Unicef: Tausende Kindersoldaten in Afrika und weltweit
Tag gegen Kindersoldaten:Unicef: "Kinder brauchen Frieden"
von Veronica Habela, Nairobi
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Immer noch kämpfen zehntausende Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten. Sie erleben Gewalt und werden selbst gewalttätig. Hilfsorganisationen sprechen von "Kindesmissbrauch".
"Kinder brauchen Frieden": Zehntausende Kinder kämpfen in bewaffneten Konflikten.
Quelle: AP
Häufig beginnt es mit einer Entführung. Kinder werden am helllichten Tag von bewaffneten Gruppen überwältigt, verschleppt, manipuliert. Die einen werden als Kindersoldaten eingesetzt, andere müssen für Armeen als Köche, Dienstboten oder Spione arbeiten; Mädchen werden sexuell missbraucht und zwangsverheiratet. "Rekrutierte Kinder in bewaffneten Konflikten" nennen sie deshalb Kinderrechtsorganisationen. Auch wenn sie sich irgendwann aus ihrer Lage befreien können, bleiben die Narben und das Trauma einer verlorenen Kindheit ein Leben lang.
Besonders dramatisch ist die Situation auf dem afrikanischen Kontinent, in Ländern wie dem Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Mali, dem Sudan und Somalia. Laut aktuellen Zahlen von Unicef sind in Afrika 181 Millionen Kinder von akuter Armut, Hunger und - in den meisten Fällen - bewaffneten Konflikten betroffen. Seit 2002 gilt der 12. Feburar als internationaler Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten, er soll auf das Schicksal der betroffenen Kinder aufmerksam machen.
Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef lebt etwa jedes sechste Kind weltweit in einem Konfliktgebiet. 2024 erreicht die Zahl der Konflikte ein Rekordniveau seit dem Zweiten Weltkrieg.28.12.2024 | 0:30 min
"Sie sind betroffen von Dürren und schwachen Regierungssystemen - Situationen in denen Konflikte aufflammen", schlussfolgert Anthony Njoroge von der Kinderschutzorganisation Save the Children.
Das trifft dann die schwächsten der Gesellschaft am meisten: die Kinder.
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Anthony Njoroge, Save the Children International in Nairobi
Kindersoldaten weltweit: Ein ungelöstes Problem
Offiziell nennt die UN nur 8.653 verifizierte Fälle von Kindersoldaten. Experten sprechen aber von einer Dunkelziffer in den Zehntausenden. Dass genaue Aussagen schwierig sind, liegt in der Natur der Sache: "Häufig handelt es sich um sehr schwer zugängliche Kriegs- und Krisengebiete, wo der Zugang zu verifizierbaren Informationen und Zahlen kaum möglich ist", sagt Ninja Charbonneau, Sprecherin der Kinderschutzorganisation Unicef Deutschland.
Insbesondere wenn es sich um paramilitärische Gruppierungen, Terrororganisationen, oder kriminelle Gangs handelt, die wenig Wert auf internationale Abkommen für Kinderrechte legen, sind die Vereinten Nationen auf Schätzungen angewiesen.
Mehr als jedes sechste Kind weltweit lebt in Kriegs- und Konfliktgebieten oder wurde aus seinem Zuhause vertrieben. Besonders alarmierend ist die Lage der Kinder im Gazastreifen.28.12.2024 | 1:41 min
Hinzu kommt, dass Rekrutierung häufig im Verborgenen stattfindet. "Kinder werden auf dem Weg zum Markt entführt, am helllichten Tag. Oder während sie im Busch unterwegs sind, um Feuerholz zu sammeln", so Charbonneau. Und weiter:
Manchmal werden aber auch ganze Dörfer überfallen, Menschen getötet, Kinder mitgenommen.
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Ninja Charbonneau, UNICEF Deutschland
Kinder als leichte Opfer
Kinder sind leichte Opfer. In Ländern wie Somalia sind es oft die Eltern selbst, die ihre Kinder in die Hände der terroristischen Organisationen geben, weil sie selbst nicht die finanziellen Mittel haben, sich um sie kümmern. Dass Armut und Perspektivlosigkeit ein Treiber für Kindesmissbrauch sind, wissen auch die Rekrutierenden.
Sie locken mit großen Versprechen: "Es werden relativ hohe Gehälter bezahlt, im Vergleich zu anderen Tätigkeiten. Aber es ist immer noch günstiger als die Rekrutierung von Erwachsenen", sagt Charbonneau.
Mehr als jedes sechste Kind weltweit lebt in Konfliktgebieten, schätzt Unicef - der höchste Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Besonders alarmierend: Die Lage der Kinder in Gaza.28.12.2024 | 2:02 min
Frieden gegen Rekrutierung von Kindersoldaten
In manchen Fällen gelingt die Flucht, entweder als Teil eines diplomatischen Austausches oder unter größtem Risiko auf eigene Faust. Doch dann gibt es neue Schwierigkeiten, denn nur in den seltensten Fällen gibt es ein Leben, zu dem die Kinder zurückkehren können.
In speziellen Zeremonien oder Übergangszentren lokaler Organisationen werden symbolisch die Waffen niedergelegt und neue, zivile Kleidung angezogen. Hier sollen die Kinder und Jugendlichen psychologisch begleitet werden, gegebenenfalls einen Drogenentzug durchlaufen, ein Handwerk erlernen und langsam wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden.
Akzeptanz bei Rückkehr oft schwierig
Oftmals wird bei einer Rückkehr die Akzeptanz in der Gesellschaft schwierig. Wenn die Kinder zum Beispiel selbst schwere Gräueltaten verübt haben oder wenn Mädchen Kinder mitbringen, die in der Zeit ihrer Rekrutierung geboren wurden. Diese werden häufig als "Kinder des Feindes" bezeichnet. Anthony Njoroge, Leiter der Regionalprogramme von Save the Children in Nairobi erklärt: "Kinder, die lange bei bewaffneten Gruppen waren, wurden Teil von einem System. Sie bekamen Nahrung, eine Aufgabe und das Gefühl, irgendwo dazuzugehören."
In einem Camp in den Karpaten entfliehen sie dem Krieg, können auf einem ehemaligen Bauernhof erholen - 10 Tage lang. Das Projekt wird auch mit deutschen Spenden finanziert. 22.07.2024 | 2:26 min
Politische Stabilität, nachhaltige Entwicklungsarbeit, Bildung und eine humanitäre Grundversorgung: Das alles kann Armut verhindern und Konflikten vorbeugen. Denn: Eine resiliente Zivilgesellschaft bedeutet auch besserer Kinderschutz.
Kinder brauchen Frieden. Dort, wo Frieden herrscht, werden auch keine Kindersoldaten rekrutiert.
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Ninja Charbonneau, Unicef
Quelle: dpa
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