Urteil in Jena: "Knockout 51": Haftstrafen gegen Mitglieder

Urteil in Jena:"Knockout 51": Haftstrafen gegen Mitglieder

von Daniel Heymann
|

Sie wollten in Eisenach einen "Nazi-Kiez" errichten. Vier Mitglieder der Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" wurden dafür nun zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Urteil-Neonazi-Gruppe
Vier Angeklagte der Neonazi-Gruppe Knockout 51 wurden heute zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen unter anderem den Mord von politischen Gegnern geplant haben, so die Bundesanwaltschaft.01.07.2024 | 1:48 min
Das Oberlandesgericht Jena hat gegen vier Mitglieder der Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung Haftstrafen von zwei Jahren und zwei Monaten bis zu drei Jahren und zehn Monaten verhängt.
Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten um den Rädelsführer Leon R. versucht haben, im thüringischen Eisenach einen sogenannten "Nazi-Kiez" in Gestalt einer "national befreiten Zone" aufzubauen. Dazu haben sie unter anderem Waffenteile mit 3D-Druckern hergestellt.
"Knockout 51" ist eine rechtsextreme Kampfsportgruppe, deren Netzwerk nach Informationen des MDR über das gesamte Bundesgebiet reicht. Während des Prozesses waren mehrere Angehörige der Neonazi-Szene als Zuschauer angereist.

Nicht terroristisch, aber kriminell

"Der eigentliche Hauptzweck dieser Gruppe war die offensive Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie" - so beschreibt der Senatsvorsitzende Martin Giebel "Knockout 51" in seiner Urteilsverkündung.
Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft habe die Gruppe gezielt versucht, unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung tödliche Gewalt gegen politische Gegner anzuwenden. Deshalb hatte sie "Knockout 51" in ihrer Anklage sogar als terroristische Vereinigung eingestuft.
Diesen Teil der Anklage hatte das Gericht aber nicht zugelassen, weil die Gruppierung auf die Begehung von Körperverletzungen, nicht aber von Mord und Totschlag ausgerichtet sei.



Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen

Mit dem heutigen Urteil ist die Aufklärungsarbeit im Komplex "Knockout 51" noch nicht abgeschlossen. Zum einen laufen bereits Prozesse gegen weitere Mitglieder und Unterstützer der Kampfsportgruppe. Zum anderen sind weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit dem sogenannten "Flieder Volkshaus", einem Treffpunkt für Rechtsextreme in Eisenach, in dem unter anderem "Knockout 51" regelmäßig trainierte, zu erwarten.

Doku
:Geständnisse eines Neonazis

Über Jahrzehnte war "Michael" in der rechten Szene, hat tiefe Einblicke in diese Welt. In der Dokuserie "Geständnisse eines Neonazis" packt der Insider aus.
Geständnisse eines Neonazis
Der Landesvorsitzende der Partei "Die Heimat" (vormals NPD), Patrick Wieschke, der als Schlüsselfigur hinter der Neonazi-Immobilie gilt, wurde im Dezember des letzten Jahres ebenfalls von der Polizei festgenommen.
Er befand sich mehrere Wochen in Untersuchungshaft und machte währenddessen eine umfangreiche Aussage gegenüber der Polizei, bevor er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
Für den Rechtsextremismus-Forscher Miro Dittrich ist klar, dass "Knockout 51" kein Einzelfall ist - im Gegenteil gebe es momentan sogar eine Tendenz zur Gründung und Vernetzung neuer Organisationen:

Ich sehe auf jeden Fall derzeit einen Auftrieb für Rechtsextreme, die im Kampfsport aktiv sind und die mehrere Gruppen in unterschiedlichen Bundesländern gründen.

Rechtsextremismus-Forscher Miro Dittrich, CeMAS

Die Organisation erfolge häufig über Social Media, etwa über Telegram und auch Instagram, wo häufig schon eine gewisse Radikalisierung durchlaufen werde. Es handele sich, so Dittrich, um eine bundesweite Entwicklung, die allerdings in Ostdeutschland noch stärker ausgeprägt sei:

Hier gibt es häufig einfach weniger Angebote für Jugendliche, um sich gemeinschaftlich zum Sport zu verabreden, da kann sowas dann sehr attraktiv sein. Gleichzeitig sehen wir auch, dass rechtsextreme Einstellungen im Osten insgesamt verbreiteter sind.

Rechtsextremismus-Forscher Miro Dittrich, CeMAS

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Daniel Heymann ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

Mehr zum Thema Rechtsextremismus