Valencia ein Jahr nach der Flut: Trauer und Wut

Gedenken in Spanien:Trauer und Wut ein Jahr nach der Flut in Valencia

von Brigitte Müller, Valencia

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Vor einem Jahr rissen Wassermassen Häuser, Brücken und unzählige Autos mit sich, viele Orte waren überschwemmt. Heute gedenken die Menschen der 229 Toten in der Region Valencia.

Flut in Valencia (Spanien)

Am 29. Oktober 2024 kamen die Warnungen der Behörden trotz stundenlangen Starkregens viel zu spät. Die folgende Flut zerstörte insgesamt 80 Ortschaften, 229 Menschen starben.

29.10.2025 | 2:35 min

Toñi García nimmt ihre ganze Kraft zusammen und erzählt von ihrem Mann Miguel Carpi und ihrer Tochter Sara. Sara Carpi wurde 24 Jahre alt, sie war Intensivpflegerin im Krankenhaus. Vater und Tochter starben am 29. Oktober 2024 in der Tiefgarage ihrer Wohnung in Benetússer, einem Vorort von Valencia.

Sie wollten die Autos aus dem Parkhaus holen, falls die angekündigten Regenfälle bis in den Keller kommen sollten. Sie wurden, wie viele andere auch, von Schlamm und Wasser überrascht, die plötzlich mit aller Macht hereinbrachen.

Rafael Sanchís erinnert an seine Geschwister Xavier und Pilar, die in Aldaia in einem Erdgeschoss wohnten und wohl noch ein paar Sachen retten wollten, als das Wasser kam. Beide waren gehbehindert und schafften es nicht mehr in den ersten Stock.

Schäden nach Flutkatastrophe in Valencia

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe in Valencia gibt es in der Region Gedenken und Proteste. Die Angst vor einer neuen Flut ist groß. Viele wissen noch immer nicht, wie ihr Leben weitergeht.

28.10.2025 | 2:01 min

Die Warnung kam zu spät

Jede der Geschichten, die Hinterbliebene auf der Gedenkveranstaltung in Valencia erzählen, ist anders, alle sind tragisch und tragen bei all der Trauer einen Vorwurf in sich: Warum hat uns keiner gewarnt?

Am Tag der Katastrophe hatte der Krisenstab die Bevölkerung erst kurz nach 20 Uhr per Handy vor der Überschwemmungsgefahr gewarnt, zu dieser Zeit, so berichtet die Zeitung El País, waren bereits mehr als 150 Menschen ertrunken, im Schlamm erstickt oder im Auto erdrückt worden. Dutzende kämpften um ihr Leben, die Notrufzentralen konnten längst nicht mehr alle Hilferufe entgegennehmen.

30.10.2024, Spanien, Valencia (valencianische Gemeinschaft): Autos, die durch das heftige Unwetter weggeschwemmt wurden, stehen auf den Gleisen.

Nach der Unwetterkatastrophe vor einem Jahr gestaltete sich die Suche nach Toten und Vermissten in der Region Valencia vor allem in den abgelegenen Gebieten als extrem schwierig.

31.10.2024 | 1:42 min

Chaos im Krisenstab

Warum trotz der wiederholten Warnungen vor Starkregen vom staatlichen Wetterdienst AEMET der Krisenstab an jenem 29. Oktober 2024 erst um 17 Uhr zusammenkam und erst drei Stunden später die Warnung verschickte, untersucht auch die Justiz. Dutzende von Zeugen, Mitarbeiter der Wetterdienste, Einsatzleiter und Experten wurden bereits gehört, um die Arbeit des Krisenstabs zu rekonstruieren.

Wann hätten die Verantwortlichen die Situation einschätzen und entsprechend reagieren können? Zuständig für den Bevölkerungsschutz ist die Regionalregierung. Die Ministerin für Justiz und Inneres, die den Krisenstab leitete, trat wenige Tage nach der Katastrophe zurück und steht nun gemeinsam mit dem Verantwortlichen für Katastrophenschutz im Zentrum der Untersuchungen.

Mindestens 150 Tote bislang
:Flut in Spanien: Wurde zu spät gewarnt?

Über 200 Menschen sind in Spanien in Folge des Unwetters gestorben. Nun rückt die Frage in den Fokus: Wurden die Menschen vielleicht zu spät gewarnt?
Ein Mann steht neben Autos, die nach dem Unwetter übereinander liegen.
FAQ

Ministerpräsident war im Restaurant

Regierungschef Carlos Mazón gehört derzeit nicht zu den Beschuldigten im Verfahren, doch an ihm entlädt sich die Wut der Bevölkerung. Während eine der größten Naturkatastrophen Spaniens ihren Lauf nahm, saß er vier Stunden im Restaurant beim Mittagessen mit einer Journalistin, tauchte erst gegen 20:30 Uhr beim Krisenstab auf.

Ob er während des Treffens telefonisch informiert war, möchte die Justiz nun herausbekommen, indem sie die Journalistin als Zeugin vorgeladen hat. Regierungschef Mazón hat sich bisher dazu nicht eindeutig geäußert, er genießt als Ministerpräsident Immunität. Sollte das Verfahren auf ihn ausgeweitet werden, müsste ihm die Immunität entzogen und die Untersuchung an ein höheres Gericht übergeben werden.

Satellitenbild von Valencia am 18. Oktober
Satellitenbild von Valencia nach den Regenfällen vom 31. Oktober 2024
Satellitenbild von Paiporta bei Valencia am 18. Oktober 2024
Satellitenbild von Paiporta bei Valencia am 31. Oktober 2024
Satellitenbild einer Wasseraufbereitungsanlage in Valencia am 18. Oktober 2024
Satellitenbild einer Wasseraufbereitungsanlage in Valencia am 31. Oktober 2024
Satellitenbild von La Torre am 18. Oktober 2024
Satellitenbild von La Torre am 31. Oktober 2024
Satellitenbild von Carrer de Gomez Ferrer bei Valencia am 18. Oktober 2024
Satellitenbild von Carrer de Gomez Ferrer bei Valencia am 31. Oktober 2024

Valencia am 18. Oktober

Das Satellitenbild zeigt die Stadt in Spanien vor den starken Regenfällen.

Quelle: AFP

Demonstranten fordern Rücktritt

Zehntausende forderten bei der Demonstration am Wochenende den Rücktritt Mazóns. Sie skandierten "Weder vergessen, noch vergeben!" oder

Während Mazón beim Mittagessen saß, ertrank das Volk.

Demonstranten in Valencia

Sie können nicht verstehen, warum ihr Präsident nicht längst die politische Verantwortung übernommen hat, für ein Fehlverhalten seiner Regierung, das in den Augen der Demonstrierenden so viele Menschen das Leben gekostet hat. Wäre die Bevölkerung früher gewarnt worden, so die Überzeugung, hätten viele gerettet werden können. In den betroffenen Ortschaften im Süden der Stadt hatte es nicht einmal geregnet, die Wassermassen kamen plötzlich als Flutwelle aus dem Landesinneren und rissen alles mit sich.

SPAIN-FLOOD

Als Spaniens Königspaar die Flutgebiete im Herbst 2024 besuchte, wurde es mit Schlamm und Schimpfwörtern empfangen. "Mörder", brüllten ihnen die Menschen in der Region Valencia entgegen. Bei dem Unwetter kamen über 200 Menschen ums Leben.

04.11.2024 | 2:32 min

Die Straßen sind wieder repariert und viele Brücken neu gebaut. Einige Häuser mussten abgerissen werden, die meisten aber sind wieder bewohnbar, die Garagen wieder trocken. Freiwillige sammeln weiterhin Alltagsgegenstände, Geschirr oder Elektrogeräte für die, die alles verloren haben. Die Normalität kehrt langsam zurück.

Die Trauer der Familien, der Freunde und Nachbarn der Opfer wird noch viel länger andauern, genau wie diese große Angst, jedes Mal, wenn es regnet.

Als Starkregen gilt Niederschlag ab 15 l/qm pro Stunde bzw. 20 l/qm in sechs Stunden. Der Klimawandel macht solche Wetterextreme häufiger und intensiver. Denn bei steigenden Temperaturen verdunstet mehr Wasser. Pro 1 °C Erwärmung kann die Luft 7 % mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Die Folge: große Regenwolken und heftige Niederschläge.
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