Urteil Bundesgerichtshof: Familie muss ihr Traumhaus räumen

Urteil des Bundesgerichtshofs:Verfahrensfehler: Familie muss Haus räumen

von Karl Anton Gensicke
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Was mit dem Einzug ins Traumhaus begann, endete jetzt im Gerichtssaal: Ein Behördenversagen führt dazu, dass in Brandenburg eine fünfköpfige Familie aus ihrem Haus ausziehen muss.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied heute: Familie Walter aus dem brandenburgischen Rangsdorf muss ihr selbst errichtetes Wohnhaus räumen und das Grundstück dem lange Zeit unbekannten Eigentümer zurückgeben.
Damit bestätigte Karlsruhe die Vorinstanzen. In anderen Teilen wich es jedoch von diesen ab und beauftragte sie mit der erneuten Überprüfung.

Verfahrensfehler vom Amt bei Zwangsversteigerung

Über zehn Jahre war Familie Walter - unfreiwillig - Teil eines Rechtsstreits, der weit über die Ländergrenzen Brandenburgs für Aufsehen sorgte. Ursprung des Streits war eine Zwangsversteigerung im Jahre 2010.
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Das Ehepaar Walter ersteigerte beim Amtsgericht (AG) Luckenwalde ein Grundstück. Sie vertrauten auf die Richtigkeit der amtlichen Versteigerung, rissen den sich auf dem Grundstück befindenden Bungalow ab und begannen mit dem Bau ihres eigenen Traumhauses für sich und ihre Kinder.
Was sie nicht wussten: Der Eigentümer, ein nicht in Deutschland lebender US-Bürger, wurde vom AG Luckenwalde nicht über die Zwangsversteigerung seines Grundstücks informiert. Ein formaler Fehler, der weitreichende Folgen haben sollte.

Zehn Jahre Rechtsstreit um Grundstück in Rangsdorf

Als der US-Bürger, der das Grundstück 1993 von seiner Großtante erbte, von der Versteigerung erfuhr, erhob er Klage vor dem Landgericht (LG) Potsdam. Mit Erfolg: das Gericht gab ihm Recht. Das AG Luckenwalde hätte nach ihm suchen müssen - immerhin stand er im Grundbuch und seine Adresse war dem Finanzamt bekannt.
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Die Zwangsversteigerung war also unwirksam. Das Gericht urteilte: Der Erbe ist weiterhin Eigentümer des Grundstücks und muss es zurückerhalten.
Familie Walter wehrte sich. Klagen vor dem LG Potsdam und dem Bundesverfassungsgericht scheiterten. 2023 bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg das Urteil aus Potsdam.
Auch verpflichtete es Familie Walter zur Löschung der für die Finanzierung ihrer Immobilie aufgenommen Grundschuld und zum Abriss des Hauses auf eigene Kosten. Das OLG sprach dem Erben zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro zu.
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BGH: Kein Abriss auf Kosten der Familie

Es ist ein dennoch ein Etappensieg für Familie Walter. Denn bereits in der mündlichen Verhandlung kündigte die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner laut Medienberichten an, dass der BGH in seiner Entscheidung neben den Interessen des US-Bürgers auch jene der Familie Walter berücksichtigen werde.
Zwar bestätigte das oberste Zivilgericht die Urteile aus Brandenburg dahingehend, dass der US-Bürger weiterhin Eigentümer des Grundstücks sei, und die Familie es räumen müsse, jedoch wich es ebenso in entscheidenden Punkten von den Vorinstanzen ab.
Zum einen erteilte der BGH der Löschung der Grundschuld wie auch dem Abriss des Eigenheims auf Kosten der Walters eine Absage. Zum anderen setzte es einen Ersatz der Baukosten in Aussicht.
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Damit änderte das Gericht seine bisherige über Jahrzehnte bestehende Rechtsprechung. Über die genaue Höhe des Ersatzes soll nun erneut das OLG Brandenburg entscheiden.

Bundesland Brandenburg in Haftung

Und was ist mit dem Land Brandenburg? Immerhin befinden sich die Parteien nur im Rechtsstreit, weil dem AG Luckenwalde ein Fehler unterlaufen ist.
Dr. Grimm, Justizminister Brandenburgs, erklärte gegenüber dem ZDF, dass man das Urteil gemeinsam mit Familie Walter beurteilen werde und eine außergerichtliche Einigung anstrebe. Dafür stehe man im kontinuierlichen und vertrauensvollen Austausch mit der Familie, so der Minister.

Wir sehen das Land Brandenburg hier klar in der Pflicht, die durch den Fehler im Zwangsversteigerungsverfahren entstandenen materiellen Schäden im Wege der Amtshaftung auszugleichen.

Benjamin Grimm, Justizminister Brandenburg

Ein zusätzlicher gerichtlicher Rechtsstreit mit dem Land Brandenburg erscheint daher eher unwahrscheinlich und könnte Familie Walter erspart bleiben.

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Quelle: dpa

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