Blinder Hund - na und?
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Die Diagnose „Erblinden“ trifft den Besitzer eines Hundes meist sehr hart. Während der Zweibeiner traurig oder gar verzweifelt ist, geht der betroffene Vierbeiner in den meisten Fällen sehr pragmatisch mit der neuen Situation um.
Insbesondere bei einer schleichenden Erkrankung schaffen es die Hunde recht lange, ihr Umfeld im Glauben zu lassen, dass alles in Ordnung sei. "In gewohnter Umgebung kommt der blinde Hund hervorragend zurecht, auch die gewohnten Spazierwege werden problemlos gemeistert. Problematisch können jedoch neue Situationen oder ein verändertes Umfeld werden", erklärt Tierverhaltenstherapeutin Heidi Reutlinger.
Typische Symptome erkennen
Bestimmte Symptome oder ungewöhnliche Verhaltensweisen des Hundes können erste Hinweise auf Augenprobleme geben. Wirkt der Vierbeiner orientierungslos oder verunsichert, äußert sich das oft mit vermehrtem Bellen bei Dämmerung oder Dunkelheit. Eine verstärkte Reizbarkeit oder Appetitlosigkeit des Hundes sowie eine ungewohnte Berührungs- oder Lichtempfindlichkeit sind weitere Symptome. Kneift der Hund häufig die Augen zusammen oder reibt sich diese mit der Pfote, hat er verstärkten Tränenfluss, gerötete Bindehäute oder eine Hornhauttrübung? All das können Hinweise auf eine mögliche Erblindung sein.
Hat man den Verdacht, dass mit den Augen des Hundes etwas nicht stimmt, sollte man von einem Augenspezialisten abklären lassen, um welche Erkrankung es sich bei dem Tier handelt und gegebenenfalls die Behandlungsmethoden besprechen. Sollte sich dann herausstellen, dass eine medizinische Behandlung keine Änderung bewirken kann und das Tier schlecht oder fast gar nichts mehr sieht, ist das kein Grund zum Verzweifeln. Der Hund wird sich damit arrangieren und der Hundebesitzer kann ihn dabei unterstützen, sich in der veränderten Situation zurechtzufinden.
Ausgeprägter Geruchssinn bei Hunden
"Hunde sind in erster Linie Makrosmatiker; also Lebewesen, deren Geruchssinn sehr gut entwickelt ist", so Heidi Reutlinger. Somit kann sich der Hund in seinem Umfeld hervorragend zurechtfinden: er riecht, wo sein Schlafplatz ist, wo er etwas zu Trinken und zu Fressen findet und wo sich sein Herrchen befindet.
"Wichtig ist es, sein Riechvermögen durch Nasenarbeit zu fördern. Man kann zum Beispiel Leckerlis im Haus und im Garten verstecken und den Hund danach suchen lassen. Ebenso können Futterbeutel oder Spielsachen versteckt werden, die er dann aufspüren soll", empfiehlt die Tierverhaltenstherapeutin. Eine weitere gute Auslastung für den Hund ist Mantrailing (Personensuche). Bei einer besonders guten Bindung mit viel Vertrauen und einem guten ‚Blindenmenschen‘ sind sogar Sportarten wie ‚Dog-Crossing‘ kein Problem.
Unterstützt wird das Riechen vom Hören, denn auch dieser Sinn ist bei Hunden viel besser entwickelt als bei Menschen. Das Sehen spielt also – zumindest bei den behüteten Haushunden - eine eher untergeordnete Rolle.
Zu Hause: Orientierungshilfe für den Hund
Heidi Reutlinger empfiehlt Besitzern eines erblindeten Hundes, einen Plan zu machen, um den vierbeinigen Freund besser unterstützen zu können. Im häuslichen Umfeld gilt:
- Möglichst keine Möbel umstellen.
- Scharfe Kanten an Tischen und Schränken mit einem Kantenschutz versehen.
- Anti-Rutschmatten für die Treppen benutzen.
- Ist der Hund eher unsicher an der Treppe oder hat im Gegenteil ein stürmisches Naturell, sollte diese auf jeden Fall mit einem Kindergitter auf beiden Seiten geschützt werden.
- Darauf achten, dass Türen (zum Beispiel die Terrassentür) immer ganz geöffnet und gegen Zufallen mit einem Stopper gesichert sind.
- Im Garten empfiehlt es sich, das Ende des Gartens und den Zaun durch eine veränderte Bodenbeschaffenheit kenntlich zu machen. Hierzu zieht man zum Beispiel eine 30 bis 40 Zentimeter breite Kiesschicht vor dem Zaun. Am veränderten Untergrund kann der Hund erkennen, dass er sich einem Hindernis nähert.
- Teiche sollten abgesichert werden, auch wenn der Hund schwimmen kann. Im Übrigen sollte der Hund nur unter Aufsicht schwimmen.
- Auch die Kommandos „Stufe auf“ und „Stufe ab“, helfen dem Hund, Hindernisse zu erkennen.
Außerhalb des häuslichen Umfeldes muss der Hundebesitzer das Sehen übernehmen. Das ist dann so ähnlich, wie es ein Blindenhund auch für den blinden Menschen macht. Dabei ist es sinnvoll, dem Hund die Kommandos „Stopp“, „Rechts“ und „Links“ beizubringen. Damit kann der Hund sicher und ohne allzu viele Leinenkommandos um Hindernisse navigiert werden. Wichtig ist es, dass ein Hindernis erkannt wird. Der Hund ist nämlich auf sein Herrchen angewiesen.
Leine oder Freilauf?
Ob ein blinder Hund ungesicherten Freilauf erhalten soll, hängt im Wesentlichen davon ab, wie gut sein Gehorsam ohne Leine funktioniert. Hört er beim ersten Mal auf das Kommando „Stopp“? Wenn ja, dann steht einem Freilauf nichts im Wege. Wenn nicht, sollte der Hund nicht von der Leine gelassen werden. "Man sollte zudem bedenken, dass seine Kommunikation mit Artgenossen sehr eingeschränkt ist. Das kann leicht zu Missverständnissen führen", gibt die Tierverhaltenstherapeutin zu bedenken. Vielleicht hat der Hund ein oder zwei Freunde, mit denen er spielen kann? Das reicht für ein glückliches Hundeleben aus.
"Blindheit ist ein Handicap, das der Hund hervorragend ausgleichen kann. Auch blind ist für ihn ein nahezu uneingeschränktes, glückliches Leben möglich", betont Heidi Reutlinger.