Sowjetischen Diktator: Stalin feiert unter Putin ein Comeback
Sowjetischer Diktator:Warum Stalin unter Putin ein Comeback feiert
von Felix Klauser
|
Eine Stalin-Statue in Moskau sorgt für Diskussionen. Es ist nicht das einzige Denkmal für den einstigen Diktator, das jüngst in Russland errichtet wurde. Protest? Unerwünscht.
In Russland ist die Meinung zu Stalins Vermächtnis gespalten. Die Gräueltaten werden verdrängt, sein Erbe glorifiziert.03.07.2025 | 9:08 min
Wer in der Moskauer Metro an der Station "Taganskaya", nicht weit vom Kreml, von Linie 5 in Linie 7 umsteigt, könnte eine Überraschung erleben. In der prunkvollen U-Bahn-Station, mit schweren Leuchtern und kunstvoll verzierten Wänden, gibt es seit Kurzem einen weiteren Hingucker: Josef Stalin - überlebensgroß.
Der sowjetische Diktator, dargestellt in einem Relief, wurde zum 90. Geburtstag der Metro enthüllt. Das sorgt seitdem für Diskussionen - und für manch bewundernden Blick.
Er ist unser Führer. Er hat uns in die Zukunft geführt. Ich bin sehr zufrieden damit.
„
Alexej, Metro-Fahrer
Immer mal wieder macht jemand am Denkmal halt, legt Blumen nieder, schießt ein Selfie. Die Denkmäler Stalins wurden in der Sowjetunion einst abgebaut, heute werden in Russland neue errichtet.
Galina, die wir vor dem Denkmal treffen, findet das völlig richtig: "Es werden bestimmt noch weitere Stalin-Denkmäler enthüllt", meint sie, "und das ist gut. Wer seine Vergangenheit vergisst, hat keine Zukunft." Dann legt auch Galina eine Blume nieder und setzt ihre Metro-Fahrt fort.
Viele Russen gedenken der Millionen Opfer des Stalinismus. In Putins Russland werden solche Veranstaltungen immer häufiger verboten.30.10.2024 | 4:18 min
Gulag-Museum seit Monaten geschlossen
Mit der Erinnerung an die Vergangenheit ist es in Russland allerdings so eine Sache, insbesondere wenn es um Stalin und die Gräueltaten des Diktators geht. Millionen Menschen wurden in der Zeit des "Großen Terrors" unter Stalin verfolgt, ermordet und in den Gulags inhaftiert.
An die berühmt-berüchtigten Gefängnisse hat jahrelang das Moskauer "Gulag-Museum" erinnert. Mittlerweile ist es seit Monaten geschlossen. Offiziell heißt es: wegen Brandschutzmängeln.
Jan Raczynski kennt sich aus mit Stalin. Seit 35 Jahren arbeitet er für "Memorial International", Russlands älteste Menschenrechtsorganisation. Diese kümmerte sich um die Aufarbeitung des Terrors unter Stalin, erhielt für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis. Mittlerweile ist sie in Russland verboten. Raczynski sagt:
Das alles ist ein Kampf um das Ansehen des Staates. Es geht darum, dass der Staat in keiner Weise schuldig erscheint.
„
Jan Raczynski, Leiter "Memorial International" 2018-2021
Die kleinste Kritik am Ukraine-Krieg kann in Russland den Weg hinter Gitter bedeuten. Ob Ärzte, Priester, Lehrer oder Schüler - das Denunziantentum kann jeden treffen. 31.07.2024 | 13:51 min
Raczynski beobachtet seit Jahren, wie sich der Blick auf die Stalin-Zeit verändert und wie die Erinnerung an die Repressionen zunehmend verdrängt wird. Dabei gehe es eigentlich, sagt er, um etwas Größeres als den Diktator selbst.
"Die Regierung versucht nicht, Stalin wiederherzustellen. Die Regierung versucht, den Staat reinzuwaschen", sagt der ehemalige Memorial-Leiter. Ein Staat, der über allem stehe, unfehlbar sei: Das sei der Kern der heutigen Ideologie unter Wladimir Putin. Die Erinnerung an die Verbrechen unter Stalin, meint Raczynski, passten da natürlich schlecht ins Bild.
Deshalb stößt die Arbeit des Gulag-Museums, von Memorial, von denen, die die Geschichte ohne Schönfärberei zeigen wollen, auf Ablehnung.
„
Jan Raczynski, Leiter "Memorial International" 2018-2021
Stattdessen stehen Stalins militärische Erfolge immer mehr im Fokus der Erinnerung, insbesondere der Sieg über Nazi-Deutschland. Den beging Russland dieses Jahr zum 80. Mal - und der Name des Reliefs in Moskaus Metro passt dazu: "Dankbarkeit des Volkes gegenüber dem Führer und Kriegsherrn".
Verleger Felix Sandalov unterstützt mit der Stiftung Straight/Forward Exil-Autoren und Journalisten, die investigativ über Russland recherchieren.15.04.2025 | 6:33 min
Protest verboten - offiziell wegen Corona-Auflagen
Die liberale Oppositionspartei "Jabloko" wollte jüngst mit einer Serie von Mahnwachen vor dem Denkmal protestieren. Doch der Protest wurde untersagt, offiziell wegen Corona-Vorschriften, obwohl Covid-19 sonst auch in Russland kaum noch eine Rolle spielt. Zu der Entwicklung sagt Maxim Kruglow von der Jabloko-Partei
Die Rückkehr der Symbole des Stalinismus nach Moskau ist eine Verspottung der Geschichte, eine Verhöhnung der Nachkommen der Unterdrückten.
„
Maxim Kruglow, Jabloko-Partei
Offener Protest gegen das Denkmal ist in Russland dieser Tage nicht möglich. Blumen niederlegen darf man noch. Und manch Moskauer Metrofahrer macht davon Gebrauch. Tag für Tag liegen Blumen zu Stalins Füßen. Vielleicht aus Ehrfurcht vor dem Diktator oder doch als stille Erinnerung an seine Opfer?
Felix Klauser berichtet über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.