Neue Wundversorgung: Fischhaut schließt chronische Wunden
Neue Wege in der Wundbehandlung:Chronische Wunden mit Fischhaut schließen
von Tim Förderer
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Menschen mit schlecht heilenden oder chronischen Wunden haben einen hohen Leidensdruck. Nicht selten droht sogar die Amputation. Wie eine Behandlung mit Fischhaut helfen kann.
Haut des Kabeljaus lässt chonische Wunden heilen: Wie Patienten von der neuartigen Wundversorgung mit Fischhautmatrix profitieren.19.02.2025 | 5:35 min
Über zwei Million Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Wunden. Diese heilen schwer oder gar nicht ab, oft drohen Amputationen. Ursache für die offenen Stellen ist meist eine Grunderkrankung. Zu den wichtigsten zählen Diabetes mellitus sowie Durchblutungsstörungen infolge von Gefäßerkrankungen. Letztere machen mit etwa 80 Prozent den größten Anteil aus.
Zur Standardtherapie gehört die Transplantation von körpereigenen Hautlappen oder dünnen Hautschichten (Spalthaut). Doch selbst damit heilen viele Wunden einfach nicht zu. Eine Innovation in der Therapie chronischer Wunden könnte Abhilfe schaffen: die Behandlung mit Fischhaut. Sie ist in ihrer Struktur der menschlichen Haut sehr ähnlich.
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Wie Fischhaut als Wundauflage funktioniert
Für das Verfahren wird Haut des Atlantischen Kabeljaus (Gadus morhua), auch Dorsch genannt, verwendet. Die Fischhaut wird aufwendig aufbereitet. Nur die Grundstruktur bleibt erhalten. Diese zellfreie Struktur, die sogenannte Matrix, dient als Gerüst, in das körpereigene Hautzellen einwandern können. Sie wird auf die Größe der Wunde zugeschnitten und in die Wunde eingebracht.
Der äußere Verband, also die Abdeckung, wird einmal wöchentlich gewechselt. Ein täglicher Wechsel der Wundauflage und die damit verbundene schmerzhafte Reinigung der Wunde, wie bei der herkömmlichen Wundtherapie üblich, ist nicht mehr erforderlich.
Chronische Wunden sind sehr belastend und können zu einem Martyrium werden. Oft wird zu spät gezielt behandelt. Nicht selten droht eine Amputation. Wie man das vermeiden kann.
von Andreas Kürten
mit Video
Omega-3-Fettsäuren mindern Infektionsrisiko
Erste Erfahrungen zeigen, dass mit Fischhaut vor allem hartnäckige Wunden besser und schneller abheilen. Die angefertigte Matrix des Kabeljaus enthält die für Fisch typischen Omega-3-Fettsäuren in besonders großer Menge. Sie wirken antibakteriell und verhindern Entzündungen. Wie genau die Wundheilung mit der Fischhaut funktioniert, wisse man noch nicht, sagt Martin Storck von der Klinik für Gefäßchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe.
Der exakte Mechanismus ist nicht hundertprozentig erforscht. Aber es werden intrazelluläre Vorgänge in Gang gesetzt, die die Zellteilung und die Wundheilung beschleunigen.
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Prof. Dr. Martin Storck, Gefäßchirurg
Die Fischmatrix ist genau genommen keine Wundauflage, sagt der Experte. Bei der Bildung neuer Haut wird sie durch das Einwandern eigener Hautzellen nach und nach ersetzt.
Die Idee, tierische Haut zur Heilung von Wunden einzusetzen, ist nicht neu. Wissenschaftler nennen ein Transplantat, bei dem der Spender einer anderen biologischen Spezies angehört, Xenograft. Bereits im 19. Jahrhundert wurde dazu die Haut diverser Tierarten verwendet.
Eine der ersten Fallstudien zur heilenden Wirkung von Fischhaut führten Forscher in Brasilien durch. Sie versorgten die Brandwunden eines Patienten mit Haut des Nil-Tilapia (Oreochromis niloticus), einem Speisefisch. Der Patient konnte die Klinik schon nach weniger als zwei Wochen verlassen.
Forscher aus Island hatten 2013 die Idee, nur die Fischmatrix zu verwenden, um die Gefahr von Abstoßungen und Infektionen zu mindern.
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Größere Studie belegt die Wirkung der Fischhaut
Erfolge zeigt die Behandlung mit Fischmatrix laut einer Studie nachweislich bei Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom. Dabei sei vor allem das Tempo der Wundschließung beeindruckend, erklärt Storck.
Manchmal reichen ein bis zwei Behandlungen, um die Wunde so zu aktivieren, dass sie schnell zuheilt.
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Prof. Dr. Martin Storck, Gefäßchirurg
In der multizentrischen europäischen Vergleichsstudie vom Oktober 2024 wurden die Wunden der Teilnehmer entweder mit Fischhautmatrix oder mit herkömmlichen Wundauflagen versorgt. Bei 44 Prozent der Patienten, die mit der Fischhaut behandelt wurden, galt die Wunde nach 16 Wochen als geheilt. Bei den Patienten, die mit dem Standardverfahren behandelt wurden, waren es nur 26 Prozent.
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Für welche Wunden sich die Therapie eignet
Fischhaut kann unter Umständen auch zur Behandlung von höhergradigen Brandwunden eingesetzt werden. Außerdem, wenn eine schwer heilende Wunde nach einer vierwöchigen Therapie entweder verzögerte Heilungstendenzen aufweist oder weniger als 40 bis 50 Prozent der Wunde zugeheilt sind. Eine Therapie mit Fischhaut erfolgt derzeit nur in spezialisierten Wundzentren.
Der Preis für eine Behandlung mit Fischhaut ist hoch, je nach Größe der Wunde kann sie pro Anwendung im drei- bis vierstelligen Bereich liegen. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen hierzulande derzeit nur auf Antrag. In anderen Ländern Europas, zum Beispiel in der Schweiz, werde die Therapie mit Fischhaut regelhaft erstattet. Auch in den USA setze man sie häufig ein, sagt Gefäßchirurg Martin Storck.
Quelle: dpa
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