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Prozess in New York:Was das Weinstein-Urteil bedeutet
von Celine Kebben
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Der neu aufgerollte Prozess gegen Harvey Weinstein endet mit einem Schuldspruch wegen eines sexuellen Übergriffs, in zwei Fällen gibt es keine Verurteilung. Was das Urteil aussagt.
Wurde wegen eines sexuellen Übergriffs verurteilt: Der ehemalige Filmproduzent Harvey Weinstein.
Quelle: AP
Der frühere Hollywood-Produzent Harvey Weinstein wurde wegen eines sexuellen Übergriffs auf die ehemalige Produktionsassistentin Miriam Haley (2006) verurteilt. Vom Vorwurf im Fall des Models Kaja Sokola (2002) sprach ihn die Jury frei. Beim dritten Anklagepunkt - Vergewaltigung dritten Grades im Fall der damals aufstrebenden Schauspielerin Jessica Mann (2013) - erklärte der Richter das Verfahren für gescheitert, nachdem die Jury sich zerstritt und nicht auf ein Urteil einigen konnte.
Rechtsexpertin Jacqueline Goodman erklärt auf ZDF-Anfrage, wie fragil Gerechtigkeit bei In Fällen mit prominenten Angeklagten sein kann:
Auf der einen Seite verschafft Macht und Status einem Angeklagten gewisse Vorteile - auf der anderen kann intensive Medienberichterstattung eine Jury unangemessen beeinflussen.
Jacqueline Goodman
Prozess gegen Harvey Weinstein mit Symbolkraft
Harvey Weinstein wurde zum Auslöser der #MeToo-Bewegung - seine Verteidigung stellt dieses Narrativ nun infrage. Anwalt Arthur Aidala sagte: "Vielleicht war es falsch, sein Gesicht damals auf all diese MeToo-Plakate zu drucken."
Wie schwer ein faires Verfahren in solch medial aufgeladenen Fällen sei, betont Goodman: Die kulturelle Wirkung von #MeToo könne eine "vorweggenommene Schuld" erzeugen und die Urteilsfindung beeinflussen - besonders bei öffentlich vorverurteilten Angeklagten. Das werfe Fragen zur Gültigkeit des Urteils auf und stärke auch mögliche Berufungsansätze.
Die Anklage bleibt entschlossen
Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg kündigte an, den dritten Anklagepunkt erneut vor Gericht zu bringen. Für ihn gehe es um mehr als Weinstein: "Dieses Verfahren ist in erster Linie für die Überlebenden. Weinstein wird für seine Taten gegenüber Miriam Haley zur Rechenschaft gezogen. Aber Jessica Mann verdient ebenfalls Gerechtigkeit - deshalb machen wir weiter."
Goodman findet, dass solche Verfahren ein gemischtes Signal senden: "Für manche Betroffene mag das Urteil Mut machen - es zeigt, dass Gerechtigkeit möglich ist. Gleichzeitig aber offenbaren diese Prozesse, wie groß die Gefahr ist, dass der öffentliche Diskurs das Verfahren überschattet und nicht allein die Beweislage zählt."
#MeToo: Eine Bewegung, die bleibt
Miriam Haley wandte sich nach dem Urteil an andere Betroffene: "Ihr zählt. Eure Geschichte zählt. Eure Stimme zählt." Für Kaja Sokola, die den Prozess gegen Weinstein verlor, markiert der Tag das Ende eines schmerzhaften Kapitels. Sie richtet sich an weitere Betroffene: "Ich hoffe, dass dieser Moment anderen den Mut gibt, sich zu äußern - statt still zu leiden." Ihre Anwältin Lindsay Goldbrum ergänzte, Sokola habe auch für andere gesprochen - "besonders für junge, verletzliche und zum Schweigen gebrachte Überlebende".
Doch hat sich seit dem ersten Weinstein-Prozess wirklich etwas verändert? Jennifer Mondino vom National Women's Law Center sagt im ZDF-Interview: "Menschen glauben heute eher Überlebenden als noch zu Beginn der #MeToo-Bewegung." Das spreche für einen kulturellen Wandel.
Wie geht es weiter?
Das Strafmaß wird in den kommenden Wochen erwartet. Unabhängig davon bleibt Weinstein in Haft - wegen einer weiteren Verurteilung in Kalifornien. Für Goodman liegt die eigentliche Aufgabe jedoch jenseits dieses Falls: Struktureller Wandel in der Branche sei entscheidend - müsse aber dort stattfinden, wo Verantwortung verankert ist.
"Dieses Urteil betrifft einen einzelnen Angeklagten - systemischer Wandel darf nicht allein auf dem Rücken eines Strafverfahrens ausgetragen werden." Die Justiz könne Missstände sichtbar machen, doch echter Wandel beginne weit vor dem Gerichtssaal.
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