Die Aktionswoche Alkohol 2019 hat das Schwerpunktthema „Kein Alkohol am Arbeitsplatz!“. Fünf Prozent aller Beschäftigten – von der Aushilfskraft bis zur Geschäftsführung – erfüllen die Kriterien einer Missbrauchs- oder Abhängigkeitsdiagnose.
Männer sind von Alkoholsucht etwa doppelt so oft betroffen wie Frauen, ansonsten verteilt sich die Krankheit gleichmäßig über alle Altersgruppen und Schichten. Die Abhängigkeit entwickelt sich meist ganz allmählich und manche Menschen sind dafür anfälliger als andere. Zu den Risikofaktoren gehören eine gewisse genetische Veranlagung sowie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel die Neigung, Probleme eher zu verdrängen als sich ihnen zu stellen. Aber auch ein Freundeskreis, in dem regelmäßig und viel Alkohol konsumiert wird, kann den Weg zur Sucht ebnen.
In Maßen genossen, kann Alkohol anregend wirken, Hemmungen mindern und die Kommunikation fördern. Ein Zuviel dagegen trübt meist die Wahrnehmung, außerdem sinkt die Selbstkontrolle, viele Menschen werden dann leicht reizbar oder aggressiv. Auf Dauer verändert Alkohol nicht nur die Psyche, er schädigt zudem viele verschiedene Organe, vor allem die Leber, aber auch den Magen-Darm-Trakt oder das Herz-Kreislaufsystem.
Merkmale einer Alkoholsucht
Für die Diagnose einer Abhängigkeit gibt es verschiedene Kriterien. Dazu gehören ein starkes Verlangen nach Alkohol, eine nachlassende Wirkung bei gleicher Trinkmenge, was dazu führt, dass immer mehr getrunken wird, körperliche Entzugserscheinungen bei Abstinenz, ein Vernachlässigen des sozialen Lebens, ein Verlust der Kontrolle über den Konsum und ein Weitertrinken trotz bereits bestehender, alkoholbedingter Schäden.
Liegen drei von diesen Merkmalen vor, geht man von einer Alkoholabhängigkeit aus. Beim Verdacht auf die Sucht können auch spezielle Fragebögen helfen, außerdem gibt es bestimmte Laborwerte, die deutliche Hinweise auf einen übermäßigen Alkoholkonsum liefern können.
Alkohol im Job - wichtige Fragen und Antworten
Ist es erlaubt, zur Beförderung mit den Kollegen mit einem Glas Sekt anzustoßen? Dürfen es dann auch zwei sein? Wie sollten sich Beschäftigte verhalten, wenn sie merken, dass ein Kollege am Arbeitsplatz heimlich trinkt? Dr. Peter Raiser von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. im Gespräch.
Es gibt kein grundsätzliches Alkoholverbot am Arbeitsplatz, aber es gibt das Arbeitsschutzgesetz. Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. In Betriebs- oder Dienstvereinbarungen kann ein Verbot von Alkohol am Arbeitsplatz geregelt werden.
Zehn Prozent aller Beschäftigten – von der Aushilfskraft bis zur Geschäftsführung – trinken aus gesundheitlicher Sicht zu viel Alkohol. Weitere fünf Prozent erfüllen die Kriterien einer Missbrauchs- oder Abhängigkeitsdiagnose.
Alkoholprobleme gibt es in allen Branchen und Berufen, in allen Hierarchieebenen und Ausbildungsgraden.
Die Ursachen sind vielfältig. Bestimmte Arbeitsbedingungen können dazu beitragen, dass es zu problematischem Alkoholkonsum kommt. Beschäftigte, die z.B. arbeitsplatzbedingten Stress abends mit einem Glas Wein oder Bier zu kompensieren versuchen, um sich zu entspannen, entwickeln unter Umständen dadurch mit der Zeit ein risikoreiches Konsumverhalten. Man trinkt erst ein Glas, dann mehrere und irgendwann eine ganze Flasche pro Abend, um Stress abzubauen. Doch Entspannung mit Alkohol funktioniert nicht, auch wenn es sich zunächst so anfühlt.
Der Konsum von Alkohol bei der Arbeit hat Auswirkungen auf der geistigen und auf der körperlichen Ebene. Alkohol verringert das Konzentrations- und Urteilsvermögen. Die Unfallgefahr steigt: man gefährdet sich selbst und eventuell auch Andere. Es kann zu Leistungs- und Qualitätsverlusten bei der Arbeit oder zu höheren Fehlzeiten kommen.
Wenn jemand im beruflichen Umfeld Probleme mit Alkohol bekommt oder hat, wissen die Beschäftigten das untereinander meist schon sehr früh. Oft ist es so, dass sich die Betroffenen anders verhalten als sonst, unter Stimmungsschwankungen leiden, sich zurückziehen oder ihre Arbeit vernachlässigen. Man merkt es beispielsweise auch daran, wenn ein Kollege eine Fahne hat, einen unsicheren Gang hat, sein Äußeres vernachlässigt, heimlich trinkt oder nach den Wochenenden häufig von einem hohen Alkoholkonsum berichtet.
Schweigen hilft keinem. Man sollte das Thema offen ansprechen – je früher, desto besser. Sucht entwickelt sich über einen langen Zeitraum. Erfahrungsgemäß wünschen sich die meisten Betroffenen, sie wären früher angesprochen worden. Man sollte im Gespräch die eigenen Beobachtungen und die Sorge in den Vordergrund stellen. Vorwürfe helfen nicht weiter. Man kann auch zum Ausdruck bringen, dass man sich selbst belastet fühlt, beispielsweise, weil man unerledigte Arbeit des Kollegen mit übernimmt. Im Betrieb können der direkte Vorgesetzte, die Personalabteilung, der Sozialdienst oder andere Vertrauenspersonen erste Ansprechpartner sein. Extern bieten Fachkräfte der Suchtberatungsstellen Unterstützung an.
Vorgesetzte haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern. Sie müssen handeln. Wir empfehlen Unternehmen, einen Stufenplan vorzubereiten, den sie für den Umgang mit Betroffenen vorhalten können. Darin sind die einzelnen Schritte festgehalten – von Hilfsangeboten bis hin zu Sanktionen. Für Führungskräfte ist es sehr hilfreich, wenn Verhaltenshinweise und Gesprächsleitfäden bereits im Vorfeld ausgearbeitet sind. Ziel eines solchen Stufenplans ist es zu signalisieren, dass die Suchterkrankung gemeinsam überwunden und der Arbeitsplatz erhalten bleiben soll.
Hilfe unter ärztlicher Aufsicht
Am Anfang der Therapie steht die Entgiftung, das heißt der körperliche Entzug mit abruptem Stopp des Alkoholkonsums. Manche Patienten leiden dabei unter heftigen Entzugserscheinungen wie zum Beispiel Nervosität, Schwitzen, Zittern oder Übelkeit. Deshalb empfiehlt es sich, die Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht – ambulant oder stationär – durchzuführen. Dieser körperliche Entzug dauert etwa ein bis zwei Wochen. Daran sollte sich dann eine spezielle Rehabilitation anschließen. Auch dafür stehen den Betroffenen sowohl ambulante als auch stationäre Einrichtungen zur Verfügung.
In der Rehabilitation erhalten die Patienten psycho-, ergo- und sozialtherapeutische Betreuung und lernen zum Beispiel schwierige Situationen zu erkennen und zu meistern. Außerdem bekommen sie Unterstützung bei der Rückkehr ins Arbeitsleben.
Die Behandlung weiterführen
Nicht selten liegen psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen vor, die mit therapiert werden. Die Dauer der Rehabilitation liegt zwischen acht und 15 Wochen. Danach kann es ratsam sein, eine psychotherapeutische Behandlung fortzusetzen oder eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, um die langfristigen Abstinenzchancen zu erhöhen. Etwa zwei Drittel der gezielt in Deutschland behandelten Patienten schaffen es, langfristig trocken zu bleiben.