Festival-Branche unter Druck: Preiskampf auf Kosten der Kleinen?
Branche unter Druck:Festivals: Preiskampf auf Kosten der Kleinen?
von Miriam Hantzsche
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Für viele ist der Festivalbesuch das Ereignis des Jahres. Doch die Branche ist zum Sorgenkind geworden. Hohe Kosten setzen vor allem kleinere Festivals immer mehr unter Druck.
Die Festivalbranche steht unter Kostendruck. Das wirkt sich auch auf die Ticketpreise für Besucher aus. (Symbolbild)
Quelle: imago
Der Festivalsommer ist in vollem Gange, eine Veranstaltung jagt die nächste, besonders Großevents wie Wacken, Rock am Ring und Parookaville melden großen Andrang und ausverkaufte Tickets. Die Kehrseite der Medaille: Kleine und mittelgroße Festivals haben es immer schwerer zu bestehen. Woran liegt das?
Festivalbranche hart umkämpft
Die Festival-Branche erlitt - wie viele Branchen - eine große Schlappe durch Corona. Die Besucherzahlen sind zwar beinahe wieder so hoch wie vor der Pandemie, doch Ukraine-Krieg und Inflation machen auch der Konzert- und Festivalbranche zu schaffen.
Veranstalter haben mit stark steigenden Kosten zu kämpfen, das gilt für große wie für kleine Events. Besucher müssen sich ebenfalls ihr Geld einteilen - keine gute Kombination für Veranstalter.
Beim Parookaville-Festival in Nordrhein-Westfalen wurden mehr als 220.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Mima-Reporter Lothar Becker war auf dem Festival-Gelände unterwegs.18.07.2025 | 9:40 min
Das Hauptproblem - mit Blick auf Open-Air-Festivals - seien die gestiegenen Kosten für Personal, Künstler, Energie, Material und Auflagen, welche zwangsläufig in die Ticketpreise einfließen, sagt Stephan Thanscheidt, CEO des Veranstalters FKP Scorpio und Vorstandsmitglied im Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft.
Extrem steigende Kosten sind das Hauptproblem für alle Veranstalter und der wesentliche Grund für die gestiegenen Ticketpreise im Festivalbereich. Die Preisgestaltung ist infolgedessen deutlich schwieriger geworden.
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Stephan Thanscheidt, CEO bei FKP Scorpio
Krise trifft alle, doch den kleinen Festivals tut es mehr weh
Die Folge von steigenden Kosten: Der Markt um die Besucher*innen ist noch härter umkämpft. Musikfans überlegen sich sehr genau, für welche Veranstaltung sie ihr Geld ausgeben.
Das berühmte Festival Rock am Ring ist 2025 40 geworden. 07.06.2025 | 1:23 min
Die Gründer des Musikfestivals Nation of Gondwana haben kürzlich Zahlen offengelegt, die zeigen, wie drastisch sich der Markt verändert hat und wie sehr das kleinere Player trifft. Seit 2019 haben sich demnach die Ausgaben für das 8.000-Besucher-Event mehr als verdoppelt, die Ticketpreise sind ebenfalls stark gestiegen. Wie lange das Publikum noch bereit sein wird, über 200 Euro für ein eher kleineres Festival zu zahlen, ist fraglich.
So stark sind die Kosten und Ticketpreise seit 2019 gestiegen:
Kosten für Logistik und Infrastruktur: + circa 178 Prozent
Kosten für Lichtkonzepte, DJ-Gagen und Bühneninstallation: + circa 171 Prozent
Ticketpreise: + circa 100 Prozent
Festivals brechen Zelte ab - Gefahr für ganze Branche
Die Folgen der steigenden Kosten sind längst eingetreten: Ob Juicy Beats in Dortmund, Panama Air in Bonn oder Rocco del Schlacko im Saarland, alle haben eins gemeinsam: Die Festivals verkündeten in dieser Saison ihr endgültiges oder vorläufiges Aus.
Das bekannte Melt-Festival in Sachsen-Anhalt brach 2024 nach 27 Jahren für immer die Zelte ab. Im Wesentlichen ist für alle Veranstalter der steigende Kostendruck die große, teils unüberwindbare Herausforderung.
Weniger Vielfalt durch Konzentration des Marktes
Dass immer mehr Festivals auf der Kippe stehen, ist nicht nur für die betroffenen Veranstalter bedauerlich, sondern hat laut Experten negative Auswirkungen auf die gesamte Branche. Denn fehlende Bühnen bedeuten fehlende Möglichkeiten für junge Künstler*innen, sich zu entwickeln, sagt Michael Smosarski vom Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland, LiveKomm.
Die Hip-Hop-Szene ist nach wie vor männerdominiert. Frauen sind auf den Bühnen der großen Festivals unterrepräsentiert. Das wollen die Veranstalter des Splash Festivals ändern.05.07.2025 | 2:20 min
Denn die großen Headliner, die als Publikumsmagnete dienen, haben alle irgendwann auf kleinen Bühnen angefangen. Gerade Festivals seien eine gute Möglichkeit für junge Künstler*innen, entdeckt zu werden.
Wenn mehr und mehr kleinere Festivals von der Bildfläche verschwinden, dann geht damit ein Stück Vielfalt verloren.
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Michael Smosarski, LiveMusikKommission e.V.
Umso wichtiger sei es, dass auch größere Veranstalter die Möglichkeit haben, Vielfalt und Künstler*innen von morgen zu fördern. Auch Stephan Thanscheidt betrachtet die Entwicklung mit Sorge: "Es wird immer gewisse Bühnen für die Kultur geben, die Frage ist: in welcher Anzahl?"
Es wird zudem weniger Liebhaber-Projekte geben, da sämtliche Puffer abgeschmolzen sind und der kommerzielle Erfolg heutzutage kalkulatorisch im Vordergrund stehen muss.
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Stephan Thanscheidt, CEO bei FKP Scorpio
Auch sein Auftritt dürfte die lokale Wirtschaft angekurbelt haben: Der Auftritt des koreanischen Sängers J-hope der erfolgreichen K-Pop-Band BTS.14.07.2025 | 2:44 min
Musikfestivals als lokaler Wirtschaftsfaktor
Eine gebeutelte Branche lässt sich im Zwischenfazit aber nicht so pauschal teilen in große Gewinner und kleine Verlierer. Getroffen von der Krise sind alle, wenn auch die kleineren und mittelgroßen Events wegen fehlender Puffer stärker betroffen sind. Auch die Wirtschaft in einer Region rund um Festivals verliert - diese sind laut Thanscheidt ein erheblicher lokaler Wirtschaftsfaktor.
Kulturelle Vielfalt, Wirtschaftfaktor, Jobs - alle diese Punkte dürften im Interesse der Politik sein. Doch Fördermittel durch den Bund sind schnell aufgebraucht und wohl kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien unter der Ampel-Koalition, Claudia Roth, startete im Oktober 2024 eine zweite Runde des Festivalförderfonds, der vier Millionen Euro umfasste.
Seit diesem Jahr ist Wolfram Weimer Kulturstaatsminister. Kulturschaffende äußern jedoch Kritik an der Berufung.30.04.2025 | 1:44 min
575 Anträge wurden dabei eingereicht - mehr als 94 Prozent betrafen kleinere Festivals mit weniger als 15.000 Besucher*innen. Lediglich 127 der Anträge wurden bewilligt. Das Geld reiche nicht ansatzweise aus, um die Festivallandschaft nachhaltig zu stärken, sagt Michael Smosarski von der LiveMusikKommission e.V., Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland.
Im September wird die Branche erneut Bilanz ziehen über das Festivaljahr 2025. Im jährlichen Club- und Festival Monitoring des Bundesverband der Musikspielstätten wird sich zeigen, wie es den Veranstaltern erging.
Miriam Hantzsche ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion WISO.