird immer über Stickoxid geredet, das ist aber nur ein Teil. Die Produktion von Batterien für Elektroautos sorgt für einen hohen Schadstoffausstoß.“ Dieser findet nur nicht mehr auf der Straße statt, sondern woanders.
Weitere Finanzhilfen
Merkel sagte über das Jahr hinaus zudem weitere Finanzhilfen zu. Allerdings fließt nicht das ganze Geld aus dem Milliarden-Topf sofort. Mittel für Digitalisierung, etwa für bessere Verkehrsleitsysteme, stehen erst ab Sommer 2018 zur Verfügung.
„560 Millionen Stunden pro Jahr verbringen Menschen mit Parkplatzsuche. Das kann man mit modernen Systemen, die freiwerdende Parkplätze scannen, verändern. Hier werden wir in Zukunft Gewinne verbuchen können“, so Schreckenberg.
Mächtiger Partner Autoindustrie
750 Millionen des Diesel-Fonds kommen vom Bund, 250 Millionen soll die Autoindustrie beisteuern. Bisher haben der VW-Konzern, Mercedes und BMW Geld zugesagt, je nach Diesel-Marktanteil. Weil aber ausländische Hersteller bisher nicht mitmachen, gibt es eine Finanzierungslücke. Ein weiterer Gipfel mit den Konzernchefs ist für Anfang des nächsten Jahres geplant. Die Hersteller hatten im August neue Abgas-Software für zusätzliche 2,8 Millionen Fahrzeuge zugesagt. Außerdem bieten mehrere Marken Extraprämien für den Kauf sauberer Neuwagen an, damit alte Diesel von den Straßen kommen. Forderungen nach Umbauten direkt an den Motoren – die aus Sicht von Experten wirksamer wären – lassen die Konzerne bisher abprallen. Die Argumentation: Hardware-Nachrüstungen seien aufwendig, dauerten Jahre, seien in vielen Fällen technisch gar nicht machbar und teuer.
Genau das kritisierten Vertreter der Kommunen nach dem Treffen im Kanzleramt aber zum Teil scharf. Mit Blick auf den Abgas-Skandal meinte etwa die Präsidentin des Städtetags, Eva Lohse: „Die Städte sind nicht die Verursacher des Stickoxid-Problems und werden es mit ihren Maßnahmen nicht lösen können.“ Entscheidend für die Gerichte werde sein, wie die Werte an den Messstationen sinken. Es werde sich zeigen, ob dazu eine Hardware-Nachrüstung erforderlich werde.
Warum drohen überhaupt Fahrverbote?
Zum Schutz der Gesundheit müssen Städte Luftreinhaltepläne erstellen. Damit soll der Grenzwert beim Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide eingehalten werden, der im Jahresmittel bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt. Diesel-Autos verursachen einen großen Anteil an den Emissionen. Im vergangenen Jahr wurde die Schwelle in rund 90 Städten überschritten, am deutlichsten in Stuttgart.
Damit die Luft besser wird, könnten Gerichte Fahrverbote erzwingen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sah das zum Beispiel so. Im Februar 2018 werden zudem wegweisende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts erwartet. Es geht um Urteile von Verwaltungsgerichten, die Fahrverbote zum Teil als wirksamste Option für bessere Luft ansehen. Das Bundesverwaltungsgericht könnte die Urteile bestätigen, damit könnte der Weg frei sein für Fahrverbote.
Die große Frage
Umweltverbände sind mehr als skeptisch, ob es gelingt, flächendeckende Fahrverbote zu vermeiden. In Städten, die nur leicht über den Grenzwerten liegen, könne es gelingen, dass der Stickoxide-Ausstoß sinkt und die Grenzwerte eingehalten werden - nicht aber in stark belasteten Städten wie Stuttgart und München.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte, die vereinbarten Maßnahmen könnten „kurzfristig“ keinen wirkungsvollen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten. Er forderte die Einführung einer Blauen Plakette, um bei Fahrverboten gezielt nur diejenigen Autos auszuschließen, die maßgeblich für die hohe Stickoxidbelastung verantwortlich sind. Die Autoindustrie müsse zudem die Fahrzeuge wirkungsvoll und zügig umrüsten. „Wenn es nicht gelingt, diese Maßnahmen schnell auf den Weg zu bringen, steuern wir unweigerlich auf von Gerichten veranlasste Fahrverbote zu“, so Reiter.
Am 22. Februar 2018 wird ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Durchsetzung von Schadstoffobergrenzen durch den Staat erwartet.
Mit Material von ZDF, dpa
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