Jutta Hübner, Vorsitzende der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), klärt darüber auf, was nach der Diagnose die nächsten Schritte sind.
Bei der Diagnose Brustkrebs kommt den meisten sofort der eine Gedanke: Wie geht es jetzt weiter? Muss ich sterben? Viele Frauen stehen dann mit großer Sorge vor einem riesigen Fragezeichen.
Brustkrebs ist kein Todesurteil
Zuerst einmal: Brustkrebs ist kein Todesurteil mehr. Obwohl die Erkrankungszahlen durch die Früherkennung deutlich gestiegen sind, sterben weit weniger Frauen an Brustkrebs als noch vor 20 Jahren. Die Therapien sind so weit fortgeschritten, dass sich die Chancen deutlich gebessert haben. 81 Prozent der Frauen überleben die wichtige 5-Jahres-Hürde.
Brustkrebs ist keine akute Notfalldiagnose
Jede Betroffene hat Zeit, nachzudenken, sich zu informieren, zu entscheiden. Die Therapien für Brustkrebs sind sehr individuell: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung, Hormonersatztherapie, Antikörper – inwiefern welche Therapie zum Einsatz kommt, hängt von der Art des Krebses ab und davon, wie weit er fortgeschritten ist. Nur in Einzelfällen muss sofort mit einer Therapie begonnen werden.
So steht es um die Heilungschancen des besonders aggressiven Brustkrebs.
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Vor 15 Jahren entstand in Deutschland das erste zertifizierte Brustzentrum. Diese Zentren, die es mittlerweile fast flächendeckend gibt, unterliegen strengen Qualitätskriterien. Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen arbeiten dort zusammen. Für Patientinnen bedeutet das kurze Wege und einen hohen Therapiestandard.
Die Zukunft bringt mehr Sicherheit im Umgang mit Krebs
Die Wissenschaft wird den Krebs wohl nie besiegen können. Aber – und das ist erklärtes Ziel – man möchte irgendwann dahin kommen, Krebs wie eine chronische Krankheit behandeln zu können. Eine Krankheit, die zwar einer lebenslangen Therapie bedarf, mit der man aber eben auch leben kann.
Jutta Hübner, Vorsitzende der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), beantwortet wichtige Fragen zur Krebstherapie:
Brustkrebs ist keine Notfalldiagnose. Man hat immer ein paar Tage, eine Woche Zeit. Zuerst mal darf man zu sich kommen, sich auch verkriechen, dann kann man sich informieren und zusammen mit dem Arzt über eine Therapie nachdenken.
Erste Anlaufstelle ist der Hausarzt. Der kann helfen bei ganz pragmatisch-alltäglichen Sachen, er weiß zum Beispiel was beachtet werden muss, wenn andere Erkrankungen wie Diabetes vorliegen. Er kennt die persönliche Situation vielleicht und kann dahin gehend unterstützen. Das sollte man also nicht unterschätzen. Dann sind zertifizierte Brustkrebszentren im Hinblick auf die Behandlung gut aufgestellt, sie arbeiten interdisziplinär. Das muss aber noch nicht heißen, dass die Aufklärung und Beratung da auch gut ist.
Es gibt Patientenleitlinien, die man zunächst einmal lesen kann. Zu viel im Internet lesen kann auch gefährlich sein: Wenn man da die Informationen falsch versteht, kann das mehr belasten als helfen. Es wäre gut, wenn man mal so eine Art innere Checkliste hätte für Frauen. Also etwas, was man für sich abhaken könnte, und wo man dann sagt: Wenn ich das alles berücksichtigt habe, dann bin ich gut und umfassend informiert. Das ist ein spannender Ansatz, an dem kann man arbeiten.
Sicher. Das Vorurteil, man bekomme eine Therapie nicht, weil die zu teuer ist, ist ein Ammenmärchen. Jeder in Deutschland hat Anspruch auf die bestmögliche Therapie. Bei Brustkrebs ist das aber wirklich extrem individuell. Ein Beispiel: Wenn einer Frau wichtig ist, dass sie eine Chemotherapie bekommt, bei der sie die Haare behält, dann braucht sie diese Therapie - auch dann, wenn vielleicht eine neuere Variante in der Leitlinie steht. Einfach, weil wir wissen, dass sie die neue dann vielleicht nicht annimmt oder nicht hingeht. Compliance ist da das Stichwort, also, eine Therapie auch durchzuziehen. Ein anderes Beispiel: Manche Medikamente können Polyneuropathien auslösen, also Schmerzen und Taubheitsgefühle, zum Beispiel an den Händen. Habe ich jetzt eine Flötistin, muss ich das wissen und die Medikation anpassen, für die wäre das schrecklich, mit solchen Nebenwirkungen leben zu müssen.
Das ist sehr wichtig. Man darf es aber nicht übertreiben. Um Gottes Willen nicht alle Kohlenhydrate weglassen, es gibt gesunde Kohlenhydrate. Und Bewegung ist sehr wichtig, auch da kann der Hausarzt wieder helfen. Eine Mutter mit drei kleinen Kindern wird sich genug bewegen, der muss man nicht das Fitnessstudio empfehlen. Aber eine Frau, die zum Beispiel viel Sport gemacht hat, braucht dann vielleicht Unterstützung von jemandem, der ihr sagt, wie sie das künftig dosieren kann. Es gibt auch bestimmte Angebote, die man nutzen kann und sollte.
Dazu muss ich mal Zahlen vergleichen. In Deutschland sind 40 Prozent der Krebspatientinnen psychisch belastet von ihrer Erkrankung. International liegt diese Zahl bei fünf Prozent. Warum ist das bei uns so hoch? Werden die Frauen vielleicht auch noch in eine psychologische Krise hineingedrückt? Also, macht man da ein Thema? Wir müssen den Frauen sagen: Ja, es macht Angst, es macht wütend, ihr dürft rumbrüllen, euch verkriechen und Sachen kaputtschlagen und die ganze Krankenhaus-Odyssee ist sehr stressig, aber ihr seid deswegen nicht zwingend zum Krebs auch noch psychisch krank.
Unterstützung ist das A und O. Es gibt viele Möglichkeiten. Der Partner kann unterstützen oder auch Freunde. Es gibt die Seelsorge, Selbsthilfegruppen. Erstaunlicherweise zeigen die Zahlen, dass ein Drittel der Patientinnen betet. Es gibt viele Möglichkeiten und man muss sich das raussuchen, was für einen machbar ist. Frauen müssen autonom entscheiden können, was für sie gut ist. Dazu müssen Ärzte gut und umfassend informieren können und dafür auch genug Zeit haben. Frauen brauchen quasi eine Checkliste, die ihnen hilft, die Informationen einzuschätzen.
Was auch immer die Krebsforschung in Zukunft erreichen mag -jeder Betroffene muss letztlich mit der Diagnose leben. Wie Patienten den Krebs verarbeiten können, damit beschäftigt sich die psychosoziale Onkologie, kurz "Psychoonkologie".