Vapes, Tabakerhitzer, Snus:Warum Tabakkonzerne rauchfrei werden wollen
Es klingt paradox: Tabakkonzerne werben für eine rauchfreie Zukunft. Dahinter steckt Strategie. Experten sehen gesundheitliche Risiken, der Schaden womöglich nur anders verpackt.
Die Industrie macht sich für eine Legalisierung von tabakfreien Nikotinbeuteln stark, deren Verkauf in Deutschland bislang verboten ist.
Quelle: IMAGO / TTKleine weiße Päckchen, die mit Nikotin und Aromen gefüllt sind. Geklemmt werden sie zwischen Oberlippe und Zahnfleisch. Das Nikotin gelangt so direkt über die Mundschleimhaut in die Blutbahn. Sieht so die Zukunft der Tabakindustrie aus?
Die tabakhaltige Variante dieser kleinen Beutelchen, Snus, ist in Schweden seit vielen Jahren ein Erfolg. In Deutschland sind sie bislang nicht legal erhältlich. Hersteller drängen auf eine baldige Zulassung der tabakfreien Sorte.
Tabakindustrie investiert in neue Produkte
Der weltweit größte privatwirtschaftliche Tabakkonzern, Philip Morris, wappnet sich mit E-Zigaretten, Tabakerhitzern und tabakfreien Nikotinbeuteln für die Zukunft. Kritiker verweisen darauf, dass die Produkte abhängig machen und gesundheitliche Risiken bergen - und dass die Tabakindustrie ihr klassisches Geschäftsmodell damit nicht aufgibt.
Das Verbot von Einweg-E-Zigaretten in Großbritannien scheint eine klare Sache und eine gute Nachricht für die Gesundheit im Lande, gerade unter Jugendlichen. Auf den ersten Blick.
01.06.2025 | 1:51 minAktuell investiert Philip Morris 600 Millionen US-Dollar in eine Produktionsstätte für Nikotinbeutel im US-Bundesstaat Colorado - als Reaktion auf die gestiegene Nachfrage. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 38 Milliarden Euro, über 40 Prozent entfielen auf rauchfreie Alternativen. Auch British American Tobacco (Lucky Strike, Pall Mall) hat eine "Initiative zum Aufbau einer rauchfreien Welt" gestartet.
Die Tabakindustrie versteht unter "rauchfreien" Produkten solche Produkte, bei denen kein Tabak verbrannt wird. Stattdessen werden Nikotin und andere Substanzen auf alternativem Weg freigesetzt - etwa durch Erhitzung oder Verdampfung.
Zu diesen Produkten zählen unter anderem E-Zigaretten (Vapes) und Tabakerhitzer, die seit einigen Jahren in Deutschland verfügbar sind. In einigen Ländern sind zudem Nikotinbeutel auf dem Markt, die entweder tabakfrei oder tabakhaltig sind (Snus). In Deutschland sind diese Beutel nicht legal erhältlich.
Die genannten Produkte enthalten in der Regel Nikotin. Eine Substanz, die suchterzeugend und gesundheitsschädlich ist. Aussagen über langfristige gesundheitliche Folgen dieser Produkte sind bislang nur eingeschränkt möglich, da Langzeitstudien fehlen.
Eine "rauchfreie" Zukunft - was steckt dahinter?
Angesichts strengerer Regulierung und wachsenden gesellschaftlichen Drucks setzen Tabakkonzerne zunehmend auf Produkte, die den klassischen Zigarettenkonsum ersetzen und nach eigener Darstellung weniger schädlich sein sollen. Denn der Pro-Kopf-Verbrauch von herkömmlichen Zigaretten in Deutschland geht zurück.
ZDFheute Infografik
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Industrie betont geringere Risiken
Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse, verweist auf die seiner Ansicht nach deutlich geringeren Risiken im Vergleich zum Tabakrauchen: "Damit bleibt gerade für Rauchende, die nicht aufhören können oder wollen, ein Nikotinkonsum weiter möglich."
Philip Morris verweist ebenfalls auf deutlich weniger Schadstoffe durch den Wegfall der Verbrennung: "Unsere Produkte bieten erwachsenen Rauchern eine potenziell weniger schädliche Alternative."
"Vapes", also E-Zigaretten mit Aroma, werden immer beliebter und gelten als Einstiegsdroge für eine Nikotinsucht. Ein Aufklärungsprojekt in Hamburg will dem entgegenwirken.
31.05.2025 | 1:50 minÖkonom: Sucht weiterhin Ziel der Industrie
Gesundheitsökonom Tobias Effertz von der Universität Hamburg sieht in der "rauchfreien Zukunft" vor allem eine PR-Strategie. Es ginge darum, von den gesundheitlichen Risiken des traditionellen Geschäftsmodells abzulenken. Intern bleibe die klassische Zigarette das Hauptgeschäft.
Die Tabakindustrie verfolgt nur ein Ziel: Die Nikotinsucht in der Bevölkerung dauerhaft aufrechtzuerhalten, egal in welcher Produktform.
Dr. Tobias Effertz, Gesundheitsökonom Universität Hamburg
Zudem verweist er auf hohe Kosten für das Gesundheitssystem durch tabak- und nikotinbedingte Erkrankungen: "Die Kosten landen am Ende bei den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung", sagt Effertz. "Die Beiträge sind schon jetzt extrem hoch, das können wir uns als Gesellschaft nicht mehr leisten."
Hingegen laufe es für die Tabakindustrie "wie geschmiert", so Effertz. "Es drohen derzeit kaum politische Maßnahmen, die ihr Geschäft ernsthaft gefährden." Der Umsatz mit Tabakwaren lag in Deutschland im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt bei mehr als 30 Milliarden Euro. Und auch der Verkauf von E-Zigaretten beschert steigende Umsätze.
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Risiken nicht geklärt
Auch Gesundheitswissenschaftlerin Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum, ist nicht überzeugt. "Es gibt Hinweise auf geringere Risiken im Vergleich zur Zigarette", so Mons. "Aber wie sich das langfristig auf die Gesundheit auswirkt, wissen wir nicht."
Ein Team der Berliner Charité setzt auf Aufklärung in Schulen.
23.01.2024 | 3:23 minGleichzeitig kritisiert Mons die Tabakindustrie: "Sie versuchen, sich mit neuen Produkten als Teil der Lösung zu inszenieren, dabei sind sie nach wie vor das Problem", sagt Mons. Zugleich warnt sie vor einer neuen Generation der Abhängigkeit:
Wir beobachten, dass neue Produkte wie E-Zigaretten oder Nikotinbeutel vor allem von jungen Menschen genutzt werden, häufig von solchen, die zuvor nicht geraucht haben.
Prof. Ute Mons, Deutsches Krebsforschungszentrum
Ob mit Nikotinbeuteln oder E-Zigaretten, die Tabakindustrie stellt sich auf eine rauchfreie Zukunft ein. Ein neuer Weg mit offenbar alten Abhängigkeiten. Der gesundheitsschädliche Suchtstoff Nikotin wird nicht in Frage gestellt.
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- mit Video
Debatte im moma-Duell:Rauchverbote auch im Freien?
von Philipp Dietrich Krebsforscher alarmiert:Studie: Viele Rapper werben illegal für Tabak