Kulturgut bewahren: Wie ein Gutshausretter ein Denkmal rettet

Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern:Wie ein Gutshausretter ein regionales Kulturdenkmal bewahrt

von Madeleine Berg, Anja Kapinos und Anne Stadtfeld

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Philipp Kaszay restauriert das Gutshaus Kobrow in Mecklenburg-Vorpommern und bewahrt damit ein Stück Gutshaus-Geschichte. Mit Geduld und Handarbeit rettet er so ein Kulturdenkmal.

Philipp Kaszay steht vor seinem Gutshaus Kobrow.

Nach dem Tod seiner Frau baut Philipp Kaszay das marode Gutshaus Kobrow wieder auf - Neuanfang und Therapie zugleich. Ist Philipps Traum vom Gutshaus zehn Jahre später wahr geworden?

17.10.2025 | 31:10 min

Es staubt heftig, immer wieder bröckelt es herab. Mittendrin steht Philipp Kaszay, mit einem Stemmhammer in der Hand. Stück für Stück legt der 48-Jährige ein zugemauertes Fenster frei.

Seit 14 Jahren ist das der Alltag des gelernten Bauzeichners, denn: Philipp Kaszay hat ein altes Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern gekauft. Seitdem renoviert er unermüdlich sein Gutshaus Kobrow und bewahrt damit ein Stück regionales Kulturgut vor dem Verfall.

Philipp Kaszay vor seinem Gutshaus in Kobrow in Mecklenburg-Vorpommern.

Philipp Kaszay hat sich 2011 für ein Leben im Gutshaus entschieden.


In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 2.000 Gutshäuser

Philipp Kaszays Gutshaus ist eines von 2.000 Gutshäusern in Mecklenburg-Vorpommern - in keinem anderen Bundesland stehen so viele Gutshäuser wie hier. Weil das Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern seit Jahrhunderten mit zum Ostelbischen Raum gehörte, in dem die Gutswirtschaft verbreitet war, finden sich hier die meisten Gutshäuser.



Die meisten Gutshaus-Eigentümer wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet. Ihre Gutshäuser wurden dann in der DDR als Kindergärten und Verwaltungen genutzt oder zur Materialgewinnung abgerissen, weiß Manfred Achtenhagen, Gutshaus-Makler und Experte für die Geschichte der Gutshäuser.

Ein Drittel ist nicht saniert, wird trotzdem genutzt, wie es zu DDR-Zeiten immer genutzt wurde. Da wohnen noch Leute drin, hat die Gemeinde ihr Büro drin, all sowas.

Manfred Achtenhagen, Experte für Gutshäuser



Die meisten Gutshäuser befinden sich in Privatbesitz

Nach der Wende 1990 wurden die noch erhaltenen Gutshäuser teils privatisiert. Heute stehen etwa 1.000 der Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern unter Denkmalschutz, mit entsprechend strengen Auflagen für eine Sanierung. Die meisten Gutshäuser stammen aus dem 19. Jahrhundert, um die 90 Prozent der Gutshäuser befinden sich in Privatbesitz, rund 17 Prozent von ihnen stehen leer und sechs Prozent sind direkt vom Verfall bedroht.

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Die Ursachen dafür sind vielfältig. In vielen Fällen fehlen Konzepte für die Nutzung, die Besitzverhältnisse sind unklar oder die Sanierungskosten wegen der Vorgaben zur Einhaltung des Denkmalschutzes schlicht zu hoch. Auch dem Gutshaus Kobrow hätte dieses Schicksal gedroht, wenn Philipp Kaszay es nicht gekauft und saniert hätte.

Gutshaus Kobrow: "Ohne Geduld funktioniert hier gar nichts"

Nach einem Schicksalsschlag hat Philipp Kaszay 2011 das 1.400 Quadratmeter große Gutshaus in Kobrow gekauft. Einst vom adeligen Ernst August von Bülow um 1860 erbaut und mittlerweile unter Denkmalschutz stehend, stand das Gutshaus leer und war sich selbst überlassen. Bis Philipp Kaszay es kaufte, auch wenn das Haus mit 31 Zimmern damals sehr baufällig war.

Beim ersten Mal, als ich das Haus gesehen habe, dachte ich, was für ein hässlicher Kasten.

Philipp Kaszay, Besitzer des Gutshaus Kobrow

Philipp Kaszay ist von Ulm nach Ludwigslust-Parchim gezogen

Doch Philipp Kaszay ist dem Charme des "hässlichen Kastens" erlegen: Zusammen mit seiner damals dreieinhalbjährigen Tochter Paula zog er von Ulm in die kleine Gemeinde Kobrow im Landkreis Ludwigslust-Parchim - fernab von Ballungszentren, mitten auf dem Land.

Es war gut, dass ich nicht so gut vorbereitet war, sonst hätte man das wahrscheinlich nicht gemacht.

Philipp Kaszay, Gutshausretter

Seitdem renoviert und restauriert der 48-Jährige die Großbaustelle mehr oder weniger in Eigenregie - Handwerkermangel, Bürokratie und finanziellen Engpässen zum Trotz. Und erweckt das Gutshaus aus seinem Dornröschen-Schlaf.

"hallo deutschland: Gutshausretter in Mecklenburg - Sanieren für den Lebenstraum": Blick mit der Drohne auf Gutshaus Kobrow.

Das Gutshaus Kobrow: Seit 14 Jahren renoviert Philipp das 1860 erbaute Gutshaus bereits.

Quelle: ZDF/Christian Reuter

Altes soll bestehen bleiben

Dabei solle die "Kobrow’ische Patina" bestehen bleiben, das ist Philipp Kaszay wichtig. Zwei der Treppenläufe beispielsweise sind nach dem historischen Vorbild der Original-Treppe entstanden. Das Alte soll sichtbar bleiben, denn er wolle schließlich ein Stück regionales Kulturgut behalten.

Und ist auch nicht so, dass es jetzt komplett als neu wahrgenommen wird und als unpassend zum Haus, sondern dass es schon ganz gut integriert ist und dass es sich eher um eine perfekte Restaurierung handelt.

Philipp Kaszay, Gutshausretter

Mittlerweile beherbergt das Gutshaus Kobrow vier Ferienwohnungen, doch fertig ist Philipp Kaszay mit den Renovierungsarbeiten in seinem Gutshaus noch lange nicht. Dennoch ist es sein Herzensprojekt und gleichzeitig ein wertvoller Beitrag zum Erhalt des regionalen Kulturguts Gutshaus.

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