Todesfall und Verletzte:Schönheits-OP-Skandal in Großbritannien
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Viele träumen vom perfekten Aussehen. Doch eine Recherche in Großbritannien zeigt: Oft werden chirurgische Eingriffe hier von medizinischen Laien vorgenommen - mit großen Risiken.
Dieser Fall hat Großbritannien aufgerüttelt: Im September starb die 33-jährige Alice Webb, Mutter von fünf Kindern, nach einem Schönheitseingriff in einer Schönheitsklinik. Sie hatte sich einem "Brazilian Butt Lift" unterzogen, der für einen volleren Hintern sorgen soll.
Kurz nachdem ihr eine kosmetische Flüssigkeit gespritzt worden war, kam es zu Komplikationen und sie starb. Die genauen Hintergründe des Falls werden noch untersucht.
Millionengeschäft Schönheitsindustrie
Das Schicksal von Alice Webb hat ein Schlaglicht auf die Schönheitsindustrie in Großbritannien geworfen, ein Multi-Millionen-Geschäft. Das Versprechen: ein makelloses Äußeres. Dabei geht es hinter den Kulissen alles andere als makellos zu. Das zeigt jetzt eine Recherche des britischen Senders ITV. Im Fokus vor allem Schönheitssalons, die sich Klinik nennen.
Eine Reporterin des Senders hat sich mit versteckter Kamera zu einem eintägigen Ausbildungs-Kurs im Fettabsaugen in einem Schönheitssalon angemeldet. Kosten: rund 1.800 Euro. Schon nach einer halben Stunde Theorie dürfen sich die Teilnehmer mit dem Absauggerät an einer Patientin ausprobieren.
Immer wieder Verletzungen durch medizinische Laien
Dass es dabei immer wieder zu Verletzungen kommt, gibt die anleitende Kosmetikerin ganz offen zu: "Wenn wir die Nerven auf einer Seite beschädigen, dann sind wir ganz vorsichtig auf der anderen Seite. Wir haben mit unseren Schülern bisher zweimal Nerven geschädigt und einmal eine Arterie."
Professor Iain Whitaker ist Facharzt für plastische Chirurgie. Dass medizinische Laien solche Eingriffe vornehmen, schockiert ihn: "Ich finde das ekelhaft. Ich bin seit 22 Jahren Arzt und hätte nie gedacht, in meinem Leben so etwas zu sehen. Ein invasiver chirurgischer Eingriff, durchgeführt von einer Kosmetikerin."
Schädigung nach Fettabsaugen
In derselben sogenannten Schönheitsklinik ließ sich Keylea-Anne Griffiths Fett absaugen. Für sie eine traumatische Erfahrung: "Ich habe gespürt, wie dieser heiße Metallstab meine Haut durchdringt. Ich habe vor Schmerzen geschrien." Als sie zur Seite blickte, sah sie das Blut einer anderen Patientin an der Wand.
Nach der Behandlung musste Keylea-Anne Griffiths ins Krankenhaus. Ihre Blase war geschädigt worden. Die Verantwortlichen der Schönheitsklinik wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Hunderte Notrufe nach Behandlungen in Großbritannien
Laut ITV gab es seit 2021 fast 1.200 Notrufe zu Firmen mit "Schönheit" oder "Ästhetik" im Namen. Die Gründe waren etwa "Brustschmerzen", "unmittelbare Lebensgefahr" oder "schweres Trauma". In den vergangenen fünf Jahren gab es demnach bei Behörden fast 700 Beschwerden über kosmetische Eingriffe.
Britische Politik unter Druck
Ein Grundproblem: Strenge Regeln bei solchen Eingriffen gelten nur für Ärzte. Nicht-Mediziner unterliegen keiner solchen Aufsicht. Die Schattenseite des Beauty-Business beschäftigt inzwischen auch die britische Politik.
So sagt Gesundheitsminister Wes Streeting: "Ich finde es absolut widerlich, dass es Wild-West-Anbieter gibt, die gefährliche Schönheitsoperationen anbieten und damit das Leben der Patienten gefährden. Wir arbeiten daran, so schnell wir können. Wir wissen, dass wir handeln müssen."
Werben für "Alice's Law"
Der Partner der verstorbenen 33-jährigen Alice Webb gibt sich damit nicht zufrieden: "Ich glaube, dass mehr getan werden könnte, dass der Prozess beschleunigt werden könnte. Es bleibt abzuwarten, ob sie das wirklich ernst genug nehmen." Er wirbt für ein neues Gesetz namens "Alice's Law". Danach dürften nur noch registrierte plastische Chirurgen Schönheitseingriffe wie bei Alice Webb durchführen.
Ob und wann sich gesetzlich etwas ändern wird, ist bislang völlig unklar. Schönheitssalons führen derweil weiter chirurgische Eingriffe durch. Und riskieren damit womöglich das Leben ihrer Patienten.
Quelle: dpa
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