Dokureihe Tennis in der DDR:Mauerfall 1989: Hoffen auf ein Tennis-Happyend
Trotz aller Widerstände des Staates betreibt eine kleine Gruppe Tennis als Leistungssport und hofft jahrelang auf einen Politikwechsel - und die Chance auf eine Profikarriere.
Grit Schneider ist die beste Tennisspielerin der DDR. Gewinnt sie endlich die Freiheit oder verliert sie alles? Tennis-Weltstar Boris Becker versetzt ein kleines Dörfchen in der DDR in helle Aufregung. Und niemand ahnt, dass plötzlich die Mauer fällt.
19.09.2025 | 28:00 minWer in der DDR Tennis spielte, tat dies mit zwei Gewissheiten: niemals ein Sportstar im eigenen Land zu werden. Und niemals eine internationale Karriere machen zu können.
Tennis versprach keine Goldmedaillen bei Olympia und war daher für den Staat uninteressant. Dass der Sport im Westen zudem einer für die Reichen war, machte ihn in der sozialistischen DDR verpönt.
Traum von der Profi-Karriere
Trotzdem gab es jene wie Thomas Emmrich, Grit Schneider, Gabriele Lucke oder Juliana Gorka, die sogar sehr gut spielten und trotz aller Widerstände von einer Profi-Karriere träumten.
Politisch gesehen wussten wir schon, dass wir in einem sehr strengen System groß werden und dort eben versuchen, irgendwie trotzdem unsere Ideen durchzusetzen.
Juliana Gorka, Tennisspielerin in der DDR
Ständige Überwachung
Doch das Durchsetzen war oft schwer. Die Schulen weigerten sich meist, ihnen für Tennis frei zu geben. Dass sie ohne staatliche Förderung trotzdem einen Leistungssport betrieben, zog nicht. Im Gegenteil. Sogar Anträge für Turnierteilnahmen in Osteuropa wurden nur willkürlich bewilligt.
Wenn sie fahren durften, dann war immer ein "Betreuer" dabei, der streng über jeden Schritt wachte. Nach der Wende erfuhr Emmrich, der 48 Mal DDR-Meister wurde, dass sein eigener Trainer für die Stasi gearbeitet hatte.
Ab morgen beginnt in Berlin eine Ausstellung über das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Politisch in Haft saßen Menschen, die aus der DDR fliehen wollten oder die Regierung kritisierten.
08.04.2025 | 1:42 minScheinehe als Ausweg?
Emmrich war fast zwei Jahrzehnte lang der beste Spieler der DDR. Die Sehnsucht nach dem Ausland, den großen Turnieren war groß. Aber die Angst vor Repressalien noch größer. "Mir wurde von den Ungarn mal eine Scheinehe angeboten, damit ich als Profi spielen kann. Ich habe das abgelehnt."
Leicht fiel es ihm nicht. Ebenso, wenn er Preisgeld nicht annehmen durfte. Einmal wurden bei einem Turnier in Bulgarien ganz kurzfristig Weltranglistenpunkte vergeben. An solchen Turnieren durften DDR-Spieler nicht teilnehmen.
35 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich vieles verschoben. Menschen haben den Osten verlassen. 80 Prozent der Deutschen leben heute im Westen der Republik.
02.09.2025 | 1:07 minPreisgeld war tabu
Ohne Wissen des Verbandes trat Emmrich an - und schaffte es so als einziger Spieler aus der DDR jemals in die Weltrangliste. Die gewonnenen 2.600 Dollar aber waren tabu.
In DDR-Mark gerechnet war das Preisgeld ein Familienhaus. Aber ich musste das ganze Geld dalassen. Das war hammerhart.
Thomas Emmrich, 48-facher DDR-Meister im Tennis
"Mein ganzes Leben mit mir rumgetragen"
Auch Gabriele Lucke, die mit 18 Jahren 1989 jüngste DDR-Meisterin wurde, bekam bei einem Turnier in Russland von einem bekannten Trainer das Angebot, an seiner schwedischen Tennisakademie mit ihm zu arbeiten. Lucke musste ablehnen.
Diese Situation habe ich mein ganzes Leben mit mir rumgetragen. Dass ich eine Chance nicht nutzen konnte, obwohl ich sie gerne genutzt hätte.
Gabriele Lucke, jüngste DDR-Meisterin im Tennis
Mit dem ersten Sieg eines Deutschen in Wimbledon sorgte Boris Becker für mehr als eine Sensation. Ein Rückblick auf das historische Ereignis nach 30 Jahren aus dem Jahr 2015.
07.07.2025 | 7:58 minGrit Schneider, die Steffi Graf des Ostens
Ständige Zurückweisungen, verpasste Chancen und das Gefühl des Abgehängtseins erlebten sie alle im Tennis. Grit Schneider hielt es irgendwann nicht mehr aus. In den 1980er Jahren war sie 15-malige DDR-Meisterin und in der eingeschworenen Tennisgemeinde als "Steffi Graf des Ostens" bekannt.
Wenn man irgendwann immer gewinnt, will man ja weiterkommen. Aber ich blieb auf der Stelle stehen. Das war ein Knackpunkt. Aber die Entscheidung zu gehen, war nicht einfach.
Grit Schneider, 15-fache DDR-Meisterin im Tennis
Geglückte Flucht und Demos
Während Schneider im Sommer 1989 mit ihrem Vater die Flucht in den Westen gelang, gingen in der DDR überall die Menschen auf die Straße und lehnten sich gegen einen Staat auf, der ihnen Lebenschancen genommen hatte.
Auch Gabriele Lucke und Juliana Gorka trauten sich, bei den Demonstrationen mitzugehen. "Das war auch immer sehr angstbesetzt", erinnert sich Gorka, die damals noch zur Schule ging.
Alltag in der DDR - jeder Tag eine Herausforderung. Das Leben ist oft geprägt von Mangel und staatlicher Willkür – es gibt aber auch Erfolge in Wirtschaft, Sport und Kultur.
09.11.2024 | 45:08 minHoffnung auf ein Tennis-Happyend
Dieser Gedanke, frei zu sein, hat mich motiviert. Und es war bewegend, dass endlich mal Menschenmassen unterwegs waren, die nicht dahin geordert wurden, sondern die das aus ihrem tiefsten Herzen getan haben. Mit dem Risiko Gefahr zu laufen.
Gabriele Lucke, Tennisspielerin in der DDR
Als die Mauer 1989 schließlich fiel, schien im Rausch des Auf- und Umbruchs auch für die ungewollten Sportstars der DDR plötzlich alles möglich. Der Traum von einer Tennis-Karriere lebte wie die Hoffnung auf ein Happyend. Doch die Ernüchterung folgte schnell. Der Karriere-Traum sollte sich für keinen von ihnen mehr erfüllen.