Von der Leyens SMS zu Impfstoffen:EU-Gericht gibt Klage der "New York Times" statt
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Niederlage für EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: Ein Gericht erklärte, sie dürfe SMS an einen Konzern in Zusammenhang mit Impfstoff-Deals nicht unter Verschluss halten.
Ursula von der Leyen ist vor Gericht der "New York Times" unterlegen. Dass sie SMS über einen Impfstoff-Deal in der Corona-Zeit mit einem Pharma-Konzern unter Verschluss hält, beurteilte das Gericht als nicht in Ordnung. (Archivfoto)
Quelle: action press | ZUMA / Zuma Press
Im Rechtsstreit um Textnachrichten an einen Pharma-Konzernchef hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Niederlage kassiert. Die Kommission habe keine plausible Erklärung gegeben, warum sie nicht über die angeforderten Dokumente verfüge, urteilte das Gericht der Europäischen Union. Den Beschluss, die angefragten Nachrichten nicht herauszugeben, erklärte das Gericht für nichtig.
Behörde spricht von "nicht auffindbar"
Eine Journalistin der "New York Times" beantragte vor drei Jahren zusammen mit ihrer Zeitung den Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla ausgetauscht haben sollen.
Die Brüsseler Behörde argumentiert, die Textnachrichten seien nicht archiviert worden und deshalb nicht mehr auffindbar. Der Austausch habe "keine wichtigen Informationen" enthalten, sagte ein Kommissionsbeamter. Das fechten die Journalistin und ihre Zeitung vor dem EU-Gericht an. Dass die Nachrichten nicht mehr auffindbar seien, sei nicht plausibel, urteilte das Gericht nun.
Beide Seiten können das Urteil im Anschluss noch anfechten und vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. Mit dem aktuellen Beschluss muss die Kommission nicht automatisch die Nachrichten herausgeben.
Konkret ging es um Nachrichten, die von der Leyen und Bourla zwischen Januar 2021 und dem 11. Mai 2022 ausgetauscht haben sollen. Während der Corona-Pandemie hatte die EU inmitten einer massiven Nachfrage weltweit Impfstoffe für die Mitgliedstaaten gesichert. Als Hauptlieferanten wählte die EU-Kommission Biontech/Pfizer. Viele Aspekte der Beschaffung wurden jedoch vertraulich behandelt, was zu Vorwürfen der mangelnden Transparenz führte.
Matina Stevi, eine Journalistin der "New York Times", beantragte Zugang zu den Chats, was die Kommission aber ablehnte. Daraufhin zogen Stevi und die Zeitung vor das EU-Gericht und hatten nun Erfolg.
Im Fokus steht dabei ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die "New York Times" berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch per SMS kommuniziert haben.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Die Kommission hat weder im Detail erklärt, welche Art von Nachforschungen sie betrieben hat, um diese Dokumente zu finden, noch, wo sie nach ihnen gesucht hat, so das Gericht. Somit hat sie keine plausible Erklärung gegeben, um den Nichtbesitz der angeforderten Dokumente zu rechtfertigen.
Darüber hinaus hat die Kommission nicht hinreichend klargestellt, ob die angeforderten Textnachrichten gelöscht wurden und ob in diesem Fall die Löschung freiwillig oder automatisch erfolgt ist oder ob das Mobiltelefon der Präsidentin inzwischen ausgetauscht wurde, erklärte das Gericht.
Mit einer Veröffentlichung der Textnachrichten "könnte die Kommission jeglichen Zweifel ausräumen, dass hinter verschlossenen Türen gedealt wurde", schätzt ZDF-Korrespondentin Lara Wiedeking ein. "Es würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institutionen stärken. So entsteht das gegenteilige Bild." Wiedekings Fazit: Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie ist von großem, internationalen Interesse - und dürfte doch eine Ausnahme wert sein."
EU-Abgeordneter verlangt Konsequenzen
Der Grünen Europaabgeordnete Daniel Freund sagte gegenüber ZDFheute, Ursula von der Leyens "Ausrede", sie nutze SMS nicht für politische Geschäfte, sei nicht haltbar.
Dieses intransparente Taktieren auf dem Smartphone der Kommissionspräsidentin muss ein Ende haben. Künftig müssen alle dienstlichen Nachrichten systematisch gespeichert und bei Bedarf offengelegt werden.
Daniel Freund, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament
Freund fordert weiter: "Sollte von der Leyen sich dem verweigern, braucht es Konsequenzen - notfalls auch den Entzug der dienstlichen Smartphonenutzung."
In einem Statement nach dem Urteil stellt die EU-Kommission klar, dass sie dieses gründlich prüfen werde. Sie betont, von der Leyen sei stets um Transparenz bemüht. Man werde sich weiterhin "strikt" an die vorhandenen rechtlichen Vorgaben halten.
Quelle: dpa, AFP, ZDF
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