Ein Forscher-Team aus Baltimore (USA) ist dem großen Traum ein Stück näher gekommen. Dr. Christoph Specht erläutert die Forschungsergebnisse im Talk mit Ingo Nommsen.
Nicht nur Forscher, eigentlich alle Menschen träumen davon: den Krebs schon im Blut erkennen zu können, noch bevor die Krankheit im Körper ausbricht.
So wurde das Testverfahren entwickelt
Wissenschaftler in Baltimore sind diesem Traum etwas näher gekommen. Das funktioniert mittels der neuartigen Technik der "Flüssigbiopsie" (Liquid Biopsy). Der daraus entwickelte Test namens "CancerSEEK" soll acht häufige Krebsarten mit nur einerBlutprobe frühzeitig entdecken können: Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs, Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Speiseröhren-, Leber- und Eierstockkrebs.
Zur Entwicklung dieses Testverfahrens haben die Forscher bei Krebspatienten eine Kombination aus im Blut zirkulierenden Tumorproteinen und Erbmaterial der Tumore (ctDNA) analysiert und interpretiert. Der Test soll dabei nicht nur auf die reine Aufspüren der Tumoren mit hoher Genauigkeit begrenzt sein. Auch Rückschlüsse auf deren Ort im Körper (Eierstock, Leber, Magen, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre, Dick- und Enddarm, Lunge oder Brust) soll der Bluttest zulassen. In einer Studie legten sie ihre Erkenntnisse dar.
An der Studie, die im Fachjournal Science veröffentlicht wurde, nahmen 1817 Menschen teil. Rund 1000 von ihnen waren bereits an Krebs erkrankt, die weiteren Probanden waren gesund. Bei durchschnittlich 70% der Fälle lieferte der Test ein richtiges Ergebnis. Die größte Trefferquote hatte er bei Eierstockkrebs mit 98% und bei Leberkrebs. Wesentlich schlechter wurde Brustkrebs im Frühstadium erkannt, hier waren es nur 33%. Zur Früherkennung von Brustkrebs gibt es einen weiteren neuen Test, das sogenannte "Angelina-Jolie-Screening". Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Bluttest, der sechs Risiko-Gene von Brustkrebs erkennen soll.
Bisher wird im Verdachtsfall häufig eine Biopsie durchgeführt. Den Patienten wird dabei eine Gewebeprobe entnommen, was aufwändig und schmerzhaft ist. Oft erfolgt eine Biopsie erst, wenn der Krebs bereits fortgeschritten ist.
Der neue Test dagegen könnte eine vereinfachte Frühdiagnose ermöglichen. Doch wäre er tatsächlich eine Alternative zu gängigen Methoden? Und ab wann können Ärzte mit ihm arbeiten?
„Die diagnostische Aussagekraft ist – global über viele Krebsarten gesehen – derzeit für die klinische Praxis zu niedrig. Sollten sich die Ergebnisse der Analyse in weiteren unabhängigen Studien verifizieren lassen, so könnte eine frühere Erkennung bestimmter Tumorarten – zum Beispiel Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs; Anm. d. Red.) und Leberkrebs – wahrscheinlicher werden.“
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Prof. Dr. Holger Sültmann, Professor für Angewandte Genomforschung, Leiter der Arbeitsgruppe Krebsgenomforschung, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg
Vor einem praktischen Einsatz sind zunächst weitere klinische Studien nötig, um die Wirksamkeit der Methode an symptomfreien Probanden zu belegen. Wissenschaftler und Menschen mit Krebsrisiko setzen jedenfalls große Hoffnung in ihn, wenn der Blick in die Zukunft auch zum jetzigen Zeitpunkt ungewiß ist.
Laut einer internationalen Studie, die in der Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht wurde, sind die Chancen, eine Krebserkrankung zu überleben, seit dem Jahr 2000 weltweit bei fast allen Krebsarten gestiegen. Ausgenommen davon ist die akute lymphatische Leukämie - eine Blutkrebserkrankung bei Kindern. Hier sank die Überlebensrate von 94 auf 91,1 Prozent.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt: 90 Prozent der Krebstodesfälle gehen auf Metastasen zurück - das sind Krebszellen, die sich vom eigentlichen Tumor absondern und in anderen Körperregionen Tochtergeschwülste bilden. Metastasen sind schwerer zu behandeln und senken die Heilungschancen rapide ab.
Auch im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) suchen über 1000 Wissenschaftler nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken.