Dreispringer Alsalami: Vom Flüchtlingsboot aufs Podest

Dreisprung-Vizemeister:Alsalami: Vom Flüchtlingsboot aufs Podest

von Johannes Fischer
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2015 kommt der Hobby-Leichtathlet Mohammad Amin Alsalami als syrischer Flüchtling nach Deutschland. Zehn Jahre später ist er deutscher Vizemeister im Dreisprung.

Leichtathletik, DM 2025: Dreispringer Mohamed Amin Alsalami vom LAC Berlin zeigt mit beiden Zeigefingern in den Himmel und freut sich über einen Sprung
Mit persönlicher Bestweite von 16,28 Metern deutscher Vize-Meister im Dreisprung: Mohamed Amin Alsalami vom LAC Berlin.
Quelle: Imago / Chai v.d. Laage

Als Mohammad Amin Alsalami zu seinem sechsten und letzten Versuch anlief, war es auf der Haupttribüne des Dresdner Heinz-Steyer-Stadions plötzlich mucksmäuschenstill. Der Moderator hatte die Zuschauer darum gebeten, weil die Entscheidung im Dreisprung anstand.

Neun Zentimeter fehlen Alsalami zum Titel

Tatsächlich wurde es nochmal richtig spannend, denn der 31 Jahre alte Alsalami kam mit 16,28 Metern dem führenden Max Heß bedrohlich nah. Wäre der Sprung nur neun Zentimeter weiter gewesen, die Finals in Dresden hätten ihre wohl größte Überraschung erlebt.
Heß hatte in seinem einzig gültigen Versuch nur eine für seine Verhältnisse enttäuschende Weite von 16,37 Metern stehen - die aber für seinen neunten Freiluft-Titel bei Deutschen Meisterschaften reichten.
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Alsalami über die Türkei und Griechenland nach Berlin

Dabei verliefen die Karrieren der beiden Kontrahenten auf komplett unterschiedlichen Pfaden. Als Heß' Stern 2015 mit der Silbermedaille bei der Hallen-DM aufging, befand sich Alsalami gerade auf einer äußerst beschwerlichen Reise.
Die Flucht aus seiner Heimat Syrien trieb ihn zunächst in die Türkei, bevor er sich per Schlauchboot auf eine griechische Insel aufmachte. Von dort aus gelangte er nach Deutschland, wo er in Berlin eine zweite Heimat fand.

ISTAF als Motivation für Alsalami

Hier machte sich Mohammad Alsalami, dessen Leidenschaft schon vor seiner Flucht die Leichtathletik war, daran, seine sportliche Karriere voranzutreiben. "Als ich 2015 nach Deutschland kam, habe ich die Deutschen Meisterschaften und das ISTAF gesehen", erinnert er sich: "Da habe ich gedacht: Okay Mo, da musst du auch hin und eine Medaille gewinnen."
Gesagt, getan - mit der Einschränkung, dass er im Juli beim ISTAF zwar dabei war, über Platz 7 mit der Weite von 15,64 Metern aber enttäuscht war. Doch nur knapp eine Woche später sei dann mit der persönlichen Bestleistung bei der DM in Dresden ein Traum in Erfüllung gegangen.

Seit Februar deutscher Staatsbürger

Dass er in Dresden an den Start gehen durfte, lag an der deutschen Staatsangehörigkeit, die ihm im Februar erteilt wurde. Eine Woche später schlug er schon bei der Hallen-DM in Dortmund auf, wo er Bronze gewann.

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Bis 2024 war Alsalami für das Refugee-Team gestartet, unter anderem auch bei Olympia in Paris - damals noch als Weitspringer.
Was der Höhepunkt seiner Karriere sein sollte, entpuppte sich als schmerzhafte Angelegenheit. "Ich hatte einen Knorpelschaden im Knie, da habe ich kurz überlegt, ob ich überhaupt teilnehmen kann", erzählt Alsalami. Er scheiterte dann in der Qualifikation.

Knorpelschaden bremst Alsalami bei Olympia aus

Eine Spritzenkur brachte schließlich Linderung, auch wenn er die starken Belastungen dauerhaft spürt. "Ich habe immer noch Schmerzen, mein Knie knackt die ganze Zeit."

Nach den Spielen habe ich kurz überlegt aufzuhören. Aber nach ein, zwei Monaten habe ich gemerkt, dass ich wieder richtig gut drauf bin.

Mohammad Alsalami

Nur den Weitsprung lässt er jetzt sein, "weil ich da mit meinem lädierten Bein abspringen müsste".
Seine eigene Gesundheit ist allerdings nicht das, was ihn wirklich umtreibt - und auch neun Zentimeter mehr hätten seine düsteren Gedanken wohl nur kurz vertrieben. Diese gehen ständig Richtung Syrien, wo die Bevölkerung auch nach der Vertreibung von Machthaber Baschar al-Assad noch weit davon entfernt ist, in die Normalität zurückzukehren.

Alsalami besuchte Familie in Aleppo

"Ich war elf Jahre lang nicht mehr in Aleppo, erst vor vier Monaten wieder", sagt Alsalami. "Da habe ich meine Familie besucht und war schockiert. Die Leute sind alle sehr mitgenommen."

Alle sind körperlich und psychisch am Ende. Sie werden viele Jahre brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Mohammad Amin Alsalami über seine Familie

Immerhin sei jetzt die Hoffnung da, dass es sich langfristig wieder zum Guten wendet. "Die Hauptsache ist, dass Assad nicht mehr da ist. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es in Syrien weitergeht, aber ich bin sicher: viel besser als unter Assad."
Für eine kleine Pause von den Alltagssorgen sorgte der Dreispringer am Sonntag selbst: "Heute hat meine Familie die Meisterschaft im Internet angeschaut. Ich werde nachher noch mit ihnen sprechen."
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