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Brandenburger Polizei-Tricks:Leiche im Brunnen: Wie der Täter entlarvt wurde
von Andreas Singler
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Ein junger Mann wird getötet, seine Leiche in einen Brunnen geworfen. Jahre später findet die Polizei sein Skelett. Mit einer List kommen die Ermittler dem Täter auf die Spur.
Auf einem Grundstück in Brandenburg wird in einem Brunnen ein Skelett entdeckt. Schnell wird klar, dass der Tote Opfer eines Verbrechens wurde. Die Polizei stößt auf einen ganzen Kreis an möglichen Verdächtigen - die ehemaligen Mitglieder einer Wohngemeinschaft.
Besonders der damalige Hauptmieter des Hauses, Thomas König (Anm. d. Red.: Die Namen von Täter, Opfer und Zeugen wurden von der Redaktion geändert), gerät schnell in den Fokus der Ermittlungen. Doch die Tat liegt bereits sechs Jahre zurück, da ist die Beweisführung schwierig.
Phase 1: Verdecktes Ermitteln - gegen angebliche Erinnerungslücken
Dank eines Zahnabgleichs kann die Identität des Toten schnell geklärt werden: Christian Meier, früherer Bewohner des Hauses und ehemaliger Geschäfts- und Lebenspartner vom Hauptmieter Thomas König. Er galt seit sechs Jahren als verschwunden. Zu erwarten wäre, dass die Ermittlerinnen und Ermittler nun ebenso schnell die ehemaligen Hausbewohner mit dem Leichenfund und der Identität des Toten konfrontieren.
Doch Jens Höwer von der Mordkommission in Eberswalde weiß, dass Zeugen und Beschuldigte sich nach sechs Jahren häufig nicht mehr an Ereignisse und Details erinnern können oder wollen. Seine Sonderkommission "Brunnen" entscheidet sich daher gegen offene Ermittlungen und forscht zunächst ein halbes Jahr lang im Verborgenen.
Die Telefone der Verdächtigen werden in einer ersten Welle abgehört, verdeckte Ermittler in einem zweiten Schritt eingesetzt. Die Polizei will die inzwischen weit auseinanderlebenden einstigen WG-Mitglieder dazu bringen, über die Ereignisse von damals miteinander am Telefon zu sprechen.
Infos zur Telefonüberwachung
Eine Telefonüberwachung ist ein erheblicher Eingriff in das Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes. Sie darf deswegen nur unter strengen Voraussetzungen und nur bei besonders schweren Straftaten erfolgen.
Paragraph 100a der Strafprozessordnung führt dazu eine lange Liste an schweren Straftaten auf. Sie umfasst Mord und Totschlag ebenso wie Landesverrat, Geldfälschung oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Laut Bundesamt für Justiz geben Drogendelikte mit Abstand am häufigsten Anlass zur Telefonüberwachung. Auch bei Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Bestechung, Steuerhinterziehung oder das Vorenthalten von Arbeitsentgelt können Telefonüberwachungen zum Einsatz kommen.
Um die 5.000 Ermittlungsverfahren gibt es jedes Jahr in Deutschland, bei denen Telefonüberwachungen geschaltet werden. Im Todesfall von Christian Meier geht die Soko "Brunnen" von Mord aus, was die Telefonüberwachung rechtfertigt.
Phase 2: Der Übergang zur offenen Ermittlung
Thomas König, der Ex-Partner des Opfers, verhält sich zunehmend verdächtig. So versucht er, drei seiner ehemaligen Mitbewohner zu einer für ihn günstigen Erzählung zu bewegen. Sie sollen aussagen, dass ein weiteres, vorbestraftes und inzwischen im Gefängnis verstorbenes WG-Mitglied zuletzt alleine mit dem Opfer Christian Meier in dem Haus gelebt habe.
Die Polizei kann den verdächtigten Verstorbenen jedoch im Zuge ihrer Nachforschungen als Täter ausschließen. Zudem hatte Thomas König gegenüber einem verdeckten Ermittler bereits ausgeplaudert, er habe selbst bis zum Ende des Mietverhältnisses mit Christian Meier in dem Haus zusammengewohnt. Doch auch ein halbes Jahr nach dem Fund des Skeletts im Brunnen fehlen noch immer Ermittlungsergebnisse, die einen Haftbefehl rechtfertigen würden.
Deswegen sind wir dann fließend übergegangen in die offene Ermittlung.
Jens Höwer, Leiter der Soko "Brunnen"
Phase 3: Wie man Telefonate in Gang bringt
Die Polizei geht jetzt in die Offensive. Sie teilt öffentlich mit, dass sie in einem Tötungsdelikt ermittle und gibt die Identität des Opfers bekannt. Diese Details verbreitet sie über regionale Zeitungen. Das Ziel: Thomas Königs Bruder und damaliges WG-Mitglied Steffen soll davon erfahren und dem Verdächtigen, der mittlerweile in einem anderen Bundesland lebt, davon am Telefon erzählen.
Das Problem: Der Bruder liest keine Zeitung und bekommt von dem Artikel nichts mit. Daraufhin startet die Polizei eine Plakataktion. Sie hängt ein Plakat gezielt an seine Haustür und verfolgt dann live, was passiert. Die Taktik geht auf. Steffen König ruft seinen Bruder an. Die Telefonate kommen in Gang.
Alle ehemaligen WG-Mitglieder sind in den Telefongesprächen von der Nachricht, dass Christian Meier der Tote im Brunnen ist, spürbar betroffen. Nur Thomas König bleibt relativ ruhig. Und während kein anderer etwas von einem Brunnen auf dem Grundstück weiß, kann der Verdächtige ihn detailliert beschreiben. Auch wie das Opfer ums Leben kam, scheint er zu wissen: Er soll erschlagen worden sein. Ein Detail, von dem öffentlich nichts bekannt war.
Sehen Sie die Doku-Serie "Schuld & Sühne mit Paulina Krasa" jederzeit im ZDF-Streamingportal sowie am 27. Juli ab 20:15 Uhr bei ZDFinfo.
Phase 4: Zugriff
Jetzt haben die Beamten genug gehört. Sie vernehmen Thomas König, seine Geschwister und die früheren Mitbewohner getrennt und zeitgleich. Ein Geständnis bekommen sie nicht, aber die Indizienkette reicht für einen Haftbefehl und eine Anklage gegen Thomas König aus. Er wird zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt.
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