Leben statt Leerstand:Wie wir unsere Innenstädte retten können
Innenstädte sind vielerorts austauschbar und leer - die Kommunen klamm. Kreative Initiativen und konsequente Verwaltungen machen vor, wie Städte wieder lebendig werden können.
Viele deutsche Innenstädte wirken wie Orte, die man lieber meidet. Woran liegt das? Fehlt es an politischem Willen, am Geld? Oder müssen wir selbst etwas für unsere Innenstädte tun?
09.06.2025 | 53:36 minLudwigshafen, Kassel, Pforzheim - wo befinde ich mich gerade eigentlich? Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Viele deutsche Innenstädte ähneln sich in ihrer Gestaltung so sehr, dass der konkrete Ort oft kaum noch erkennbar ist.
Was bleibt, ist ein Eindruck von Austauschbarkeit: funktionale Architektur, graue Fassaden, uniforme Einkaufszonen. Die individuelle Identität scheint vielerorts verloren gegangen zu sein. Oftmals kommt hinzu: leere Läden, wenig Leben.
Zu schneller Aufbau nach dem Krieg
Für die ZDF-Dokureihe "Am Puls" hat Christian Sievers zwischen Leerstand, Baustellen und Billigläden nach Orten für Begegnung und Lebensqualität gesucht.
In Ludwigshafen am Rhein klafft mitten im Zentrum eine riesige Baugrube - mittlerweile seit zehn Jahren, ein Sinnbild für den Zustand vieler Innenstädte.
Das war mal das Herz der Stadt. Da stand ein dreigeschossiges, rundes Kaufhaus. Das wurde abgerissen und seitdem haben wir jetzt dieses Loch. Und im August haben wir zehnjähriges Jubiläum.
Helmut van der Buchholz, Stadtführer in Ludwigshafen am Rhein
Ein Grund für den Zustand deutscher Städte: Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Viele Innenstädte wurden durch Bombenangriffe der Alliierten nahezu ausgelöscht. Nach dem Krieg musste der Wiederaufbau schnell gehen.
Fehlende Laufkundschaft und leere Kassen
Funktionalität statt Schönheit - so damals die Prioritätensetzung. Heute setzt den Städten der Boom des Online-Handels zu. Ihnen fehlen die Laufkundschaft und die Vielfalt der Schaufenster.
Und möchte eine Stadt anpacken, in ihren Marktplatz oder eine Initiative zur Stützung des Einzelhandels investieren, fehlt das Geld. Die Kommunen schlagen Alarm, die Gesamtverschuldung aller Städte wächst - obwohl sie sich in der Theorie gar nicht auf Dauer verschulden dürfen.
Sogenannte freiwillige Aufgaben wie Freizeitangebote in der Innenstadt oder das Anlegen von Parks sind für die meisten Städte immer schwieriger zu finanzieren.
2022: 135 Milliarden Euro
2024: 169 Milliarden Euro.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Viele Kommunen leiden unter finanzieller Belastung. Ein Beispiel ist Ludwigshafen am Rhein.
04.04.2025 | 1:46 minKonsequent auf Lebensqualität setzen
Was lässt sich tun, trotz dieser schlechten Voraussetzungen? Manchmal hilft der Blick ins Ausland. Santander im Norden Spaniens ist eine ehemalige Industrie- und Werftenstadt; die Bevölkerung ist überaltert. Doch die Stadt hat sich verändert - auch weil sie konsequent auf Lebensqualität für alle setzt.
Rolltreppen im Freien helfen älteren Menschen über die steilen Hügel, das Zentrum wurde für Fußgänger zurückerobert. Kleine Läden, günstige Preise, bezahlbare Cafés: In Santander findet Stadtleben statt - nicht für Touristen, sondern für die Menschen, die hier wohnen.
Ein Wahrzeichen dieser Wende ist das "Centro Botín": Ein futuristisches Kulturzentrum, gebaut mit privatem Geld, aber offen für alle.
Ein Magnet in Santander: das Centro Botín, ein futuristisches Kulturzentrum.
Quelle: ZoonarEinheimische zahlen einmalig vier Euro - und dürfen dann lebenslang kostenlos in jede Ausstellung. Früher wurde die Fläche als Parkplatz genutzt, heute ist sie ein wichtiger Treffpunkt der Stadt.
Innenstadtbelebung durch "Kleinstadtladys"
Ganz anders, aber genauso inspirierend: Borna in Sachsen, eine 20.000-Einwohner-Stadt südlich von Leipzig. Geld gibt es hier kaum - dafür Engagement.
Vier Frauen, die sich selbst die "Kleinstadtladys" nennen, haben angefangen, ihre Stadt selbst zu beleben. Mit Tauschbörsen in einem Parkhaus oder ihrem Social-Media-Kanal zur Bewerbung lokaler Händler.
Wir wollen für unsere Kinder und für uns selbst eine schöne Stadt haben.
Anne Teichmann von den "Kleinstadtladys"
Außerdem versuchen die "Kleinstadtladys", Eigentümer von leerstehenden Immobilien mit jungen Gründerinnen und Gründern zusammenzubringen.
Kleine Schritte, aber die "Kleinstadtladys" haben mittlerweile wieder mehr Leben in die verschlafene Innenstadt gebracht und erhalten für ihr Engagement Fördermittel von Bund und Land. Ob Geld, Engagement, oder unkonventionelle Ideen - die Innenstädte könnten von allem mehr brauchen.
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