Spanien: Korruptionsvorwürfe erhöhen Druck auf Sánchez-Regierung

Korruption in Sánchez' Partei?:Wie Spaniens Regierung um Vertrauen kämpft

von Brigitte Müller, Madrid
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Spaniens Parlament diskutiert über Korruptionsvorwürfe gegen Ex-Funktionäre der Sozialisten - sie sollen hohe Schmiergelder kassiert haben. Der Druck auf die Regierung steigt.

Korruptionsskandal in Spanien
Korruptionsvorwürfe gegen die Regierungspartei PSOE sorgen für Unruhe. Dabei geht es um einen Spitzenfunktionär und enge Vertraute des Ministerpräsidenten.27.06.2025 | 2:01 min
Der spanische Regierungspräsident Pedro Sánchez bemüht sich um Selbstbewusstsein, als er ans Rednerpult tritt. Im Parlament will er das Ruder heute rumreißen, die Initiative ergreifen gegen die Korruption in den eigenen Reihen, will als Kämpfer für Integrität daraus hervorgehen und vor allem jene Parteien überzeugen, die seine Minderheitsregierung stützen.
Er möchte ein Kontrollorgan für die Vergabe öffentlicher Aufträge ins Leben rufen, die Parteienfinanzierung besser überwachen und die Justiz in Spanien bei der Strafverfolgung von Korruption stärken.

Spanien: Parteifunktionäre kassierten mutmaßlich Schmiergelder

Die Vorwürfe wiegen schwer. Ausgerechnet die engsten Vertrauten des Regierungschefs ließen sich, laut polizeilicher Untersuchungen, für die Vergabe von Bauvorhaben bezahlen, auch beim Einkauf von Masken während der Corona-Pandemie gab es Unregelmäßigkeiten.
Der Spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez spricht im Abgeordnetenhaus in Madrid.
Spanien lehnt das Fünf-Prozent-Ziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben ab. Ministerpräsident Sanchez nennt diesen Plan für sein Land "unvernünftig" und "kontraproduktiv".19.06.2025 | 44:32 min
Zunächst standen José Luis Ábalos, Verkehrsminister bis 2021 und mächtiger Organisationssekretär der sozialistischen Regierungspartei PSOE, und sein Berater Koldo García im Zentrum der Untersuchung. Sie wurden ihren Ämtern enthoben und schließlich aus der Partei ausgeschlossen. Schadensbegrenzung.
Nachfolger von Ábalos wurde Santos Cerdán, eine persönliche Wahl von Pedro Sánchez, der seine Entscheidungen gerne allein trifft. Im Juni dieses Jahres legte die Polizei Indizien vor, die eben jenen Cerdán als Drahtzieher im Schmiergeldskandal darstellen. Seit dem 30. Juni sitzt er in Untersuchungshaft.

Sánchez kämpft um Glaubwürdigkeit

Die Sozialisten mit ihrem linken Koalitionspartner Sumar bilden eine Minderheitsregierung. Sowohl Sumar als auch die kleinen Parteien, die die Regierung stützen, geben sich mit Sánchez’ Entschuldigungen nicht zufrieden, gehen auf Distanz zum Regierungschef und schauen ganz genau auf die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung.
Ron Prosor
Spaniens Premier Sánchez fordert den Ausschluss Israels vom ESC. Israels Botschafter nennt das "eine Schande" und fordert: Käme es so, müsse sich Deutschland vom ESC zurückziehen.21.05.2025 | 0:41 min
Die Neubesetzungen an der Parteispitze reichen ihnen nicht aus. Die Ankündigung, bei einflussreichen Funktionären unangekündigt die Vermögensverhältnisse zu überprüfen, überzeugt wenig angesichts der Tatsache, dass es von mehreren Millionen Euro, die Cerdán, Ábalos und García beiseitegeschafft haben sollen, noch keine Spur gibt.

Machismo in den eigenen Reihen

Ein weiterer Schock für Partei und Öffentlichkeit sind Gesprächsmitschnitte, in denen der ehemalige Minister Ábalos und sein Adjutant Koldo García sich über die Vorzüge bestimmter Prostituierter äußern, als handele es sich um eine Ware. Premier Sánchez hatte sich von Beginn seiner Amtszeit den Feminismus auf die Fahnen geschrieben. Dem Anspruch auf eine gendergerechte Partei kann er so nicht gerecht werden.
Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo von der konservativen PP wird nicht müde, den Rücktritt von Pedro Sánchez und Neuwahlen zu fordern.
Frau bindet ihre Fußballschuhe
Der Mädchen- und Frauenfußball in Spanien gewinnt Spielerinnen. Mehr als 100.000 Lizenzen sind schon erteilt. Ihre Vorbilder starten heute Abend gegen Portugal in die EM.03.07.2025 | 2:02 min

Schlechte Umfragewerte für die Regierung

Umfragen sehen die PP bei 34 Prozent Zustimmung, für die Sozialisten würden kaum mehr als 27 Prozent der Befragten stimmen. Von Neuwahlen will der Regierungschef deshalb nichts hören und auch seine bisherigen Unterstützer lassen ihn nicht fallen. Denn auch sie, so die Umfragen, verlieren in der Bevölkerung an Zustimmung, während die Rechtsaußenpartei VOX an Unterstützung zulegt.
Die Maßnahmen, die Sánchez im Parlament angekündigt hat, verschaffen ihm zunächst ein wenig Luft, in der Hoffnung, dass keine weiteren Skandale auftauchen. Dann kommt die Sommerpause. Im September geht das Ringen um Glaubwürdigkeit und Mehrheiten in die nächste Runde.

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