Auszug aus dem Elternhaus: Länger leben bei Mama und Papa

Auszug aus dem Elternhaus:Länger leben bei Mama und Papa

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von Sina Mainitz
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Junge Leute in Deutschland zieht es im Schnitt mit 24 Jahren aus dem Elternhaus - Männer sind später flügge als Frauen. Was sind die Gründe und welche Folgen hat ein später Auszug?

Älterer Vater und sein Sohn
Vater und Sohn: Vor allem junge Männer finden oft erst spät den Absprung aus dem Elternhaus.
Quelle: Westend61

Junge Menschen zogen im vergangenen Jahr hierzulande mit durchschnittlich knapp 24 Jahren aus dem elterlichen Haushalt aus, wie das Statistische Bundesamt auf Basis von Berechnungen der europäischen Statistikbehörde Eurostat mitteilte. Im EU-Vergleich ist das sogar eher früh.

Forscher: Später Auszug fördert Unselbständigkeit

"Wenn junge Leute spät von zu Hause ausziehen, bedeutet das: Das 'Auffangbecken' ist da", sagt Rüdiger Maas vom Institut für Generationenforschung in Augsburg.

Das hat nichts mit einem guten Kontakt zwischen Eltern und Kindern zu tun. Es bedeutet das Forcieren der Unselbständigkeit der jungen Menschen.

Rüdiger Maas, Generationenforscher

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Wenn Kinder "raus gehen", also eher früher aus der elterlichen Obhut entlassen werden, lernen sie, Frustrationstoleranz zu entwickeln, sagt Maas weiter. Das führe dazu, mal eine Sache bis zum Ende durchzuziehen, sich durchzubeißen und nicht gleich beim ersten Gegenwind die Flinte ins Korn zu werfen.

Besonders schnell werden junge Finnen flügge

Im europäischen Vergleich verlassen junge Menschen in Deutschland das Nest früher als im EU-Durchschnitt. Blickt man auf alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union liegt das durchschnittliche Alter beim Auszug mit 26,2 Jahren deutlich höher. Ein spätes Abnabeln liegt laut Generationenforscher Maas mitunter auch an äußeren Bedingungen.

Das Ganze hat manchmal auch ganz praktische Gründe. München oder Hamburg-Mitte kann ich mir bei den Mietpreisen als junger Mensch gar nicht mehr leisten.

Rüdiger Maas, Generationenforscher

In sieben EU-Staaten war das Auszugsalter im Jahr 2024 im Durchschnitt niedriger als in Deutschland, darunter die skandinavischen Staaten. Besonders früh verließen junge Leute in Finnland (mit rund 21 Jahren) und in Dänemark mit knapp 22 Jahren das elterliche Haus. Auch in den Niederlanden (rund 23 Jahre) zieht es junge Menschen früher in die große, weite Welt. In Frankreich ist die Lage wie in Deutschland - hier verlassen junge Leute ebenfalls mit knapp 24 Jahren das "Hotel Mama".
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Ganz anders sieht es weiter östlich in der EU aus. Besonders lange bleiben junge Erwachsene in Kroatien, der Slowakei und in Griechenland bei Mama und Papa wohnen. In allen drei Ländern lag das Durchschnittsalter für den Auszug bei rund 31 Jahren.

Junge Männer bleiben länger im Elternhaus

Bemerkenswert: Männer lassen sich im Schnitt mehr Zeit damit, das Nest zu verlassen. In Deutschland betrug der Unterschied vergangenes Jahr rund anderthalb Jahre: Während Frauen mit durchschnittlich 23 Jahren auszogen, taten Männer dies erst mit knapp 25 Jahren.

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Generationenforscher Maas sieht die Erklärung im größeren Abgrenzungs- und Selbstständigkeitsgefühl der Frauen gegenüber Männern. Schaut man auf die Menschen, die besonders lange bei den Eltern wohnen, wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch deutlicher: 2024 wohnten in Deutschland knapp 34 Prozent der 25-jährigen Männer noch im Haushalt der Eltern, aber nur rund 22 Prozent der Frauen.
Insgesamt wohnten mehr als 28 Prozent der 25-Jährigen noch bei den Eltern - der Anteil ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen - 2021 lag der Wert noch unter 28 Prozent.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen

Forscher warnen vor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen, wenn die Küken immer später flügge werden.

Wir nennen dieses Phänomen 'Neo-Konventionalismus'. Er führt zu einer Nicht-Abgrenzung zu den Eltern. Jüngere trauen sich immer weniger zu. Das führt zu weniger Kreativität, weniger Pionier- und geringerem Unternehmergeist.

Rüdiger Maas, Generationenforscher

Das habe auch Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Was die Produktivität in Deutschland angeht, führe das etwa zu immer weniger Mehrarbeit zusätzlich zur eigentlichen Arbeitszeit. "Es gibt genug Leute, die Überstunden schieben aber statistisch gesehen sind das nicht die Jungen", so Maas.
Mit Material von dpa
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