Mega-Wahl in größter Demokratie:Indien wählt: Eine Milliarde Wahlberechtigte
|
Sechs Wochen lang, über eine Million Wahllokale: Ab heute wählt Indien ein neues Parlament und mit ihm einen neuen Premierminister. Ein Mega-Projekt.
Die Wahl in Indien ist ein logistisches Mega-Projekt: Fast eine Milliarde Wahlberechtigte sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Ab dem 19. April wählen die Bürger sechs Wochen lang in sieben Phasen ein neues Parlament und den Premierminister. Bis in die entlegensten Provinzen müssen fünfeinhalb Millionen Wahlmaschinen transportiert werden. Wahlhelfer werden dazu Wüsten, Flüsse und Gletscher durchqueren. Laut indischen Medien werden über eine Million Wahllokale eingerichtet. Allein 18 Million Jungwähler haben zum ersten Mal die Möglichkeit, die Zukunft Indiens mitzubestimmen.
Modis Politik des "Hindus First" sei in der Bevölkerung Indiens sehr beliebt, sagt sein Biograf Nilanjan Mukhopadhyay in einem Gespräch mit dem ZDF. Modi sei der Ansicht, dass es in einem Land mit einer Hindu-Mehrheit den Hindus vorbehalten sei, die politische und kulturelle Realität zu gestalten, so Mukhopadhyay. Moslems und Christen seien zwar willkommen, müssten sich aber der hinduistischen Kultur unterordnen.
Kurs von Premier Modi: "Hindus First"
Die Partei des amtierenden Premierministers Narendra Modi, die BJP, setzt auf einen stark hindu-nationalistischen Kurs. Oppositionspolitiker befürchten, dass die BJP nach einer Wiederwahl sogar die Verfassung ändern könnte, um diesen auch dort zu verankern. Über 80 Prozent der Inder sind Hindus.
Religiöse Minderheiten fühlen sich zunehmend an den Rand drängt. Mehr als 200 Millionen Muslime leben in Indien. Erst Anfang des Jahres weihte Modi mit pompösen Feierlichkeiten in Ayodhya einen hinduistischen Tempel ein - errichtet auf den Ruinen einer fast 500 Jahre alten Moschee, die 1990 von Hindunationalisten gestürmt und zerstört worden war. Den "heiligen Boden" widmete er dem Hindu-Gott Ram. Es sind Aktionen wie diese, die das Unbehagen und die Ängste in der muslimischen Bevölkerung nähren.
Modi punktet mit starker Wirtschaft
Wirtschaftlich kann Modi punkten: In seinen letzten beiden Amtsperioden verzeichnete das Land ein starkes Wirtschaftswachstum. 2022 wuchs Indiens Bruttoinlandsprodukt laut Weltbank um 7,2 Prozent. Zum Vergleich: In China waren es im gleichen Jahr nur 3,0 Prozent.
Laut Prognose der Investmentbank Morgan Stanley wird Indiens Wirtschaft weiter rapide wachsen und 2027 als weltweit drittgrößte Wirtschaftsmacht Japan und Deutschland überholen. An diese Erfolge will Modis BJP anknüpfen. Sie verspricht, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Startups zu fördern sowie die Infrastruktur und Sozialhilfe auszubauen..
Korruptionsvorwürfe gegen Opposition
Die größte nationale Oppositionspartei, der Indian National Congress, wird angeführt von Rahul Ghandi, Familienmitglied der politischen Nehru-Ghandi-Dynastie. Seit der Unabhängigkeit des Landes stellte die liberal ausgerichtete Partei sechs der vierzehn Premierminister.
Nachdem sie bereits die letzten zwei Wahlen deutlich gegen die BJP verloren hatte, tritt sie auch bei dieser Wahl geschwächt an. Die Steuerbehörden hatten die Partei zu einer Strafzahlung von umgerechnet knapp 15 Millionen Euro aufgefordert und sämtliche Konten über Monate eingefroren - angeblich weil die Partei Steuererklärungen zu spät eingereicht hat.
Arvind Kejriwal, Chef der Aam Aadmi Partei, die ein Wahlbündnis mit dem Indian National Congress eingegangen ist, wurde kurz vor der Wahl wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Die Opposition wirft der BJP vor, die Vorwürfe erfunden zu haben.
Wenn die BJP diese manipulierten Wahlen gewinnt und dann die Verfassung ändert, dann wird das ganze Land in Flammen stehen.
Rahul Gandhi, Oppositionspolitiker
Modi gilt als klarer Favorit bei der Wahl, deren Ergebnisse am 4. Juni bekanntgegeben werden sollen. Klar ist, es wird eine Richtungswahl, die Indiens Zukunft nachhaltig beeinflussen wird. Und damit das auch das Geschehen über Indiens Landesgrenzen hinaus.
Thema
Mehr zum Thema Indien
mit Video
Ziel bargeldlose Volkswirtschaft:Indien revolutioniert den Zahlungsverkehr
Johannes Hano, Singapur
Nächste Weltraummission:Indien schickt Forschungs-Sonde zur Sonne
Exklusiv
Inder kämpfen in Putins Armee:Rekrut: "Wer nicht mitmacht, wird geschlagen"
von Arndt Ginzel, Nils Metzger