Interview
Europaweite Untersuchung:Zu viel Verkehrslärm: Jeder Fünfte betroffen
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Weit mehr als 100 Millionen Menschen in Europa müssen mit Verkehrslärm klarkommen, der über den Grenzwerten liegt. Die Europäische Umweltagentur warnt vor den Folgen.
Mehr als jeder fünfte Europäer ist einem Report zufolge ungesund starkem Verkehrslärm ausgesetzt. Schätzungsweise 112 Millionen Menschen in 31 analysierten Ländern müssten mit von Straßen-, Bahn- und Flugverkehr verursachtem Lärm fertig werden, der über den Schwellenwerten der Europäischen Union liegt. Das schreibt die Europäische Umweltagentur EEA in einem neuen Bericht. Solche Lärmbelastung sei sowohl für die menschliche Gesundheit schädlich als auch für Umwelt und Wirtschaft.
Die Experten monieren dabei zu geringe Fortschritte beim Lärmschutz. Eigentlich hat die EU das Ziel, die Zahl jener Menschen, die durch Verkehrslärm chronisch beeinträchtigt werden, bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Ohne zusätzliche Maßnahmen sei das wahrscheinlich nicht zu erreichen, warnt die EEA.
Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene müsse stärker gegen das Problem vorgegangen werden, etwa durch einen besseren Zugang zu ruhigen und grünen Flächen in Städten.
26 Prozent der Menschen in Deutschland betroffen
Der Bericht umfasst im Jahr 2021 erhobene Daten aus 31 EEA-Mitgliedstaaten - dazu zählen neben den 27 EU-Ländern außerdem noch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.
In Deutschland müssen dem Bericht zufolge schätzungsweise fast 22 Millionen Menschen (26 Prozent der Bevölkerung) mit Lärm jenseits des Schwellenwertes von 55 Dezibel klarkommen.
Dafür wurden Lärmpegel des ganzen Tages berücksichtigt. Zudem gab es eine zweite Auswertung nur für die Nacht, mit einem Schwellenwert von 50 Dezibel. Dieser wurde bei fast 15 Millionen Menschen (18 Prozent) überschritten.
Lärm auf Platz drei der Gesundheitsgefahren
Verkehrslärm ist damit laut Bericht auf Platz drei der umweltbedingten Gesundheitsgefahren in Europa, hinter Luftverschmutzung und temperaturbedingten Faktoren. Als Hauptquelle der Lärmbelästigung haben die Experten dabei den Straßenverkehr ausgemacht, besonders denjenigen in dicht besiedelten städtischen Gebieten.
Obwohl Schienen- und Fluglärm insgesamt weniger Menschen betreffen, bleiben sie bedeutende lokale Lärmquellen, insbesondere in der Nähe großer Bahnverkehrskorridore und Flughäfen.
EEA
Die langfristige Belastung durch Verkehrslärm wird nach EEA-Angaben mit einer breiten Palette an negativen Gesundheitsfolgen in Verbindung gebracht, darunter sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychische Erkrankungen, Diabetes und sogar vorzeitige Todesfälle. Besonders Kinder und Jugendliche sind demnach anfällig für die Folgen des Lärms, der zum Beispiel zu Leseschwächen, Verhaltensauffälligkeiten und Fettleibigkeit beitragen könne.
Die Folgen der Lärmbelastung gehen dem Bericht zufolge aber auch über die menschliche Gesundheit hinaus: Lärm wirke sich auch auf die Tierwelt an Land und unter Wasser aus, hinzu kämen mit Krankheiten und Gesundheitsproblemen verbundene hohe wirtschaftliche und soziale Kosten.
Pro Jahr verursache die verkehrsbedingte Lärmbelästigung in Europa den Verlust von 1,3 Millionen gesunden Lebensjahren, was jährlichen Kosten von mindestens 95,6 Milliarden Euro entspreche.
Quelle: dpa
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