Begnadigung von Kapitol-Stürmern: Experte sieht Doppelmoral

Interview

USA-Experte zu Kapitol-Stürmern:Trumps Begnadigungen eine "Heuchelei"

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US-Präsident Trump hat hunderte Straftäter begnadigt. Wer sind die Freigelassenen und was treibt Trump an? USA-Experte Thomas Greven erklärt scheinbar Widersprüchliches.

TN: "Trumps Entscheidungen sind Testballons"

Das Gespräch mit Politikwissenschaftler Greven hier in voller Länge.

22.01.2025 | 15:54 min

Kurz nach der Begnadigung hunderter Straftäter der Kapitol-Attacke durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump sind viele Verurteilte auf freiem Fuß - und triumphieren. An verschiedenen Orten im Land wurden in den ersten Stunden nach Trumps Amtseinführung Häftlinge entlassen, die wegen ihrer Beteiligung an dem gewaltsamen Sturm auf den Parlamentssitz vor vier Jahren schuldig gesprochen wurden.

Darunter sind Leute, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte einprügelten. Auch die bekanntesten Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen - die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen "Oath Keepers" und "Proud Boys", Stewart Rhodes und Henry "Enrique" Tarrio - kamen nur Stunden nach Trumps Amtsantritt frei.

Nach Amtseinführung Trump - Begnadigungen

Auch Stewart Rhodes, Gründer der rechtsradikalen Gruppe "Oath Keepers", wurde von Trump begnadigt.

Quelle: dpa

Bei ZDFheute live bewertet der Politikwissenschaftler und USA-Experte Thomas Greven die Begnadigungen und analysiert Trumps mögliche Motivation für den Schritt.

Sehen Sie das ganze Interview oben im Video und lesen Sie hier Auszüge. Das sagt Thomas Greven ...

... zum verfassungsrechtlichen Aspekt der Begnadigungen

Die US-Verfassung sei schon sehr alt, sagt Greven. Man vergesse leicht, dass ursprünglich keine Demokratie vorgesehen gewesen sei. Es sei eher eine Republik mit einem "Überbleibsel einer Art monarchischer Ordnung". "Der Präsident hat dieses in der Verfassung verbrieftes Recht (zur Begnadigung von Straftätern, Anm. d. Red.)", betont Greven. Die Verfassung sei nur sehr schwer zu verändern.

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... zum Verhältnis der Republikaner zur Polizei

"Das ist in der Tat ein Zeichen von großer, fast nicht zu überbietender Doppelmoral", meint Greven. Es gehe um eine Partei, die immer wieder sage, es gehe um "law and order", man behaupte immer wieder für Recht und Gesetz zu stehen, für den Schutz der Ordnungskräfte gegen Randalierer. Angesichts der jetzigen Begnadigungen könne man nur sagen:

Es ist eine Heuchelei sondergleichen.

Thomas Greven, Politikwissenschaftler

Das habe damit zu tun, dass die Straftäter ihre Taten im Interesse Trumps begangen hatten. Das scheine nun das einzige Maß der Dinge zu sein. "Die Loyalität gegenüber dem Präsidenten scheint auch politische Gewalt zu rechtfertigen."

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... zu den betroffenen Personen und Gruppen

Die beiden Gruppen, die an der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols beteiligt waren, seien unterschiedlich. Bei den "Proud Boys" gehe es vor allem um Männlichkeit, es seien auch nur Männer zugelassen. Sie stünden in der Tradition einer extrem anti-staatlichen Überzeugung. Dennoch hätten sie sich "in das Lager Donald Trumps eingereiht" und seien von ihm entsprechend instrumentalisiert worden.

Die "Oath Keepers" hingegen hätten oft einen Hintergrund bei Polizei, Militär und Feuerwehr. Die Staatsfeindlichkeit sei erstmal nicht zu erkennen, sagt Greven. Der Eid (engl. "oath") beziehe sich auf die Verfassung der USA. Allerdings habe man sich auch hier in das Trump-Lager und in den entsprechenenden kritiklosen Personenkult eingereiht. Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen seien vor allem Antisemitismus und Rassismus.

Demonstrierende Menschen stehen vor einer weißen Mauer unter einer Brüstung am Fuße des Kapitols der Vereinigten Staaten, eines Kuppelbaus.

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... zu Trumps möglichen Gründen und Motiven

"Diese gewaltbereiten extremistischen Gruppen sind zu Vorfeldorganisationen einer immer weiter nach rechtsgerückten und immer weiter 'trumpifizierten' Republikanischen Partei geworden", sagt USA-Experte Greven. Kritische Stimmen in der Partei würden unter dem Eindruck des Personenkults und der Loyalitätsbekundungen untergehen.

Trump wolle mit der Begnadigung und auch mit den Nominierungen für Kabinettsposten das Signal senden, "ich kann machen, was ich will, ihr müsst folgen. Ich will keinerlei Widerspruch sehen, egal wie kontrovers und möglicherweise auch unverständlich meine Entscheidungen auch sind." Es seien "Tests", meint Greven. "Gibt es irgendwo noch irgendjemanden, der mir zu widersprechen wagt" sei die Frage, die dahinter stehe.

Quelle: ZDF, mit Material von dpa

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