Neue Regierung in Bulgarien - ungewöhnliche Koalition

Dreierkoalition bestätigt:Bulgarien bekommt ungewöhnliche Regierung

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Nach jahrelanger politischer Krise hat Bulgarien eine neue Regierung. Zu der Dreierkoalition raufen sich prowestliche, prorussische und populistische Kräfte zusammen.

Bulgarien, Sofia: Der Präsident des bulgarischen Parlaments, Rossen Scheljaskow (oben Mitte), ist der neue Ministerpräsident des Landes.
Der Präsident des bulgarischen Parlaments, Rossen Scheljaskow (oben Mitte), ist der neue Ministerpräsident des Landes.
Quelle: dpa

Zweieinhalb Monate nach einer vorgezogenen Parlamentswahl hat Bulgarien eine neue Regierung. Es handelt sich um eine ungewöhnliche Koalition aus prowestlichen, prorussischen und populistischen Kräften.
Das prowestliche Mitte-Rechts-Bündnis Gerb-SDS, das die meisten Stimmen bei der Wahl gewonnen hatte, schloss ein Bündnis mit den prorussischen Sozialisten (BSP-OL) und den systemkritischen Populisten von ITN. Zusätzlich sicherte die Türkenpartei DPS der Minderheitsregierung im Parlament die entscheidenden Stimmen. Das Gerb-SDS-Bündnis gehört im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP).

Koalition vor großen Aufgaben

Ministerpräsident Rossen Scheljaskow (Gerb) rechtfertigte die ungewöhnliche Regierungskoalition mit der dringenden Notwendigkeit, Bulgarien aus der politischen Krise zu führen. Die beteiligten Parteien hätten "ihre politischen und ideologischen Differenzen beiseitegelegt", um ein Koalitionsabkommen zu unterzeichnen, erklärte der 56-jährige Jurist.
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Prioritäten: Euro-Einführung und Rechtsstaatlichkeit

Nun steht das EU-Mitglied Bulgarien vor erheblichen Herausforderungen. Nach den Worten Scheljaskows sind die Prioritäten der Regierung ein ausgeglichener Haushalt für 2025, aber "vor allem der erfolgreiche Abschluss der Bemühungen zum Eintritt in die Eurozone".
Weitere Prioritäten sind die Beschleunigung der Mittelverwendung aus dem EU-Wiederaufbauplan sowie die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Energiesicherheit. Ein umfassendes Regierungsprogramm wird innerhalb eines Monats erwartet.
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Politologe bei neuer bulgarischer Regierung pessimistisch

Laut dem Politologen Daniel Smilow von der bulgarischen Denkfabrik Centre for Liberal Strategies wird es schwierig für die Regierung:

Im optimistischsten Szenario wird sie etwa ein Jahr lang bestehen, um einige dringende Aufgaben zu erfüllen, wie die Aufnahme des Landes in die Eurozone, die Sicherung der EU-Mittel und die Verabschiedung des diesjährigen Haushalts.

Daniel Smilow, Centre for Liberal Strategies

Doch das sei besser als erneute Neuwahlen, sagt Smilow. Parvan Simenow vom Umfrageinstitut Myara nannte die neue Regierung ein "Überlebenskabinett". In einer Umfrage des Instituts sagten 76 Prozent der Befragten, sie seien bereit, jedweden Kompromiss der Parteien zu akzeptieren, um endlich eine Regierung zu haben.

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Quelle: dpa

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Quelle: dpa, AFP

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