Erregung öffentlichen Ärgernisses
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Immer wieder gibt es im Sommer Diskussionen darüber, wie viel nackte Haut man öffentlich zeigen darf und wann die Grenze zu einer nicht mehr hinnehmbaren Belästigung erreicht ist. Arndt Kempgens, Fachanwalt für Strafrecht, erklärt die Details.
Oben ohne im Park, nackt auf dem Balkon, nur in Badehose bekleidet in den Supermarkt: Vor allem im Sommer lassen viele gerne die Hüllen fallen. Doch was für die einen Abkühlung und Freiheit bedeutet, ist für die anderen eine Belästigung. Wo verläuft die Grenze?
Schmaler Grat
„Die Gratwanderung zwischen ‚Wow‘ und ‚Belästigung‘ ist tatsächlich manchmal nicht ganz einfach zu ziehen“, gibt Rechtsanwalt Arndt Kempgens zu bedenken. In der Praxis sei aber ziemlich viel erlaubt, denn Bekleidung sei auch Ausdruck der Persönlichkeit und dies wiederum durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt.
Im Artikel 2 des Grundgesetzes steht dazu: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
Beeinträchtigung öffentlicher Ordnung
„Allgemein könnte man sagen, dass Verbote dann einsetzen, wenn der ‚Normalmitbürger‘ sich belästigt fühlt“, erklärt Rechtsanwalt Arndt Kempgens. Diese Belästigung ginge über bloße Taktlosigkeiten hinaus. Bußgeldrechtlich werde es dann relevant, wenn es zu einer grob ungehörigen Handlung kommt, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
Es komme immer darauf an, wo man sich entblöße oder leichtbekleidet zeige – und der Einzelfall sei entscheidend für eine bußgeld- oder strafrechtliche Beurteilung: Wird die öffentliche Ordnung beeinträchtigt? „Zu Hause oder am FKK-Strand natürlich nicht, woanders, zum Beispiel in der Fußgängerzone, ist es hingegen etwas anderes.“
Der Themenkomplex der nicht mehr hinnehmbaren Belästigungen der Allgemeinheit, die unter Strafe gestellt werden, sei ein weites Feld, so Arndt Kempgens: „Dieses Feld soll durch Bußgeldvorschriften (§ 118 OWiG) bis hin zu Strafvorschriften (§ 183a StGB) geregelt werden.“ Bei bloßen Bußgeldverfahren können Geldbußen bis zu einer Höhe von 1000 Euro verhängt werden. Haben die Beteiligten sich öffentlich sexuell betätigt, sei theoretisch sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr möglich. „Dies hängt aber sicher auch von der Strenge oder Nichtstrenge des Richters ab“, erklärt der Rechtsanwalt weiter.
„Wer provozieren will, muss zahlen“
Wer Sex in der eigenen Wohnung bei geöffnetem Fenster hat und dies nicht absichtlich oder wissentlich mache, habe zumindest strafrechtlich nichts zu befürchten, so Kempgens. „Dann stellt sich für ein mögliches Bußgeld die Frage, ob die öffentliche Ordnung beeinträchtig ist. Dabei kommt es darauf an zu beurteilen, wer unfreiwillig Zeuge der Betätigung werden kann“, so der Rechtsanwalt. Als Faustregel gelte: Wer provozieren will, muss zahlen.
Sex an öffentlichen Orten finden viele Paare spannend, allerdings kann man sich damit jede Menge Ärger einhandeln. „Wenn es keiner sieht, ist das bis auf einen möglichen Hausfriedensbruch strafrechtlich nicht relevant. Wenn dritte Personen gewollt oder ungewollt Zeugen werden, geht das zu weit“, sagt Arndt Kempgens. Verurteilungen seien aber recht selten, da viele vermutlich ein Auge zudrückten und keine Anzeige erstatteten.
Bei Sex im fahrenden Auto kann die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen infrage gestellt werden (§ 69 StGB).
Andere Länder, andere Sitten
Während in manchen Ländern die allgemein gelebten Regeln lockerer sind, kann das natürlich in anderen Ländern ganz anders ausgelegt werden. „Vor jeder Reise sollte man sich also bitte über landestypische Gebräuche und Ansichten informieren“, rät Arndt Kempgens.