Geschäft mit Billigware:Wie mit Mystery-Boxen getrickst wird
von Christian Bock
Mystery-Box-Automaten stehen überall. Sie bieten Pakete, die angeblich nicht zustellbar waren. Eine ZDF-Recherche zeigt: Auf Schätze in den Paketen sollte niemand hoffen.
Sie stehen an Bahnhöfen, in Einkaufszentren und an Straßenecken: Automaten, die für zehn bis 20 Euro angeblich ungeöffnete Retouren verkaufen, sogenannten Mystery-Boxen.
15.10.2025 | 28:52 minTashina Michels, 36, aus Bornheim bei Köln, suchte einen Nebenverdienst, um ihre Familie während der Elternzeit zu unterstützen. Im Internet stieß sie auf Anbieter für Mystery-Boxen. Das Geschäftsmodell: Pakete aus Retouren-Lagern, die angeblich nicht zustellbar sind für wenig Geld - bis etwa fünf Euro pro Stück - anbieten.
Etwa 10.000 Euro kostet ein Automat, meist umgebaute Snack-Automaten mit etwa 30 Fächern. Je nach Größe kann Michels etwa 30 Pakete hineingeben und für 10 bis 20 Euro verkaufen.
Das hat sich schnell rentiert. Meine Kunden lieben es, vor den Paketen zu stehen und rätseln, was da wohl drin ist.
Tashina Michels
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Mehr als 500 Millionen Pakete werden in Deutschland pro Jahr retourniert, sagt eine Studie der Uni Bamberg. "Die Hersteller sind gesetzlich verpflichtet, die Ware anzunehmen, aber sie möchten oft nichts mehr damit zu tun haben. Empfang, Lagerung, neues Angebot erstellen, ist denen viel zu teuer: rechnerisch 10 bis 20 Euro Kosten pro Stück. Deswegen werden die nur geprüft oder ausgepackt und palettenweise weiterverkauft", sagt Marktforscher Markus Szajna von der Uni Karlsruhe in Baden-Württemberg.
Großhändler Sascha Theis kauft solche Retouren - teils in der Originalverpackung, teils noch in der Versandverpackung. Theis räumt mit dem Mythos, dass die Pakete ungeöffnet in die Automaten kommen, gründlich auf: "Das geht ja schon allein aus rechtlichen Gründen nicht. Da könnten ja gefährliche Gegenstände drin sein", sagt er. Woher er die Ware bezieht: "Geschäftsgeheimnis".
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An wen die Retouren von den Herstellern weiterverkauft werden, ist nicht so einfach herauszufinden. Ein Recherche-Team des ZDF setzt deswegen ein Experiment auf: Reporterin Clara Westhoff kauft eine bunte Mischung Billig- und Qualitätsware bei den großen Handelsplattformen und schickt die Ware wieder zurück - allerdings versehen mit kleinen Sendern und einem Zettel mit der Bitte um Rückruf, sollte jemand diese Pakete bekommen.
Die Pakete verteilen sich schnell und ohne erkennbares Muster quer durch Europa, vom Osten Polens bis nach Madrid. Und aus Madrid bekommt das Team schließlich einen Anruf: Lagerarbeiter Luis hat es geöffnet. Er ist bei einem Retouren-Center angestellt und öffnet die Ware, prüft, sortiert sie nach Wert. Von dort geht sie wieder zurück in den Handel. Entweder auf Online-Restpostenkanäle oder neu verpackt in den Mystery-Boxen-Handel.
- Der Anstoß zur Recherche über Mystery-Boxen kam von einem Händler, mit dem Reporter Christian Bock schon einmal einen Beitrag über die Praktiken des Amazon-Konzerns gedreht hatte. Dieser betreibt inzwischen einen eigenen Mystery-Automaten. Der Informant hatte sich gewundert, dass die Qualität seiner beim Großhandel gekauften Ware immer schlechter wurde und hatte selbst nachgeforscht.
- Zufällig stieß das Team während einer Recherche auf einen leerstehenden Schnäppchenmarkt und in dessen Anbau auf die Reste einer regelrechten Fälscherwerkstatt. Dort wurde offenbar Billigstware in Amazon- oder Ebay-Pakete gepackt, mit gefälschten Versandetiketten versehen und an den Mystery-Box-Handel weiterverkauft.
- Als spezielle Hürde erwies sich die Nachfrage bei den großen Versandplattformen wie Amazon, AliExpress und Temu. Nur die Amazon-Pressestelle antwortete auf Anfragen. Andere reagierten nicht, beziehungsweise boten keine Möglichkeit für Pressekontakte.
Marketing-Experte Markus Szajna erklärt, was von diesen Retouren zu erwarten ist: "Das ist alles Ware, die der Käufer nicht wollte, der Hersteller nicht mehr wollte, der Handel nicht mehr wollte." Noch deutlicher formuliert es Restpostenhändler Manuel Uhrig aus der Nähe von Bonn:
Das ist für den Handel eine Möglichkeit, den Müll loszuwerden, und sich den noch vergolden zu lassen.
Manuel Uhrig, Restpostenhändler
Auch Uhrig verdient mit Mystery-Boxen: In seinem Lager findet sich neu verpackte Ware, ohne Adressetikett. Die gehen so in den Handel: "Es gibt viele, die kaufen diese Blanko-Pakete, drucken irgendeine Adresse drauf, und verkaufen das als Mystery-Box." Tatsächlich erklärt sich einer dieser Paket-Fälscher bereit, offen vor der Kamera zuzugeben, dass er selbst hunderte Pakete mit Fake-Labeln gefälscht hat.
Das wollen die Kunden so. Ich kenne keinen, der das nicht macht.
Paketfälscher
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Wie groß der Handel und das Geschäft mit Mystery-Boxen ist, lässt sich schwer beziffern. Klar ist: "Die Leute rennen mir die Bude ein, kaufen direkt vom LKW runter", sagt Großhändler Theis. "Ich kriege Anrufe von Automatenaufstellern: Verkauf mir Ware! Irgendwas! Mein Automat ist schon wieder leer!", berichtet Manuel Uhrig.
Dabei stecken in den Automaten fast überwiegend Fake-Pakete, gefüllt mit Billigware statt echten Retouren.
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