Es sind nicht nur die Folgen des Ukraine-Krieges, die die Bundesregierung beschäftigen. Vom ersten Tag an war die Ampel-Koalition mit Krisenmanagement befasst. Die Bewältigung der Corona-Pandemie wurde noch im Dezember bei Amtsantritt zur Hauptaufgabe erklärt: „Wir übernehmen Verantwortung in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie das Land weiter stark belastet. Sie bedeutet für viele großes Leid, geht einher mit existenziellen Sorgen und verlangt allen erhebliche Einschränkungen ab. Die Pandemie zu besiegen, ist in diesen Tagen unsere vordringlichste Aufgabe, der wir uns mit voller Kraft widmen“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Dann kam der 24. Februar, der Beginn des Ukraine-Krieges, und die Bundesregierung wechselte von einem in den nächsten Krisenmodus. Während der Pandemie waren Lieferketten zusammengebrochen, Unternehmen geschlossen oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit geschickt worden. Seit 2020 seien über 44 Milliarden Euro für Kurzarbeit aufgewandt worden, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Arbeitsmarkt sei durch die Maßnahme robust und stabil geblieben. Für 2022 prognostiziert die Bundesagentur für Arbeit im Jahresschnitt 590.000 Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter. Das wären deutlich weniger als Anfang 2020. „Zu Beginn der Pandemie hatten wir Spitzen von bis zu 6 Millionen Menschen in Kurzarbeit“, erinnert sich Heil. „Aber wir wissen nicht, wie lang dieser Krieg noch dauert und was dieser Krieg noch an weiteren wirtschaftlichen und sozialen Folgen hat.“
Durch den Krieg sind neue Probleme hinzugekommen, die eine Erholung der Wirtschaft verhindern: die Sorge um eine ausreichende Versorgung mit notwendiger Energie sowie damit verbunden ein rasanter Anstieg der Preise. Und auch die EU-Sanktionen gegen Russland bekommen deutsche Unternehmen zu spüren. Die Folgen treffen die Verbraucher im Supermarkt wie an der Tankstelle. Zwei Entlastungspakete hat die Politik deshalb geschnürt, die jedoch den geplanten Bundeshaushalt überfordern und einen Ergänzungshaushalt nötig machen. Diese Ergänzung sieht eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme um fast 40 Milliarden Euro vor, auf insgesamt 139 Milliarden Euro.
In einer Sondersitzung des Bundesrats am Mittwoch haben die Bundesländer den Entwurf der Bundesregierung kritisiert. Sie rechnen vor, dass sie den Löwenanteil der Kosten tragen, und verlangen eine größere finanzielle Beteiligung des Bundes. Aufhalten kann der Bundesrat das Vorhaben nicht.
Mit den zusätzlichen Milliardenschulden sollen Maßnahmen finanziert werden, um die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für Menschen und Wirtschaft in Deutschland abzumildern. Enthalten sind Posten wie 5 Milliarden Euro für Wirtschaftshilfen, 1,45 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe und Mittel für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung von Geflüchteten aus der Ukraine. Noch einmal eine Milliarde Euro wird zur Sicherung von Energiereserven bereitgestellt. Auch die Entlastungen sind enthalten: Senkung der Energiesteuer auf Sprit, die Energiepreispauschale (300 Euro für alle Beschäftigten), der 100-Euro-Kinderbonus sowie das 9 Euro-Ticket für den Nahverkehr, das es für drei Monate geben soll. Empfänger bestimmter Leistungen sollen einen doppelten Heizkostenzuschuss erhalten. Insgesamt knapp 14 Milliarden Euro sind im Ergänzungshaushalt für noch nicht genau bezifferbare Risiken enthalten. Dabei geht es etwa um Auswirkungen des kriegsbedingt erwarteten geringeren Wirtschaftswachstums.
Bei der Vorstellung des Ergänzungshaushaltes machte Finanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich, dass er für weitere Entlastungen der Verbraucher trotz hoher Energiepreise und Rekordinflation kaum Spielraum sieht. „Darüber hinausgehende steuerliche Maßnahmen bei den Verbrauchssteuern sehe ich kritisch, sie sind auch nicht notwendig.“ Der Staat werde nicht alles auf Dauer ausgleichen, sondern nur besondere Härten abfedern und Strukturbrüche vermeiden können: „Das hat den Charakter eines Stoßdämpfers“, sagte Lindner.
Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme, dass der Bund die Belastungen für die Energiepreispauschale wie beim geplanten Klimageld vollständig trägt. Zum Kinderbonus erwartet der Bundesrat eine Kompensation für die Länder, analog zu den Jahren 2020 und 2021. Ferner weist er auf die erheblichen Kosten für Umsetzung und Organisation des geplanten 9-Euro-Tickets für den Regionalverkehr hin und fordert vom Bund einen vollständigen Ausgleich für Länder und Kommunen. Die derzeit geplante Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 2,5 Milliarden Euro werde hierzu nicht ausreichen. Schließlich erinnerte der Bundesrat an die Zusage der Bundesregierung, eine einvernehmliche Regelung zur Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Integration von Geflüchteten zu finden, die rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 gelten soll.
Die Länder tragen nach eigenen Berechnungen mehr als die Hälfte der Kosten, die für die Energiepreispauschale und den Kinderbonus anfallen, rund 6,8 Milliarden von insgesamt 11,8 Milliarden Euro. „Das Ganze hat so starke Mängel, dass ich – jedenfalls Stand heute – nicht empfehlen kann, diesem Bundeshaushalt zuzustimmen“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Zudem fragte er: „Warum gehen die Rentner eigentlich völlig blank aus?“ Das gelte auch für junge Menschen wie Studentinnen und Studenten, die ebenfalls keine großen Einkünfte hätten. „Die kriegen gar nichts. Schlicht nichts.“ Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) kritisierte, das Entlastungspaket stamme vom Bund, die Länder seien gar nicht beteiligt gewesen. „Dann ist es auch konsequent, wenn der Bund die damit verbundenen finanziellen Lasten trägt“.
Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Florian Toncar (FDP), erwiderte, dass der Bund die Länder an anderer Stelle in Milliardenhöhe entlaste. Zudem schultere der Bund das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Toncar rechnete auch vor, dass der Bund im vergangenen Jahr ein gesamtstaatliches Defizit von 143 Milliarden Euro verzeichnet habe, Länder und Kommunen aber einen Überschuss von 6,5 Milliarden erzielt hätten.
Bei einer repräsentativen Befragung von unter 30-Jährigen befürchten gut zwei Drittel die Folgen des Ukraine-Krieges. Die Kriegsangst verdrängte damit die bisher dominierende Sorge vor dem Klimawandel, weil ein „Krieg in Europa alle Zukunftsaussichten infrage stellt“ und das bisherige Sicherheitsgefühl junger Menschen in Deutschland zerstöre, schreiben die Autoren der Studie „Jugend in Deutschland“, die Anfang Mai vorgestellt wurde. Die Jugend sei im „Dauerkrisen-Modus“. Hinter der Sorge vor Krieg (68 Prozent) folgten die Sorgen wegen des Klimawandels (55 Prozent) und der Inflation (46 Prozent).
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / DLF