Versorgung im Notfall: Wenn der Krankenwagen zu spät kommt

Probleme bei Notfallversorgung :Wenn der Krankenwagen zu spät kommt

von Samuel Hüttenberger und Anselm Stern
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Wenn Minuten über Leben und Tod entscheiden, braucht es vor allem eins: gute Koordination bei der Notfallversorgung. Doch genau da gibt es laut Experten erhebliche Defizite.

Eine Illustration eines Rettungswagens der schnell an zwei Autos vorbei fährt.
In den letzten Jahren stieg nicht nur die Anzahl der Einsätze. Es rufen auch immer mehr Menschen an, die keine dringende Hilfe brauchen. 09.08.2025 | 1:34 min
Vor einem Jahr starb ein dreijähriges Kind auf einem Campingplatz in Neuerburg in der Südeifel - Medienberichten zufolge, weil der Rettungsdienst zu spät gekommen sein soll. Eigentlich müssen Krankenwagen in Rheinland-Pfalz 15 Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort sein. Am Campingplatz in Neuerburg trafen die Sanitäter offenbar erst nach 20 Minuten ein.

Experte: Leitstellen hinken Entwicklungen hinterher

Laut Christof Chwojka, Geschäftsführer der Björn-Steiger-Stiftung, die sich für moderne Notfallhilfe einsetzt, ist die Notfallkoordination hierzulande veraltet. Deutschland habe den Anschluss verpasst. "Früher großes Vorbild, hinken wir jetzt hinterher." Besonders die Leitstellen müssten ihre Arbeitsweisen ändern, einheitlicher und moderner werden.
Die weltweite Entwicklung sei "in vielen Bereichen spurlos an Deutschland vorübergegangen", sagt Chwojka. So müssten die Leitstellen eigentlich per Telefon Reanimationen anleiten - noch bevor die Rettungsdienste eintreffen. Das aber passiere nur in einem Drittel der Fälle. "Das ist völlig inakzeptabel."

Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand braucht der Rettungsdienst nicht mehr nach 10 oder 15 Minuten zu kommen. Das bringt nichts.

Christof Chwojka, Björn-Steiger-Stiftung

Wie Ersthelfer-Apps Leben retten sollen
Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Minute. Ersthelfer aus der Umgebung können die Zeit überbrücken, bis der Notarzt eintrifft - und so Leben retten.11.02.2025 | 5:29 min

Flickenteppich in der Notfallversorgung

Da die Länder für die Regelungen zur Notfallversorgung zuständig sind, entstehe zudem in vielen Bereichen ein Flickenteppich, kritisiert Chwojka und fordert:

Das Rettungswesen muss in ganz Deutschland gleich gut sein.

Christof Chwojka, Björn-Steiger-Stiftung

So regeln Landesgesetze zum Beispiel, wie lange es höchstens dauern darf, bis Rettungskräfte am Unfallort eintreffen. Diese sogenannte Hilfsfrist liegt in Rheinland-Pfalz bei 15 Minuten, in Nordrhein-Westfalen bei acht Minuten im städtischen Bereich und bei zwölf Minuten auf dem Land. Berlin zum Beispiel hat keine feste Hilfsfrist und will "bedarfsgerecht" vor Ort sein.
Grafik: Hilfsfristen in Deutschland
Quelle: ZDF

Für den Innenminister von Rheinland-Pfalz, Michael Ebling (SPD), ist die Zuständigkeit der Länder auf dem Gebiet der Notfallversorgung sinnvoll: "Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich für einen Stadtstaat Verantwortung trage oder für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz. Insofern kann es auch Unterschiede gut begründet geben."
Rettungssanitäter auf der Cranger Kirmes
Einsatz auf der Cranger Kirmes: Auf dem größten Volksfest in NRW werden die Rettungssanitäter zum Einsatz gerufen. Für Julie Repons und Sven Benning vom DRK ist jeder Notfall anders.06.08.2025 | 7:29 min

Bundesregierung will Reform im Herbst vorantreiben

Dass es bundesweite Reformen in der Notfallversorgung braucht, finden neben Chwojka auch viele, die im Rettungsdienst arbeiten. Jens Schwietring ist Einsatzleiter der ADAC-Luftrettung in Koblenz und hofft darauf, "dass es Ansätze bei der neuen Regierung gibt, dieses Vorhaben [Reformen] aufzunehmen".
Auf eine Reform der Notfallversorgung hatte sich bereits die Ampel-Regierung im Bund geeinigt, das fertige Gesetz kam aber nicht mehr zur Abstimmung. Die aktuelle Bundesregierung will den Prozess für ein neues Gesetz im Herbst anstoßen.
Mitarbeiter in der Rettungsdienstzentrale vor dem Computer
Der Notfallversorgung in Deutschland weist erhebliche Defizite auf, das zeigt ein heute vorgestelltes Gutachten der Björn-Steiger-Stiftung. Grund dafür sei die Aufsplitterung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern.18.07.2024 | 1:49 min

Ebling mahnt zu Umsicht bei Reformen

Landesinnenminister Ebling blickt mit geteilter Meinung auf das Reformvorhaben: "Vieles läuft auch gut", betont der SPD-Politiker. "Es ist schon richtig, wir brauchen auch in ganz Deutschland einheitliche Standards."

Aber die Reformbemühungen dürfen nicht das, was erfolgreich in den Ländern ist, vereiteln oder gar zurückwerfen.

Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz

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Wenn der Motor unseres Körpers ins Stocken gerät, zählt jede Minute: Innovative Projekte zur Herzrettung machen Hoffnung.26.06.2025 | 29:45 min

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