Brandenburg: Verdacht auf Tierquälerei in Milchviehbetrieb

Heimlich gefilmtes Videomaterial:Vorwurf der Quälerei von Kühen in Brandenburg

von Marcus Groß, Potsdam
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Ein großer Milchviehbetrieb in Brandenburg steht unter Verdacht, Tiere misshandelt zu haben. Tierschützer und Behörden erstatten Anzeige. Handelsketten stoppen die Belieferung.

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Wegen Vorwürfen der Tierquälerei geht die Veterinärbehörde des Landkreises Uckermark gegen einen Milchviehbetrieb vor. Der zuständige Amtstierarzt sieht den Verdacht einer Straftat.04.04.2025 | 2:36 min
Rund 1.000 Kühe, offene Ställe, Außenflächen - auf dem Papier erfüllt der Betrieb in der brandenburgischen Uckermark die Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Doch heimlich gefilmtes Videomaterial zeigt massive Missstände.
Zwischen Mitte Dezember 2024 und Februar 2025 wurden mit versteckten Kameras insgesamt 1.000 Stunden Videomaterial in den Ställen der "Wollschow-Menkiner Agrar GmbH" aufgezeichnet. Die Bilder zeigen, wie Kühe geschlagen und getreten werden, Kälber auf brutale Weise von ihren Müttern getrennt und durch Fressgitter geworfen werden. Rohe, hemmungslose Gewalt gegen wehrlose Tiere.
Das schockiert auch Jan Peifer. Er ist Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsschutzorganisation Aninova.

Ich beschäftige mich jeden Tag mit Bildern gequälter Tiere. Aber mit dieser Brutalität - und dass das dort offenbar alltäglich war - habe ich in 20 Jahren so noch nie gesehen.

Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsschutzorganisation Aninova

Hinweise von aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern riefen die Aktivisten auf den Plan. Sie versteckten Kameras im Stall und filmten die Misshandlungen. Das Filmmaterial spielten sie Aninova zu.
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Amtstierarzt ist schockiert

Auch das zuständige Veterinäramt zeigte sich entsetzt. Die Aufnahmen wurden auch Amtsleiter Achim Wendland zugespielt. Er spricht von klar tierschutzwidrigem Verhalten.

Besonders erschreckend war der Umgang mit neugeborenen Kälbern - sie wurden durch Fressgitter geworfen und getreten. So geht man nicht mit Tieren um.

Achim Wendland, Leiter des Veterinäramts

Der Betrieb sei bereits früher auffällig gewesen, habe aber auf Auflagen reagiert, so das Amt.
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Handelsketten reagieren - Bauernverband schweigt zu Misshandlungen

Nach Recherchen von Aninova wurde die Milch bei Lidl, Kaufland und Rewe unter der Haltungsstufe 3 als "Tierwohl-Milch" verkauft. Nach Bekanntwerden der Aufnahmen stoppten alle drei Unternehmen die Belieferung umgehend. Die zuständige Molkerei kündigte die Zusammenarbeit ebenfalls auf.
Der Landesbauernverband Brandenburg sorgt sich um das Image der Branche. Zwar äußert er sich schriftlich "schockiert" über die Aufnahmen - Kritik richtet sich jedoch vorrangig an die Aktivisten. Die Videos seien "illegal" entstanden und könnten Nachahmer motivieren. Zur Tierquälerei selbst schweigt der Verband weitgehend.

Brandenburgs Agrarministerin: Es wird vorschriftsmäßig kontrolliert

Brandenburgs Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt (SPD) beteuert, dass Tierhaltungsbetriebe im Land vorschriftsmäßig kontrolliert würden. Sie räumt jedoch auch ein:
"Die Kontrollmechanismen, die wir haben, sind hauptsächlich angekündigte Kontrollen. Und die verstörenden Bilder, die wir dort sehen, passieren häufig dann, wenn keine Beobachtung stattfindet - wenn sie unbeobachtet sind."
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Achim Wendland, der zuständige Amtstierarzt, zieht eine selbstkritische Bilanz:

Vielleicht hätte man die ersten Anzeichen besser auswerten müssen - hier stimmt irgendwas nicht, hier müsste man genauer hingucken. Aber wir können auch nicht 24 Stunden eine Überwachung organisieren.

Achim Wendland, Amtstierarzt

Aninova: Tierquälerei kein Einzelfall

Misshandlungen von Tieren - gerade im Bereich der Nutztierhaltung - sind laut Aninova kein Einzelfall. Zusammen mit anderen Organisationen hat Aninova die Website Tierschutzskandale.de ins Leben gerufen. Aninova-Chef Jan Peifer sagt dazu:

Dort dokumentieren wir über 100 Skandale der letzten Jahre. Es betrifft nicht nur Schlacht- und Mastbetriebe - sondern immer wieder auch Milchviehanlagen.

Jan Pfeifer, Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsschutzorganisation Aninova

Milchviehbetrieb sieht sich als Opfer

Der Eigentümer der Milchviehanlage beteuert gegenüber dem Amtstierarzt, nichts von den Misshandlungen gewusst zu haben. Er will arbeitsrechtliche Konsequenzen gegen seine Mitarbeiter ziehen.
Ein Interview lehnte der Milchviehbetrieb ab, weist in einem Telefonat die Vorwürfe allerdings von sich: Es handele sich bei seinem Betrieb um einen Vorzeigebetrieb, der kaputtgemacht werden solle. Und das mit Stasimethoden. Er werde dagegen juristisch vorgehen, sagte der Geschäftsführer des Milchviehbetriebs dem ZDF.
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Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss: Findet der Hof keine Abnehmer für seine Milch, droht ein wirtschaftlicher Totalschaden, einige große Abnehmer sind schon abgesprungen.
Die Tierrechtsorganisation Aninova sowie das Veterinäramt Uckermark haben bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Tierquälerei gestellt, die Ermittlungen laufen.
Mit Material von dpa.
Marcus Groß ist Redakteur im ZDF-Studio in Brandenburg.

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Quelle: dpa

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