Sommer in der Arktis: Forscher stellen stärkere Eisschmelze fest

Expedition der Polarstern:Nordpolarmeer: Nicht nur das Eis verschwindet

von Katharina Weisgerber

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Wie schmilzt das Eis in verschiedenen Regionen der Arktis? Auf unterschiedlich alten Eisschollen konnten Forscher das beobachten und haben Massen an Daten dazu gesammelt.

Ein Blick von der Polarstern auf das Eis und Meer der Arktis.

Die Eisschmelze im Nordpolarmeer haben Forscher der gerade beendeten Expedition des Eisbrechers "Polarstern" untersucht. (Archiv)

Quelle: Esther Horvath/dpa

Mit bis zu fünf Knoten bahnte sich die "Polarstern" ihren Weg durch die Zentralarktis, fast doppelt so schnell wie erwartet. Winde hatten das arktische Eis bereits im Frühjahr auseinander getrieben. Im Untersuchungsgebiet fuhr der deutsche Forschungseisbrecher über sieben Wochen im Dreieck. Das Ziel: In einer einzigen Expedition langjährige Veränderungen im Eis zu erkunden.

"Anders als wenn wir normalerweise durch die Arktis immer weiterfahren, sind wir diesmal zwischen drei ausgewählten Eisschollen immer hin und her gefahren", erklärt Expeditionsleiter Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven das besondere Konzept dieser Expedition.

"Wir haben die drei Eisschollen insgesamt viermal besucht. So können wir sagen, wie sich das Eis über den Zeitraum von vier bis sechs Wochen in den verschiedenen Regionen verhalten hat." Zwischen den Besuchen des Forschungseisbrechers "Polarstern" sammelten autonome Kameras und Messstationen kontinuierlich weitere Daten.

Eisbrecher Polarstern

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Unterschiedlich altes Eis reagiert unterschiedlich

Bereits vor Reiseantritt hatte das internationale Forscherteam spezielle Eisschollen per Satellitenbilder ausgewählt: Eine Scholle war saisonal, das heißt sie hatte sich im vergangenen Jahr gebildet und schmolz in diesem Sommer bereits wieder vollständig.

Scholle Zwei war zweijährig, und die dritte und zugleich älteste Eisscholle war bereits seit mehreren Jahren unterwegs, bevor sie in das Forschungsgebiet zwischen Grönland und Spitzbergen driftete. Zusammengefasst ist die Beobachtung der Wissenschaftler:

Wir sehen, wie das Eis stärker von oben schmilzt, gleichzeitig können wir mit Kameras oder unserem Tauchroboter sehen, wie das Eis auch von unten immer dünner wird.

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker Alfred-Wegener-Institut

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Selbst das alte Eis von Scholle Drei war mit durchschnittlich 1,5 Metern in diesem Sommer verhältnismäßig dünn, so der Expeditionsleiter. Auch zeigte es nur wenige Presseisrücken, die oft zwei bis drei Meter hochragen und mit ihren Rissen und Spalten Lebensraum für verschiedene Lebewesen bieten.

Ökologische Folgen: Eisalgen stark reduziert

Eisalgen, also Einzeller, die sich zu längeren Ketten verbinden und dann sogar zu regelrechten Teppichen unter dem Eis führen können, suchten die Forscher vergeblich.

Expeditionsboot vor Eisberg

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Wir haben viele Eisalgen erwartet, als Basis des Nahrungsnetzes, und quasi davon gar nichts gefunden.

Marcel Nicolaus, CONTRASTS-Expeditionsleiter

"Es gab sie in allen drei Gebieten nicht, nicht nur auf einer Station nicht, sondern flächendeckend nicht", beschreibt Meereisphysiker Nicolaus die für die Wissenschaft spannende Beobachtung.

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker Alfred-Wegener-Institut und CONTRASTS-Expeditionsleiter.

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut, auf der "Polarstern".

Quelle: ZDF

Bei früheren Expeditionen waren hingegen jede Menge dieser einzelligen Mikroalgen beobachtet worden. Die Eisalgen, so der AWI-Forscher, stünden am Anfang der Nahrungskette, mit Auswirkungen auf die Tierwelt: "Ich bin mir sicher, die Natur wird eine Lösung finden, da wird es ökologische Umschichtungen geben. Einige Tiere werden künftig vielleicht stärker vertreten sein. Aber die genauen ökologischen Konsequenzen, die wissen wir eben nicht."

Dieses Bild zeigt den Mendenhall-Gletscher, der sich in Juneau, Alaska, zwischen felsigem und bergigem Gelände in Richtung Mendenhall Lake ausbreitet.

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Regen statt Schnee - mit Folgen fürs Klima

Während der Expedition gab es viel Regen - statt Schnee. "Es macht einen großen Unterschied, ob es regnet oder schneit", erklärt Marcel Nicolaus.

Wenn es regnet, saugt sich die Oberfläche voll Wasser und wird noch dunkler und nimmt noch mehr Wärmestrahlung auf, als sie es sowieso täte.

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker Alfred-Wegener-Institut

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"Diese Regenereignisse, die wir beobachtet haben, die haben ganz stark zum Schmelzen beigetragen". Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass künftig im arktischen Sommer immer mehr Niederschlag als Regen statt als Schnee fallen wird.

Mehr Wetterextreme auch in der Arktis

Schnee würde als weiße Oberfläche viel mehr Solarstrahlung reflektieren. "Extreme werden auch in der Arktis zunehmen, wir werden höhere Schwankungen haben, von einem Jahr zum anderen", beschreibt Marcel Nicolaus die Variabilität im Nordpolarmeer.

Die mehr als 50 Wissenschaftler der internationalen Expedition bringen am heutigen Freitag viele tausend Wasser-, Schnee- und Eisproben sowie umfangreiche Datensätze mit nach Bremerhaven, dem Heimathafen der "Polarstern". Die Forschungsgrundlage für mehrere Jahre - um Antworten zu finden und neue Forschungsfragen zu formulieren.

Katharina Weisgerber ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Bremen.

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Quelle: dpa

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