Gefahr im Essen

Gefahr im Essen

von Jörg Göbel und Julian Prahl
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Lebensmittelkontrollen.

Mehrfach in der Woche kommt es zu Rückrufen von Lebensmitteln. Doch Behörden brauchen zu viel Zeit, um Verbraucher vor verunreinigten Produkten zu warnen, beklagen Verbraucherschützer.

Außerdem kritisieren sie, dass die Warnungen oftmals zu ungenau ausfallen. Dadurch werde möglicherweise die Dringlichkeit einer Gefahr, die durch Fremdkörper oder Bakterien wie Salmonellen und Listerien bestehen könnte, nicht deutlich genug. Problematisch sei auch, dass die Unternehmen oft eigenständig kontrollieren und bei Verdachtsmomenten selbst entscheiden können, wann sie die Behörden informieren. Daher fordern sowohl Verbraucherschützer als auch Politiker zusätzliches Personal und mehr Befugnisse für die Lebensmittelkontrolle.
Wie dramatisch die Folgen verunreinigter Lebensmittel sein können, zeigt der EHEC-Ausbruch 2011 in Norddeutschland. Damals starben mehr als 50 Menschen an der Infektion. Auslöser für die Ansteckung sollen mit hoher Wahrscheinlichkeit ägyptische Sprossen gewesen sein.

Frontal 21 hat ein Opfer des EHEC-Erregers getroffen, der Teile des Gehirns der jungen Frau befallen hatte. Nach drei Wochen im Koma musste sie wieder sprechen lernen und kann sich bis heute nur mit Hilfe eines Rollstuhls fortbewegen.
Hier erhalten Sie Informationen über Rückrufaktionen und Produktwarnungen: Rückruf-Portal

Wir haben die staatliche Lebensmittelkontrolle thematisiert und mangelnde personelle Ausstattung sowie mangelnde Befugnisse kritisiert. Adressat der Kritik ist die Bundesregierung. Deshalb haben wir Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) angefragt und dessen Antwort genannt.
Die Positionen des BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde) sind über Veröffentlichungen auf der eigenen Homepage sowie durch die Erwiderung auf die Foodwatch-Studie zu Lebensmittelrückrufen aus dem August 2017 bekannt. Auf eine aktuelle Anfrage haben wir verzichtet, weil wir den Lebensmittelunternehmen bzw. der gesamten Branche gar keinen konkreten Vorwurf machen. Hier geht es schließlich um gesetzliche Vorgaben bzw. die staatliche Umsetzung der Kontrolle.

Der BLL schreibt: “EHEC-Tragödie war keine Folge mangelnder Rückverfolgbarkeitssysteme der Wirtschaft.“

Das haben wir auch gar nicht behauptet. Wir haben dargestellt, dass die Behörden bei der Aufklärung der EHEC-Epidemie überfordert wirkten. Zitat aus dem Text: “Die Probleme von damals, intransparente Lieferketten – bis heute nicht gelöst.“ Transparente Lieferketten sind Lieferketten, bei denen Hersteller jede Vorstufe, bis zur Produktion des Lebensmittels, beispielsweise auf einem Feld, zurückverfolgen können. Als Positivbeispiel von heute haben wir etwa das Unternehmen FRoSTA genannt. Diese Art der Rückverfolgbarkeit fordern einige Verbraucherschützer. Dies kann eine Aufklärung im Schadensfall beschleunigen, wenn nicht jeder Zwischenhändler nacheinander kontaktiert werden muss.

Der BLL schreibt: “Wir brauchen eine besser ausgestattete und vernetzte Lebensmittelüberwachung.“

Damit bestätigt der BLL die Kritik von Frontal 21 an der staatlichen Lebensmittelkontrolle.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und der BLL sind sich darin einig, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmittel sinnvoll sind. Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, wie erfolgreich diese Rückverfolgbarkeit im Schadensfall ist. Der VZBV bemängelte in der Vergangenheit bei  diversen Lebensmittelskandalen (Pferdefleisch, Fipronil) die in der Praxis nicht bzw. ungenügend funktionierende Rückverfolgbarkeit. Darauf geht der BLL gar nicht ein. Darüber hinaus tritt der VZBV auch für eine verpflichtende Herkunftsangabe ein.

Der BLL schreibt: "Rückverfolgbarkeit hat nichts mit Herkunftskennzeichnung zu tun!“

Diese Ansicht teilen wir nicht, weil sie darauf abzielt, den Unterschied zwischen Rückverfolgbarkeit als elementaren Bestandteil des Lebensmittelrechts und der Herkunftskennzeichnung als Kennzeichnungsfrage zu betonen. Genaue Kenntnisse über die Lieferkette sind aber Voraussetzung für eine detaillierte Kennzeichnung. Eine Herkunftskennzeichnung sollte also jedem möglich sein, der die Vorgabe der Rückverfolgbarkeit befolgt und an einer Transparenz für Verbraucher interessiert ist. Dass die Umsetzung nicht unmöglich ist, zeigt das Beispiel FRoSTA.

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