Von Nepal bis Marokko:Aufstand der Gen Z - was die Proteste vereint
Von Nepal bis Marokko erhebt sich die Generation Z. Rebellisch, vernetzt - und mit einer Piratenflagge als Symbol. Was verbindet diese Proteste?
In Marokko protestieren Jugendliche unter anderem gegen die Milliardeninvestitionen in die Fußball-WM 2030.
Quelle: AFPNepal, Peru, Madagaskar, Marokko - weltweit gehen junge Menschen auf die Straße. Wütend, entschlossen, vernetzt. Sie gehören zur Generation Z, laut dem amerikanischen Pew Research Center die Jahrgänge 1997 bis 2012.
Organisiert sind sie über Social Media. Das Symbol vieler: eine Piratenflagge aus einer Anime-Serie. Was eint diese Proteste? Und gibt es einen echten Ansteckungseffekt, der die Bewegung über Grenzen hinweg verbindet?
Seit Tagen proben vor allem junge Menschen in Nepal den Aufstand - gegen eine als korrupt empfundene Regierung und die Sperrung sozialer Medien. Was wollen sie erreichen?
17.09.2025 | 6:18 minProteste rund um den Globus
In Nepal löste die Veröffentlichung von Bildern über das luxuriöse Leben der Kinder von Politikern öffentliche Empörung aus. Vor diesem Hintergrund führte eine Sperrung von mehreren Social-Media-Plattformen zu landesweiten Protesten.
Jugendliche zündeten Gebäude an, demonstrierten gegen Korruption und Ungleichheit - und stürzten Anfang September schließlich sogar den Premierminister.
In Madagaskar erheben sich seit Tagen Gen-Z-Gruppen gegen Strom- und Wasserausfälle. Die Proteste führten zur Auflösung der Regierung, prangern aber weiterhin Misswirtschaft und Korruption an.
In Marokko rief am Wochenende das anonyme Jugendkollektiv "GenZ 212" auf Discord zu Protesten auf. Die Jugendlichen fordern Reformen in Bildung und Gesundheit und kritisieren die Milliardeninvestitionen in die Fußball-WM 2030 auf Kosten öffentlicher Dienste.
Nur einige Beispiele - ähnlich formierte Proteste gibt es auch auf den Philippinen, in Kenia, Peru oder Serbien.
Zum fünften Mal in Folge sind Menschen in Marokko auf die Straße gegangen, um gegen ihre Regierung zu protestieren. Zwei Teilnehmer kamen ums Leben, Hunderte wurden festgenommen.
02.10.2025 | 0:17 minWas haben die Proteste gemeinsam?
"In all diesen Fällen protestiert die Jugend gegen Korruption", erklärt Subir Sinha, Direktor des Zentrums für Südasienstudien an der School of Oriental and African Studies der University of London. Die Demos richteten sich beispielsweise gegen das privilegierte Leben der sogenannten "Nepo-Kids", das im deutlichen Kontrast zu den oftmals prekären Lebensverhältnissen vieler junger Menschen stehe.
Hinzu kämen die Frustration über gebrochene Regierungsversprechen sowie die häufig stark militarisierte Reaktion des Staates.
Das führt zu weiterer Entfremdung vom Staat und wachsender Feindseligkeit.
Subir Sinha, University of London
Wenn Geld in Sportanlagen fließe - wie in Marokko vor der Fußball-WM 2030 - statt in Beschäftigungsprogramme oder soziale Leistungen, verstärke das das Gefühl, dass die Anliegen der Jugend nicht verstanden werden, ergänzt Sinha.
Nach Protesten mit mindestens 22 Toten hat Madagaskars Präsident die Regierung entlassen. Auslöser waren unter anderem Wasserknappheit, Korruption und wirtschaftliche Krisen.
30.09.2025 | 0:22 minSoziale Medien als Mobilisierungsinstrument
Dass Kommunikationstechnologien für Protest genutzt werden, sei nicht neu, sagt Tareq Sydiq, Protestforscher am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg. "Menschen mobilisieren mit den Mitteln, die ihnen vertraut sind, an den Orten, wo sie sich aufhalten" - für junge Menschen bedeute heutzutage beides zunehmend soziale Medien.
Diese Entwicklung werde sich vermutlich fortsetzen, solange keine massive Zensur sie verhindere, wie in manchen Ländern bereits geschehen, erklärt Sydiq.
"Wenn Regierungen soziale Medien verbieten oder unterdrücken, wie in Nepal, zeigt das erneut, wie sehr die Jugend missverstanden wird", erklärt Subir Sinha.
Das Handy sei für sie nicht nur wichtig zur Selbstinszenierung, sondern auch für Kommunikation, für den Zugang zu Nachrichten, Unterhaltung und zu wissenschaftlichem Studienmaterial. "Ein Verbot nimmt vielen Jugendlichen weltweit das weg, was sie als grundlegendes Recht auf Konnektivität betrachten", so Sinha.
In Serbien haben erneut Tausende Menschen gegen die Regierung von Präsident Vucic protestiert. Die Proteste prangern seit Monaten die Korruption in Serbien an.
06.09.2025 | 0:22 minGibt es einen Ansteckungseffekt?
"Ja, es gibt einen Ansteckungseffekt, aber einen anderen als etwa beim Arabischen Frühling", erklärt Sinha. Dort spielte die Bezeichnung "Arabisch" eine Rolle - mit all ihren sprachlichen, kulturellen und historischen Konnotationen sowie der Verbindung korrupter Regime.
Die Länder, in denen wir heute Gen-Z-Proteste sehen, liegen nicht nebeneinander.
Tareq Sydiq, Universität Marburg
Die Ansteckung funktioniere hier anders: "Jugendbewegungen nutzen zur gleichen Zeit dasselbe Symbol, denselben Namen (Gen Z) sowie gemeinsame Themen wie Korruption". Hinzu komme das Teilen einer Meme- und Pop-Kultur, die für Regierende und ältere Generationen meist unverständlich sei, für die Jugend jedoch Resonanz und Bedeutung habe, so Sinha.
One-Piece-Piratenflagge als Protestsymbol
Bei den Protesten ist immer häufiger eine Flagge mit Totenkopf und Strohhut zu sehen. "Die Piratenflagge ist interessant, da sie aus der Manga- und Anime-Kultur stammt", sagt Sinha. Sie sei "ein fertiges Symbol des Widerstands gegen Herrschaft", erklärt Sinha.
Bekannt aus der Kult-Anime-Serie "One Piece": Der Pirat mit Strohhut als Zeichen des Widerstands - hier in Indonesien.
Quelle: AFP"Popkulturelle Symbole werden schon immer für Proteste genutzt, weil sie Wiedererkennungswert bieten, weil sie Botschaften leicht transportieren und auch subversiv genutzt werden können", sagt Sydiq. "Vor einigen Monaten waren es Pikachus, jetzt ist es One Piece."
Ein Bild, das Sinha zufolge bereits mit Bedeutung aufgeladen sei und über Grenzen hinweg Resonanz finde. Am wichtigsten sei laut Sinha jedoch, dass ältere Menschen und politische Eliten es intuitiv kaum verstehen dürften, was den Bewegungen ein zusätzliches Gefühl der Zugehörigkeit und Solidarität verleihe.
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