AfD-Spendenaffäre Neue Belege für Wahlkampfhilfe in Millionenhöhe
AfD-Spendenaffäre
von Marcus Bensmann, Gabriele Keller, Jonathan Sachse und Ulrich Stoll
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Der Werbeflächenvermarkter Ströer führte die AfD als "Direktkunde" bei Plakatkampagnen im Wert von drei Millionen Euro, die von Unbekannten finanziert wurden. Das enthüllen Unterlagen, die CORRECTIV, der SPIEGEL und frontal einsehen konnten.
Die AfD bestreitet jede Beteiligung an den Plakataktionen. Die Firma Ströer hat angekündigt, ab sofort "keine Aufträge für parteipolitische Werbung mehr entgegenzunehmen".
"Direktkunde" AfD
Die internen Unterlagen der Firma Ströer weisen für Plakatkampagnen aus den Jahren 2016 bis 2018 für den größten Teil der Buchungen die Schweizer Goal AG als beteiligte "Agentur" aus. In diesen Unterlagen wird die AfD als "Direktkunde" bezeichnet. "Wir haben jetzt die Nachweise, dass die Kampagne jedenfalls beim Plakathersteller koordiniert wurde. Und wir haben sehr starke Indizien dafür, dass die AfD da eingebunden war oder jedenfalls sehr viel davon wusste", sagt die Parteienrechtlerin Professor Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf. "Wenn das so ist, dann hätten wir eine illegale Parteispende. Deswegen sollte jetzt die Staatsanwaltschaft und auch die Bundestagsverwaltung Ermittlungen aufnehmen.“
Die größte Kampagne ist laut den internen Papieren eine Pro-AfD-Werbung zur Bundestagswahl im September 2017. "AfD wählen" ist der Slogan der Plakate, die in der Auflage von 2292 Exemplaren zum Preis von 1,2 Millionen Euro von der Firma Ströer bundesweit plakatiert wurden. „Agentur“ ist laut den Unterlagen die SchweizerGoal AG, als „Direktkunde“ ist die AfD aufgeführt. Insgesamt konnten Aufträge für 9400 Großplakate im Wert von rund 3,5 Millionen Euro eingesehen werden, in denen meist die Goal AG, in wenigen Fällen der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit“ auftaucht. Neben den Aufträgen über drei Millionen Euro, in denen die AfD als „Direktkunde“ aufgeführt wurde, gab es parallel eine parteieigene Wahlkampagne, die die AfD bei Ströer buchte und bei der die Partei ebenfalls als „Direktkunde“ bezeichnet wird. Der auf den Plakaten als presserechtlich verantwortlich genannte „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit“ spielt bei den Buchungen bei Ströer kaum eine Rolle.
Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung
Über Anwälte ließ die AfD auf Nachfrage mitteilen, sie habe weder mit der Goal AG noch mit einem externen Verein bei einer Kampagne zusammengearbeitet. In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Die von ihnen behaupteten Eintragungen als Direktkunde in Bezug auf die von Ihnen behauptete Unterstützerkampagne sind unserer Mandantschaft nicht bekannt.“ Außerdem liege „eine falsche Zuordnung einer anderen (angeblichen) Kampagne zu unserer Mandantschaft (…) allein im Verantwortungsbereich des Unternehmens Ströer.“
Bis heute ist unklar, wer diese millionenschwere Pro-AfD-Kampagne finanziert hat. Deshalb ermittelt die Bundestagverwaltung wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung. Die Großplakate, die zu Tausenden geklebt wurden, warben für die AfD, wiesen aber nicht die Partei, sondern einen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit“ als Verantwortlichen aus. Auch Partei-Chef Meuthen bestreitet bis heute jede Kenntnis vonPlakatkampagnen bei Ströer mit der Goal AG. "Wir haben mit diesem Verein für Rechtsstaatlichkeit nie zusammengearbeitet", beteuerte AfD-Chef Jörg Meuthen im ARD-Sommerinterview am 22. August 2018. Fest steht allerdings, dass Parteichef Meuthen wegen einer illegalen Spende der Schweizer Goal AG 270.000 Euro an die Bundestagsverwaltung zahlen musste. Ein Gericht hatte das bestätigt. Auch der AfD-Abgeordnete Guido Reil musste 132.000 Euro zahlen, auch wegen der Goal AG. Und von Spitzenkandidatin Alice Weidel fordert die Bundestagsverwaltung knapp 400.000 Euro Strafe wegen Spenden aus der Schweiz.
Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen
Experten der NGO LobbyControl fordern, dass die Bundestagsverwaltung die Recherchen zum Anlass nimmt, weiter zu ermitteln. „Dass Ströer die Vereins-Kampagnen der AfD als Kunde zuordnet, heißt ja, dass es eine Form der Koordination gegeben haben muss“, sagt Ulrich Müller von LobbyControl. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Ströer das ohne Absprache mit der AfD gemacht habe. „Und da kann es sein“, so Müller weiter, „dass die Bundestagsverwaltung dann nochmal Strafbescheide in zwei- bis dreifacher Höhe des Budgets dieser Wahlwerbung verschickt an die AfD.“
Der Plakatvermarkter Ströer ließ eine Anfrage von CORRECTIV, SPIEGEL und frontal unbeantwortet und teilte heute über eine Pressemitteilung mit, dass das Unternehmen jede parteipolitische Werbung stoppe. „Ströer nimmt ab sofort keine Aufträge mehr an“ heißt es in einer Mitteilung. Aufgrund von „negativen Erfahrungen aus dem Wahlkampf zur aktuellen Bundestagswahl“ habe der Vorstand des Unternehmens beschlossen, „keine Aufträge für parteipolitische Werbung mehr entgegenzunehmen“. Das Unternehmen verstehe sich als „neutraler Dienstleister”. Als Dienstleister der Außenwerbung müsse das Ströer unterstellen, dass die Finanzierung von Aufträgen durch die Kunden rechtmäßig erfolge. Rechtliche Vorgaben und Transparenzregeln des Deutschen Bundestages seien „allein von den zuständigen Stellen“ zu überprüfen, heißt es in der Mitteilung.
Der Inhaber der Schweizer Goal AG, Alexander Segert, bietet dem Vorsitzenden der AfD NRW ein Wahlkampfkonzept an. Die Goal AG hat zuvor fremdenfeindliche Plakatkampagnen für die Schweizer Volkspartei und die österreichische FPÖ gestaltet.
AfD-Chefin Frauke Petry trifft zum ersten Mal den Immobilienmilliardär Henning Conle. Petry sagt später, Conle habe der AfD finanzielle Unterstützung angeboten, wolle aber anonym bleiben.
Die AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen treffen den Immobilien-Milliardär Henning Conle. Er gilt als Schlüsselfigur in der Spendenaffäre und unterstützte Alice Weidel im Bundestagswahlkampf 2017 mit verdeckten Spenden im Wert von rund 130.000 Euro.
Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg unterstützt die Schweizer Werbefirma Goal AG den AfD-Kandidaten Jörg Meuthen verdeckt mit Plakaten und Broschüren im Wert von 90.000 Euro. Die AfD muss später wegen dieser illegalen Spende 270.000 Euro Strafe zahlen. Bei der Kampagne für Meuthen und weiteren Pro-AfD-Kampagnen werden bei der Plakatwerbefirma Ströer die Goal AG als "Agentur" und die AfD aks "Direktkunde" aufgeführt.
Bei der Landtagswahl in NRW unterstützt die Goal AG den AfD-Kandidaten Guido Reil mit Werbung im Wert von 44.000 Euro; dafür muss die AfD eine Strafe von rund 130.000 Euro wegen der Annahme illegaler Spenden zahlen. Correctiv und Frontal enthüllen, dass AfD-Funktionsträger kostenlos Zeitungen des Vereins zur Erhaltung des Rechtsstaates erhielten und verteilten, die für die AfD warben. Die AfD NRW bestreitet illegale Auslandsspenden.
David Bendels gründet den AfD-Unterstützerverein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit, hinter dem unbekannte Finanziers stehen. Die Schweizer Goal AG führt das Büro des Vereins. Im Bundestagswahlkampf und in mehreren Landtagswahlkämpfen gibt der Verein Pro-AfD-Großplakate und Zeitungen wie das "Extrablatt" und den "Deutschlandkurier" heraus, die für die AfD werben. Mehrere AfD-Politiker schreiben in den Vereinszeitungen, während die Partei jede Nähe zum Verein und der Goal AG bestreitet.
AfD-Chef Meuthen erklärt im ARD-Sommerinterview, die AfD habe nie mit dem Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit zusammengearbeitet und kündigt eine Klage gegen den Bendels-Verein an, der weiterhin für die AfD wirbt. David Bendels gründet in Hamburg die Conservare Communication GmbH, die künftig als Herausgeber des Deutschlandkuriers fungiert.
Die AfD schickt der Bundestagsverwaltung Listen angeblicher Spender für Meuthen, Reil und Weidel, um den Eindruck illegaler Spenden aus der Schweiz zu entkräften. Die Spender erweisen sich zum Teil als "Strohmannspender", die ihre Unterschrift gegen Bezahlung geleistet haben sollen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen den Schatzmeister der AfD wegen der Abgabe falscher Rechenschaftsberichte 2016 und 2017. Es geht um die Werbeaktionen der Goal AG und des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit.
Deutsche Ermittlungsbehörden beantragen beim Europaparlament die Aufhebung der Immunität des EU-Abgeordneten Jörg Meuthen wegen der Spendenaffäre. Meuthen, Weidel und Reil sind inzwischen vor Gericht mit den Versuchen gescheitert, die verhängten Strafzahlungen wegen der Spenden aus der Schweiz abzuwehren.