25 Jahre Babyklappe: Seltener genutzt als zu Beginn

Angebot für Mütter in Not:25 Jahre Babyklappe: Heute seltener genutzt

Alina Reissenberger
von Alina Reissenberger, Hamburg
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Rund 100 Babyklappen gibt es mittlerweile in Deutschland. Heute werden dort weniger Babys abgegeben als zum Start. Kritiker sehen Babyklappen auch deshalb als nicht mehr zeitgemäß.

Babyklappe
Am 08. April 2000 wurde bundesweit die erste Babyklappe in die Tat umgesetzt. Dieses Angebot an Eltern in Notsituationen, ihr Kind anonym und straffrei abzugeben, wird aber immer weniger genutzt.08.04.2025 | 1:48 min
Eine Frage, die würde Ronja ihrer Mama gerne stellen: "Warum hast Du mich abgegeben, was hat Dich in diese Situation gebracht?" Ihre "Bauch-Mama", wie sie ihre leibliche Mutter nennt, hat Ronja nie kennengelernt. Vor 23 Jahren legte die sie im Sommer in die Babyklappe in Hamburg-Altona. Mit ein paar Klamotten, einer Kette und einem Zettel, darauf der Name "Ronja".

Rund 100 Babyklappen in Deutschland

Ronja war das zehnte Baby, das in der Hamburger Babyklappe abgegeben wurde. Erst im Jahr zuvor, am 8. April 2000, eröffnete Leila Moysich in der Einrichtung SterniPark diese Babyklappe, die erste ihrer Art in Deutschland. Heute gibt es bundesweit schätzungsweise 100 davon.

Als wir angefangen haben, haben wir gesagt, wenn wir in fünf Jahren auch nur ein Kind durch die Babyklappe retten, dann hat sich all die Mühe gelohnt.

Leila Moysich, Babyklappen-Initiatorin

Wie viele Babys seitdem insgesamt in Babyklappen abgegeben wurden, dazu gibt es keine Zahlen. Laut Moysich seien es aber alleine in Hamburg 60 Neugeborene seit dem Start vor 25 Jahren, das letzte im November 2024.
Die meisten von ihnen leben heute in Pflegefamilien. 17 von ihnen sind zurück bei den Müttern, die sie eigentlich abgeben wollten. Das sei "ihr größter Erfolg", so Moysich. Die Babyklappen-Betreiber halten den Müttern diese Möglichkeit daher offen, sollten sie sich umentscheiden.
baby - symbolfoto
In den Niederlanden gibt es keine Babyklappen - dafür sogenannte Findlingszimmer. Mütter können jederzeit wieder Kontakt mit ihrem Kind aufnehmen und ihren Namen hinterlegen.09.02.2024 | 2:20 min

Totes Baby als Auslöser für Babyklappe

Die Idee für das bis dahin einmalige Projekt entstand 1999, als in Hamburg innerhalb kurzer Zeit zwei tote Babys gefunden wurden. Eins davon in einer Recyclinganlage, versteckt in einem Haufen Altpapier.
Gemeinsam mit ihren Eltern wollte Moysich einen Ort schaffen, an dem Frauen in Not ihr Kind anonym abgeben können, ohne dass ihnen etwas passiert. Dabei entstand die Idee zum Projekt Findelbaby und zur Babyklappe: eine Stahlklappe, dahinter ein Wärmebett mit Sensor, in das das Baby unerkannt gelegt werden kann.

Babyklappen sind Tag und Nacht in Betrieb. Die Mutter kann ihr neugeborenes Baby so anonym durch eine Klappe in ein Wärmebett legen. Sobald die Klappe geschlossen wird, verriegelt sie sich, ein Notruf geht los. Der ruft umgehend medizinische Hilfe herbei. Die Mutter kann sich nun unerkannt entfernen. Das Baby wird anschließend bis zu acht Wochen von Pflegeeltern betreut. Meldet sich die Mutter bis dahin nicht, wird das Kind zur Adoption freigegeben.

Quelle: mit Material von sternipark.de

Es gibt nichts Bedingungsloseres als die Babyklappe.

Leila Moysich, SterniPark-Leiterin

Babyklappen juristisch umstritten

Babyklappen sind leicht verständlich. "Aber nur weil es einfach ist, ist es nicht automatisch gut", so Daniel Grein, Geschäftsführer vom Kinderschutzbund. Für die komplexe Situation von Müttern in Not sieht er die Babyklappe nicht als passende Lösung.
Seit Beginn steht die Babyklappe in der Kritik. Denn laut UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht, ihre Herkunft zu erfahren. Durch die Babyklappen bleibe ihnen das verwehrt.

Zu wissen, 'wo komme ich her', das ist ein ganz wichtiger Wunsch von Kindern. Das zu respektieren ist wichtig.

Daniel Grein, Kinderschutzbund

Babyklappen werden heute seltener genutzt als noch zu Beginn. In Hamburg seien anfangs etwa sechs Kinder pro Jahr abgegeben worden, heute sei es im selben Zeitraum nur noch ein Baby, so Moysich.

Sicherere Alternativen zur Babyklappe

Ein Grund für den Rückgang: Seit 2014 gibt es die Möglichkeit der "vertraulichen Geburt". Mütter können so anonym im Krankenhaus entbinden und ihre persönlichen Daten in einem Umschlag hinterlassen. Im Regelfall kann das Kind diese Daten nach seinem 16. Geburtstag einsehen, wenn es das möchte.
Grein sieht darin den besseren Weg für Mütter in Not. Seine Forderung: Die Politik solle die vertrauliche Geburt stärker bewerben - dann wären Babyklappen überflüssig.

Die Babyklappe als Instrument hat sich aus unserer Sicht überlebt.

Daniel Grein, Kinderschutzbund

Diese Kritik ist Moysich in Hamburg nicht neu. "Es wird immer einige wenige Frauen geben, die trotzdem den Weg nicht finden, ihre Personendaten anzugeben. Die aber wollen, dass ihr Kind lebt."
 Junge Frau mit blonden, langen Haaren schaut aus dem Fenster.
Caroline hat traumatische Geburtseerfahrungen gemacht. Sie möchte sich aber nicht aus der Bahn werfen lassen. Heute kann sie darüber reden. 01.07.2023 | 17:59 min

Initiatorin sieht weiterhin Bedarf für Babyklappe

Für sie will Moysich die Babyklappe weiterhin erhalten. Trotz jährlicher Kosten in vierstelliger Höhe - ein Aufwand, den sie nur durch Ehrenamt und den Betrieb von mehreren Kitas querfinanzieren kann.
Moysich will weiter ein niedrigschwelliges Angebot schaffen, für Mütter in Not, die sonst keinen Ausweg finden. So wie Ronjas "Bauch-Mama" vor 23 Jahren.

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Quelle: dpa

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