Lagern von CO2 unter der Erde :Kein Bundesland sagt bislang "ja" zu CCS
Die Bundesregierung will das Lagern von CO2 unter der Erde (CCS) erlauben, den Bundesländern allerdings ein Veto einräumen. frontal hat nachgefragt, wer davon Gebrauch machen will.
Lange war die unterirdische CO2-Speicherung in Deutschland für die Industrie verboten. Ein neuer Gesetzentwurf sieht nun Lockerungen vor. Umweltverbände kritisieren das scharf.
02.09.2025 | 2:49 minDerzeit ist das Verpressen von CO2 unter der Erde in Deutschland noch verboten. Das aber will die Bundesregierung ändern. Denn die Wirtschaft macht Druck: Bestimmte Sparten, wie die Zementindustrie oder die Müllverbrennung, brauchen CCS um CO2-neutral zu produzieren. Denn ihre Emissionen sind zum Großteil prozessbedingt und lassen sich, rein technisch, gar nicht vermeiden.
Alexandra Decker, Vorstandsvorsitzende des Brandenburger Zementherstellers Cemex, erklärt gegenüber frontal:
Wenn wir vollständig dekarbonisieren müssen, sind wir auf CCS angewiesen, sonst ist es vorbei.
Alexandra Decker, Brandenburger Zementhersteller Cemex
Das Bundeskabinett hat nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die sogenannte CCS-Technik auch im industriellen Maßstab erlaubt. Dabei unterscheidet sie zwischen der Speicherung unter dem Meer (Offshore) und an Land (Onshore). Und beides birgt seine Tücken.
CCS steht für Carbon Capture and Storage und ist ein Prozess, bei dem CO2 an Emissionsquellen, wie bspw. Kraftwerken oder Industrieanlagen, abgeschieden, über Pipelines transportiert und anschließend tief in unterirdischen Gesteinsschichten gespeichert wird. Damit es dort auch langfristig bleibt und nicht wieder in die Atmosphäre gelangt, kommen vor allem tiefe Sandsteinschichten unter Barrieregesteinen, etwa aus Ton, in Frage. Ist die Lagerstätte unter Wasser, spricht man von "Offshore"-Speicherung. Unter Land heißt es "onshore".
CCU hingegen steht für Carbon Capture and Utilization und meint die Abscheidung und Nutzung von CO2 als Rohstoff für die Herstellung neuer Produkte, wie zum Beispiel Kunststoffe.
Geologe: Nordsee völlig verplant
Der Geologe Klaus Wallmann vom Helmholtz-Institut in Kiel forscht seit 15 Jahren zur CO2-Speicherung im Meer. Die Technik sei ausgereift und sicher. "CO2 ist völlig ungiftig. Selbst wenn es zu Leckagen kommt, sind die Schäden gering." Das Problem sei ein anderes:
Womit ich vorher nicht gerechnet habe, ehrlich gesagt ist, dass die Nordsee so intensiv genutzt ist. Windkraft, Schifffahrtsstraßen, Naturschutzgebiete, mir war nicht klar, dass eigentlich alles schon verplant ist.
Klaus Wallmann, Helmholtz-Institut in Kiel
Bliebe als Alternative die Verpressung von CO2 an Land. Das wäre auch deutlich günstiger als unter dem Meer. Die Bundesländer sollen dabei mitentscheiden, ob bei ihnen CO2 verpresst werden darf.
Eine Mülldeponie für CO2 unter der Nordsee bietet das CCS-Pilotprojekt in Norwegen. Dabei wird das verflüssigte CO2 durch Tanks und 100 Kilometer Pipeline 2.600 Meter tief in den Grund gepumpt.
23.10.2024 | 2:04 minfrontal-Abfrage: Kein Bundesland zu CCS bereit
Problem hier: Daran haben sie allem Anschein nach wenig Interesse. ZDF frontal hat bei allen 16 Bundesländern nachgefragt, wer CCS auf eigenem Gebiet zulassen würde. Ergebnis: Kein einziges Bundesland erklärt sich dazu bereit.
Berlin, Sachsen, das Saarland und Hessen finden CCS zwar richtig, sehen auf ihrem Gebiet aber keine passenden Speicherstätten. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die mit Abstand größten Kapazitäten für CCS liegen, sagen ebenfalls "nein". Auch Schleswig-Holstein und Brandenburg lehnen Onshore-CCS ab.
Brandenburg: "Sorgen ernst nehmen"
Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) betont zwar gegenüber frontal, "dass CCS die Chance und die Möglichkeit ist, auch gut bezahlte Industriearbeitsplätze im Land Brandenburg zu halten". Er plädiert jedoch für eine Speicherung im Meer.
Ich glaube, die Sorgen und Ängste, was Speicherung von CO2 angeht, muss man auch ernst nehmen.
Daniel Keller, Brandenburgs Wirtschaftsminister
"Das waren auch große Diskussionen in den Nullerjahren hier in Brandenburg", erläutert der SPD-Politiker. "Und dementsprechend glaube ich, müssen wir hier auch ein bisschen entkräften und sagen, es geht uns um den Transport über Pipelines zum Meer."
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Die anderen Bundesländer haben sich noch nicht endgültig entschieden, sind aber überwiegend skeptisch. "Wir haben in Thüringen durchaus ehemalige Erdgasförderstätten, die sich vielleicht eignen würden", erklärt Tilo Kummer (BSW), Umweltminister von Thüringen, im frontal-Interview.
"Fakt ist, dass die Unternehmen gezwungen werden, auf einen hohen CO2-Preis zu reagieren", sagt Kummer, "und deshalb schließen wir es grundsätzlich nicht aus. Aber ich sehe es wirklich als eine Ausnahme".
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Letzter Ausweg könnten also Pipelines Richtung Nordsee sein, über die CO2 transportiert und dann in großen Lagerstätten etwa in Norwegen oder Großbritannien verpresst wird.
Tilo Kummer will auch daran nicht glauben: "Wir haben wahnsinnig viele Anforderungen bezüglich der Transformation der Energieerzeugung, allein der Netzumbau. Deshalb glaube ich nicht, dass wir ein paralleles CO2-Gasnetz aufbauen können."
Scarlett Sternberg ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Niedersachsen in Hannover. Michael Strompen ist Reporter bei ZDF frontal.
Das Bundeswirtschaftsminsterium schreibt auf frontal-Nachfrage:
"Das Gesetz ermöglicht insbesondere den Bau von Leitungen zu wichtigen Knotenpunkten, um deutschen Unternehmen den Zugang zu europäischen Speicherprojekten zu sichern. Wir gehen davon aus, dass die großen Netzbetreiber alsbald mit dem Bau der ersten Pipelines zum Abtransport von Kohlendioxid beginnen werden. (...)
Gleichzeitig wird auch der Bau von deutschen CO2-Speichern in der ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. auf dem deutschen Festlandsockel ermöglicht. Trotz der Nutzungskonkurrenz gibt es potenzielle Speicherplätze, die in einem nächsten Schritt durch Unternehmen auf ihre Geeignetheit zur dauerhaften und sicheren Speicherung von CO2 weiter exploriert werden können. Die Bundesländer haben es in der Hand, über eine opt-in-Lösung die Onshore-Speicherung und auf diesem Weg den Hochlauf der CCU/S-Wirtschaft zu ermöglichen."
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