Schwarzbuch: Viele Denkmäler in Gefahr oder schon verloren

Schwarzbuch vorgestellt:Viele Denkmäler in Gefahr oder schon verloren

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Hunderte historische Gebäude gehen jedes Jahr in Deutschland verloren. Die Stiftung Denkmalschutz rückt mit ihrem Schwarzbuch gefährdete und zerstörte Denkmäler in den Fokus.

Theodor-Heuss-Brücke and Düsseldorf

Die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf ist Deutschlands erste in Betrieb genommene Schrägseilbrücke. Ihre Auslastungsgrenze werde überschritten, warnen Denkmalschützer.

Quelle: Imago

Bagger statt Sanierung: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beklagt den achtlosen Abriss historisch bedeutsamer Gebäude. In einem Schwarzbuch spricht die Stiftung von mindestens 900 Denkmalen, die allein 2023 und 2024 verloren gegangen seien.

Eine erste Ausgabe stellten Stiftungsvorstand Steffen Skudelny und Kommunikationschefin Eva Masthoff nun in Berlin vor. Für kommende Ausgaben bittet die Stiftung die Öffentlichkeit, Informationen über bedrohte oder vernichtete Denkmäler an sie zu melden.

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Im Kloster Neuzelle wird Kunst unterrichtet, aber es geht um viel mehr: Denkmalschutz.

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Gefahr für "Schwarzen Bär" in Göttingen

"Eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands in Gefahr", warnt das Schwarzbuch und erklärt, warum der "Schwarze Bär", ein um 1580 mit prächtigem Fachwerk errichtetes Gebäude in Göttingen, vor dem Aus steht. Auf dem Foto der Stempel "GEFÄHRDET". "Abriss 2024. VERLOREN" heißt es dagegen auf dem Foto eines 400 Jahre alten Handwerkerhauses in Landshut.

"Fast täglich fallen historische Objekte Abrissbaggern und destruktiven Planungen zum Opfer. Und das meist unbemerkt", alarmiert die Stiftung. Der Denkmalschutz sei in der Krise.

Jedes Jahr gehen viele Objekte unwiederbringlich verloren - und jedes verlorene Denkmal ist auch ein Stück verlorene Erinnerung, Identität und Kultur.

Stiftung Denkmalschutz

Denn Denkmale machten Städte und Dörfer unverwechselbar.

Wege zum Abriss häufig erschreckend "kreativ"

Mit konkreten Zahlen kann die Stiftung nicht aufwarten - die bundesweite Erfassung von Denkmalen gehört zu ihren zentralen Forderungen. Nach ihren Schätzungen sind drei bis vier Prozent des Baubestandes denkmalgeschützt. Auch bei den zerstörten Denkmalen gibt es nur Annäherungswerte: So seien 2023 und 2024 pro Jahr weit mehr als 400 Denkmale aus den Denkmallisten der Bundesländer ausgetragen worden.

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Die Goebbels-Villa nahe Wandlitz und weitere denkmalgeschützte Gebäude dort sollen abgerissen werden. Das stoß vergangenes Jahr auf breiten Widerstand - nicht nur vor Ort.

02.05.2024 | 2:02 min

Die Gründe sind vielfältig, die Wege zum Abriss seien häufig erschreckend "kreativ": bewusste oder unbewusste Vernachlässigung, scheinbar lukrative Neubauprojekte oder nicht kompatible Nutzungswünsche, eine Schwächung der Denkmalschutzbehörden oder vermeintliche Umweltschutz-Argumente. Gerade im politischen Bereich nehme die Unterstützung für Denkmalschutz mehr und mehr ab.

Denkmalschutz hat schlechtes Image

Dazu komme eine negative öffentliche Darstellung: In Deutschland werde Denkmalschutz in weiten Teilen negativ dargestellt:

Der Denkmalschutz gilt meist als Hindernis, nicht als wertvolles Instrument oder sogar Chance.

Stiftung Denkmalschutz

Denkmalschutz verhindere eine moderne Stadtentwicklung, sei starr und unflexibel, teuer und nicht nachhaltig, so die Vorwürfe.

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Vor einigen Jahren baute Familie Klage eine Solaranlage auf das Dach ihres Hauses. Jetzt meldet sich die Denkmalschutzbehörde, die Anlage soll weg aufgrund des alten Schlosses nebenan.

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Schwarzbuch-Rüge für die Bahn

Eine Rüge erteilt das Schwarzbuch der Deutschen Bahn: Egal ob Bahnhöfe, Lokomotiven, Stellwerke, Brücken, Trafo- oder Bahnwärterhäuschen - sie sei einer der Big Player bei Denkmälern. Doch komme sie ihren Verpflichtungen oft nicht nach.

Als Beispiel nennt das Schwarzbuch das im 19. Jahrhundert errichtete königliche Wartehaus im Bahnhof Prien am bayrischen Chiemsee. Dessen unter Denkmalschutz stehende Überdachung, auf Stützen aus Gusseisen mit fein ausgearbeiteter Ornamentik, sei "in einer Nacht-und-Nebel-Aktion" im Mai 2023 abgenommen worden. Eines der wenigen noch erhaltenen Teilstücke der Berliner Mauer mit Kolonnenweg, Leuchtmasten und Fundamentresten der Grenzmauer habe 2023 einer neuen Bahnbrücke weichen müssen.

Schwarzbuch: "Unbequeme" Bauwerke oft gefährdet

Besonders häufig fallen laut Stiftung junge Denkmäler dem Abriss zum Opfer - moderne Bauten oder Industriebauten, die mit Gebäuden aus Barock oder Gotik nicht mithalten könnten.

windraeder-denkmalgeschuetzt

Seit Dezember steht Brandenburgs erster Windpark in Schünow unter Denkmalschutz. Die 32 Jahre alten Windräder sind nicht mehr in Betrieb. Anwohner sind verärgert, dass sie nicht abgerissen werden dürfen.

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Andere, ebenfalls oft bedrohte Denkmäler sind inhaltlich "unbequeme" Bauwerke, die an negative Zeiten erinnern. Beispielsweise das monumentale Bogensee-Areal im brandenburgischen Wandlitz, das NS-Propagandaminister Joseph Goebbels als Villa erbaute und der FDJ in der DDR als Kaderschmiede diente. "Ein Abriss steht im Raum, unter anderem um ökologische Ausgleichsflächen für Bauprojekte in der Bundeshauptstadt zu schaffen", kritisiert das Schwarzbuch.

Ebenfalls hochbedroht sind Verkehrsdenkmäler: denkmalgeschützte Brücken, Tore oder Straßenzüge, die noch genutzt werden. Sie sind aus Sicht der Denkmalschützer dann gefährdet, wenn Auslastungsgrenzen überschritten werden - etwa die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf, die Deutschlands erste in Betrieb genommene Schrägseilbrücke ist.

Quelle: KNA, dpa

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