Globale Mindestbesteuerung
von Armin Coerper, Felix Klauser und Michael Strompen
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Die globale Mindeststeuer von 15 Prozent, auf die sich die G20-Länder im Juli geeinigt haben, bringt für Deutschland offenbar weitaus weniger Einnahmen als vom Bundesfinanzministerium angekündigt, so Berechnungen im Auftrag von frontal.
Die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, digitale Großkonzerne wie Google, Amazon und Co. in Deutschland steuerlich zur Kasse zu bitten, drohen ihre gewünschte Wirkung zu verfehlen. Denn von der globalen Mindestbesteuerung der großen Tech-Giganten in Höhe von 15 Prozent wird Deutschland de facto kaum etwas abbekommen.
"Große Abstriche bei gerechter Besteuerung"
Zu dem Ergebnis kommt eine Berechnung des "Netzwerk Steuergerechtigkeit" im Auftrag von frontal. Zwar sei es ein Erfolg der Reform, dass Steueroasen wie Bermuda, Cayman Islands etc. künftig trockengelegt werden, aber: "man müsste offen sagen, dass dieser große Sieg gegen die Steueroasen tatsächlich mit großen Abstrichen bei der gerechten Besteuerung der Digitalkonzerne erkauft wurde", so Christoph Trautvetter, Steuerexperte beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. "Das ist in gewisser Weise unehrlich"
Konkret sieht der Plan, den Olaf Scholz im Rahmen der OECD aushandelt und der beim G20-Treffen in Venedig im Juli 2021 grundsätzlich beschlossen wurde vor, dass international agierende Konzerne mit einer weltweiten Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent besteuert und Gewinne zwischen den Ländern fairer verteilt werden. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat exklusiv für frontal am Beispiel von Netflix und Google berechnet, inwieweit sich deren Steuerlast in Deutschland dadurch verändern würde.
Netflix von 0,2 auf 0,3 Prozent Steuern
Beispiel Netflix: Elf Millionen Deutsche haben inzwischen ein Abonnement mit der Streaming Plattform abgeschlossen. Die Steuerexperten schätzen, dass Netflix allein in Deutschland im letzten Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz und fast 140 Millionen Euro Gewinn gemacht hat. Bei – ebenfalls geschätzt - 250.000 Euro gezahlten Steuern entspricht dies einer Steuerquote von nur 0,2 Prozent. Treten die Beschlüsse der G20-Staaten wie derzeit geplant in Kraft, ändert sich für Netflix fast nichts.
Die Steuerquote würde nach den Berechnungen des Netzwerk Steuergerechtigkeit nur marginal steigen, von 0,2 auf 0,3 Prozent. Profitieren würden aber wohl die USA. Am dortigen Konzernsitz würde die Differenz zu 15 Prozent nachbesteuert.
Auch Google würde demnach seine in Deutschland erwirtschafteten Gewinne hierzulande mit deutlich unter 15 Prozent versteuern. Nach den Berechnungen stiege der Steuersatz lediglich auf 7,3 Prozent.
Die OECD verhandeln im Auftrag der 20 größten Industrienationen (G20) über ein Reformpaket für die internationale Unternehmensbesteuerung. Dieses Paket besteht aus zwei Säulen.
Säule 1: Neuverteilung von Steuereinnahmen zwischen den Ländern. Bei den größten und profitabelsten Unternehmen sollen Gewinne, die über die routinemäßigen Gewinne hinausgehen zugunsten der Marktstaaten neu verteilt werden. Nach derzeitigem Plan beträfe es Unternehmen mit mehr als 20 Milliarden Umsatz und einer Umsatzrendite von mehr als 10 Prozent. Das Problem: Große Konzerne wie Amazon wären wegen ihrer geringen Rentabilität nicht betroffen und alle nationalen Digitalsteuern müssten abgeschafft werden.
Säule 2: Mindeststeuer: Ziel ist, dass jedes Unternehmen auf seinen Gesamtgewinn eine Mindeststeuer von voraussichtlich 15 Prozent zahlt. Wird in einem Land also weniger abgeführt, kann das Land am Sitz des Unternehmens die Differenz nachversteuern. Für klassische Null-Steueroasen wird es künftig also eng. Großer Gewinner sind die USA, wo viele Digital-Konzerne ihren Sitz haben.
Säule 1: Neuverteilung von Steuereinnahmen zwischen den Ländern. Bei den größten und profitabelsten Unternehmen sollen Gewinne, die über die routinemäßigen Gewinne hinausgehen zugunsten der Marktstaaten neu verteilt werden. Nach derzeitigem Plan beträfe es Unternehmen mit mehr als 20 Milliarden Umsatz und einer Umsatzrendite von mehr als 10 Prozent. Das Problem: Große Konzerne wie Amazon wären wegen ihrer geringen Rentabilität nicht betroffen und alle nationalen Digitalsteuern müssten abgeschafft werden.
Säule 2: Mindeststeuer: Ziel ist, dass jedes Unternehmen auf seinen Gesamtgewinn eine Mindeststeuer von voraussichtlich 15 Prozent zahlt. Wird in einem Land also weniger abgeführt, kann das Land am Sitz des Unternehmens die Differenz nachversteuern. Für klassische Null-Steueroasen wird es künftig also eng. Großer Gewinner sind die USA, wo viele Digital-Konzerne ihren Sitz haben.
Mindeststeuer? "Kein großer Wurf"
Die Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag stehen grundsätzlich hinter den Plänen, Unternehmenssteuern weltweit zu harmonisieren. Volker Wissing, Generalsekretär der FDP: "Den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Deutschland ist es nicht vermittelbar, dass große Digitalkonzerne, wie z.B. Google, Apple oder Netflix, in Deutschland Milliarden verdienen, aber kaum Steuern zahlen."
Kein Staat kann solche Ungerechtigkeiten auf Dauer hinnehmen.
Volker Wissing, FDP-Generalsekretär
Wissing bezweifelt allerdings, dass die neuen Regeln überhaupt je zur Anwendung kommen: "Die Einigung auf eine globale Mindestbesteuerung ist deshalb sicher ein erster Schritt, sie ist aber nicht der große Wurf, wie Olaf Scholz es gerne darstellt."
Kritik kommt auch von links
Auch von der Linken kommt scharfe Kritik am Ergebnis. "Herr Scholz hat versucht, einen so ambitionslosen Kompromiss zu finden, dass auch Facebook Beifall geklatscht hat und es keinem wehtut", so der Finanzexperte der Bundestagsfraktion, Fabio de Masi.
Auf Nachfrage von frontal bleibt Olaf Scholz dabei, dass seine Pläne auch in Deutschland Wirkung zeigten: Wer zu einem anderen Ergebnis komme, der "habe sich wohl verrechnet."
Auf Nachfrage von frontal bleibt Olaf Scholz dabei, dass seine Pläne auch in Deutschland Wirkung zeigten: Wer zu einem anderen Ergebnis komme, der "habe sich wohl verrechnet."