Vor 10 Jahren, am 11. Juni 2009, traf die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) in Genf eine Entscheidung, die bisher für viel Diskussionsstoff gesorgt hat: sie sprach eine Pandemie-Warnung für die Schweinegrippe aus.
Im Frühjahr 2009 bestimmte die Schweinegrippe monatelang die Schlagzeilen in den deutschen Medien. Angefangen hatte es im kleinen Örtchen La Gloria in Mexiko. Das neuartige H1N1-Virus soll hier zum ersten Mal vom Schwein auf den Menschen übergesprungen sein. Als erster Patient ging der damals fünfjährige Edgar Hernández in die Geschichte ein. Sein Bild ging um die Welt. Nach überstandener Infektion bekam er sogar ein Denkmal.
2009: Virus verbreitet sich im Frühjahr rasant
Von Mexiko aus nahm die Infektion ihren Lauf, in rasantem Tempo. Auch in Deutschland wurden die ersten Verdachtsfälle gemeldet. Nachdem immer mehr Länder immer mehr Erkrankte meldeten, erklärte die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) die Schweinegrippe am 11. Juni 2009 zur Pandemie.
Eine umstrittene Entscheidung verursacht viel Aufwand
Allerdings wurde dabei laut Kritikern nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Infektion oft mild verläuft und die Sterblichkeit relativ gering ist. Wäre das Ausrufen einer Pandemie gar nicht nötig gewesen?
Durch die Entscheidung der WHO traten automatisch aufwändige Prozesse in Kraft. Durch den damals zwei Jahre alten Pandemieplan aus Zeiten der Vogelgrippe mussten anschließend Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen werden: Jeder Verdacht auf Schweinegrippe musste sofort gemeldet werden. Außerdem wurde händeringend nach einem Impfstoff gesucht. Hersteller reagierten prompt und produzierten in großen Mengen unter Hochdruck einen neuen Impfstoff - mit Wirkverstärkern, die bis dahin kaum getestet waren. Das Resultat: Kaum jemand in Deutschland ließ sich impfen, die Angst vor Nebenwirkungen war größer als die vor der eigentlichen Infektion.
Der Verdacht, dass der umstrittene Schweinegrippe-Impfstoff "Pandemrix" bei Kindern und Jugendlichen Narkolepsie (Schlafkrankheit) auslösen könne, verhärtete sich besonders in Schweden und Finnland. Auch in Deutschland waren möglicherweise bis zu 81 Kinder und Erwachsene von der Nebenwirkung betroffen. (Quelle: Paul-Ehrlich-Institut in Langen) In drei europäischen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Narkolepsie und dem Impfstoff "Pandemrix" bei Menschen unter 20 Jahren nachgewiesen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatte eine entsprechende Warnung herausgegeben, der Impfstoff hat mit dem Ende der Schweinegrippe-Pandemie seine Zulassung verloren.
In Schweden waren es weitaus mehr Fälle, die nach der Impfung an Narkolepsie erkrankten, als in Deutschland. Dort gab es auch weitaus mehr Impfungen, rund 60 Prozent der Bevölkerung ließen sich auf Anraten der Schwedischen Regierung impfen. Betroffene werden daher von der Regierung mit bis zu 1 Million Euro entschädigt, so sagt es ein Schwedisches Gesetz aus 2016. Auch die Britischen Behörden entschädigten bereits 2014 Betroffene.
2011: Massenhaft Impfstoff vernichtet
Die Tatsache, dass die Bevölkerung der Schweinegrippeimpfung gegenüber skeptisch war, führte dazu, dass die Lager randvoll gefüllt blieben. Im Herbst 2011 wurden dann schließlich die angelaufenen Bestände vernichtet. Impfstoffe im Wert von Millionen gingen buchstäblich in Rauch auf.
Im Januar 2012 wurde die Schweinegrippe-Pandemie von der WHO offiziell für beendet erklärt. Auch der umstrittene Impfstoff "Pandemrix", der aufgrund seiner Nebenwirkungen bis heute Klagewellen Betroffener nach sich zieht, verlor damit seine Zulassung.
Immerhin: In Deutschland gab es zwischen Herbst 2009 und August 2010 über 226.000 gemeldete Schweinegrippe-Fälle. 258 der Patienten starben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI). Die Impfquote in Deutschland lag bei nur acht Prozent. Allerdings: die "normale" saisonale Grippeimpfung umfasst mittlerweile auch eine Komponente gegen die Schweinegrippe. Eine Extra-Impfung gegen Schweinegrippe ist deshalb laut RKI nicht mehr nötig.