Loveparade-Unglück vor 15 Jahren: Viele bis heute verbittert
15 Jahre nach dem Unglück:Loveparade: Viele sind bis heute verbittert
von Thomas Münten
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15 Jahre nach dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg löst sich die Opferstiftung auf. Die Stadt will jetzt die Gedenkveranstaltungen weiterführen.
Bei dem Technofestival vor 15 Jahren brach eine Massenpanik aus. 21 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Die Stadt Duisburg will das Gedenken an die Opfer nun neu gestalten.24.07.2025 | 1:36 min
Ein früher Samstagmorgen im Juli 2025. Die Sonne scheint, es ist warm in Duisburg. Auf der Bank der Gedenkstätte für die Opfer des Loveparade-Unglücks vom 24. Juli 2010 schlafen zwei junge Menschen ihren Rausch aus - auf zehn Rollen Klopapier.
Ulrike Stender, damals als Psychologin nach dem Unglück im Einsatz und heute Co-Vorsitzende der Stiftung, die den Opfern und Angehörigen beisteht, hält einen Moment inne. Irgendwie passt es, dass junge Leute hier sind.
"Die Fahnen müssen wir noch austauschen", sagt sie. Die alten sind zerfleddert und ausgeblichen. Die Farben von Australien, China, Deutschland, Italien, den Niederlanden und Spanien wehen leicht im Wind.
21 Menschen starben, mehr als 650 wurden verletzt - weil, wie es ein Gericht festgestellt hat, "bei Planung und Genehmigung der Veranstaltung erhebliche Fehler gemacht wurden". Für die allerdings niemand verantwortlich zu machen war. Fast drei Jahre hat der Prozess gedauert, zehn Angeklagte gab es, keiner wurde verurteilt.
Im Loveparade-Prozess im Jahr 2018 hat auch der frühere Duisburger Oberbürgermeister Sauerland keine Verantwortung bei sich gesehen.02.05.2018 | 0:28 min
"Das hat die Betroffenen und Angehörigen bis heute verbittert", sagt Stender.
Niemand soll schuld gewesen sein. Das ist schwer zu verstehen, wenn man seine Tochter oder seinen Sohn hier verloren hat.
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Ulrike Stender, Co-Vorsitzende der Opferstiftung
Sie war beim Prozess dabei, hat die Nebenkläger betreut, mit ihnen gelitten, für Schadenersatz gestritten und versucht zu helfen, wo es ging.
Die Stiftung ist eine Verbrauchsstiftung gewesen - nun ist alles Geld verbraucht. Nach 15 Jahren sind alle Prozesse erledigt, einmal noch haben sie jetzt die Nacht der 1.000 Lichter geplant. Die Gedenkfeier übernimmt die Stadt, wie auch die Pflege der Gedenkstätte, die erhalten bleiben soll, auch wenn irgendwann mal das Gelände bebaut wird.
Erinnerungen von ZDF-Reporter Thomas Münten
Ich bin als "Duisburger Jung" rund um den Tunnel aufgewachsen, das war unser Spielplatz. Doch schon als kleines Kind hat mich der dunkle, gruselige und sehr lange Tunnel unter insgesamt 12 Gleisen und einem Güterbahnhof immer beunruhigt. Wenn es sein musste, schnell mit dem Fahrrad durch und auf der anderen Seite zum Schotterplatz oder zum alten leerstehenden Güterbahnhof. Das durch diesen engen Schlauch von zwei Seiten so viele Menschen zur Party kommen sollten, hat mich davon abgehalten, selbst hinzugehen.
Als ich am Abend der Loveparade-Katastrophe für das ZDF an der Unglücksstelle ankam - immer wieder Blaulicht, aber immer wieder auch Leichenwagen an der Absperrung, die durchgelassen wurden. Die Bilder bleiben im Kopf, auch wenn wir als Journalisten gelernt haben, zu funktionieren. Als der Druck nachgelassen hat, habe ich angefangen, meine Kontaktlisten durchzutelefonieren. Ich habe Glück gehabt, niemand aus meiner Blase war verletzt. Der Schock erreichte mich trotzdem: Mit den ersten Bildern der Opfer im Kopf saß ich in der Pressekonferenz der Stadt. Und dort von meinem Oberbürgermeister zu hören, die, die umgekommen seien, hätten fahrlässig gehandelt - und seien sozusagen selbst schuld - das hat mir damals echt den Boden weggerissen.
Angehörige: Mit den Medien sprechen will keiner mehr
Der Versuch, Kontakt mit Hinterbliebenen und damaligen Opfern zu bekommen, bleibt erfolglos. "Für viele reißt das die Wunden wieder auf", sagt Bernhard Ludwig, Notfallseelsorger und Feuerwehrmann.
Gabrieles Müllers Sohn Christian starb, damals 25, beim Loveparade-Unglück. Sieben Jahre kämpfte sie für ein Gerichtsverfahren, berichtet sie zum Prozessauftakt im Jahr 2017.08.12.2017 | 4:35 min
Er war damals zwei Stunden nach der Katastrophe an der Unglücksstelle, erinnert sich immer noch an unvorstellbare Bilder - wie viele seiner Kollegen, die den Einsatz bis heute nicht vergessen können. Seitdem hat er die Überlebenden und Angehörigen fast jedes Jahr getroffen.
Bei einigen hat es sehr, sehr lange gedauert, bis sie wieder nach vorne schauen konnten, einige sind zerbrochen.
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Bernhard Ludwig, Notfallseelsorger und Feuerwehrmann
Dass die Arbeit der Stiftung jetzt endet, sei aber verständlich. "15 Jahre sind eine lange Zeit", so Ludwig weiter, "konkret können wir mit der Stiftung nichts mehr für die Menschen tun."
Rund 16 Millionen Euro Entschädigungen gezahlt
Rund 16 Millionen Euro wurden an Opfer und Angehörige als Schadenersatzleistungen gezahlt. Verteilt auf fast 700 Betroffene ist das wenig. "Aber heutige Veranstaltungen haben aus der Katastrophe gelernt", glaubt der Feuerwehrmann. "So was würde niemals mehr genehmigt", ist er sich sicher.
Thomas Münten berichtet aus dem ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.