Salman Rushdie veröffentlicht neues Buch: "Die elfte Stunde"

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Autor veröffentlicht neues Buch:"Die elfte Stunde": Rushdies Annäherung an den Tod

Kamran Safiarian

von Kamran Safiarian

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Es ist sein erstes Belletristik-Werk seit dem Anschlag: In "Die elfte Stunde" reflektiert Salman Rushdie erzählerisch das Thema Tod - und spart nicht an Seitenhieben gegen Trump.

Salman Rushdie liest in seinem Buch "Die elfte Stunde"

In seinem neuen Buch reflektiert der Autor Salman Rushdie über das Altwerden und den Tod. Wie begegnen Menschen der letzten Lebensphase? Nehmen sie sie an oder lehnen sie sie ab?

11.11.2025 | 3:43 min

Er wirkt müde, als wir Salman Rushdie in seinem Verlag "The Wylie Agency" in New York zu einem Interview treffen. Der britisch-indische Autor trägt eine einseitig dunkle Brille, die vom schrecklichen Attentat zeugt, das der 78-Jährige nur knapp überlebte.

Im August 2022 hatte während einer Literaturveranstaltung im US-Bundesstaat New York der Attentäter Hadi Matar mehrmals auf Rushdie eingestochen. Rushdie überlebt schwerverletzt, verliert ein Auge. "Nun ja, es ist schwer, ein Auge zu verlieren", sagt er. "Ich denke jeden Tag daran."

Man wacht morgens auf und hat nur noch ein Auge. Kein schönes Gefühl. Man muss das Beste daraus machen, was das Leben einem zumutet.

Salman Rushdie

Reflektion über das Altern und den Tod

Und so verwundert es auch nicht, dass sein neues Buch "Die elfte Stunde" auch eine Reflektion über das Leben, das Altern und den Tod ist. Die großen Stationen in Salman Rushdies Leben bilden auch die Schauplätze seines Erzählungsquintetts. Bombay, wo er aufwächst, Cambridge, wo er studiert und die USA, wo er bis heute lebt.

Salman Rushdie im ZDF-Morgenmagazin

"Jemanden zu töten, ist der Versuch, diese Stimme zum Schweigen zu bringen" - gleichzeitig sei Sprache "mein Messer, die Waffe, mit der ich mich wehren konnte", sagt der Autor Salman Rushdie.

15.05.2024 | 5:57 min

Teils fiktiv, teils autobiographisch erzählt er Geschichten einer begnadeten Musikerin, die sich mit ihrer Magie an ihrem neureichen Ehemann rächt oder dem Geist eines Dozenten in Cambridge, der sich an seinem Peiniger rächen möchte.

Rushdie stellt dabei existenzielle Fragen: wie geht man mit der elften Stunde, der letzten Phase des Lebens, um? Wie begegnen wir dem Tod, nehmen wir ihn an oder lehnen wir ihn ab? Rushdies Antwort mutet philosophisch an:

Niemand auf der Welt kennt das Ende seiner eigenen Geschichte. Weil es noch nicht geschehen ist. Und wir es auch nicht wissen, wenn es geschieht.

Salman Rushdie

Salman Rushdies "Knife"

Weltweit erscheint das Buch "Knife" von Salman Rushdie. Darin hat der Autor das Attentat auf ihn vor zwei Jahren verarbeitet.

16.04.2024 | 2:35 min

Rushdie: Tod kann "Gefühl des Versagens sein"

"Manchmal führt der Gedanke an das eigene Ende zu großartigen Leistungen, manchmal aber auch zu Depressionen und Lähmung. Es ist ein sehr komplexes Thema, mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen: Nämlich der Frage - wie passen wir uns dem an oder nicht?", sagt Rushdie.

Auf die Frage, ob man am Scheideweg zwischen Leben und Tod glücklich oder unglücklich sei, den Tod annehme oder ablehne, antwortet Rushdie mit den Worten: "Wenn man im Laufe seines Lebens nicht das Erhoffte erreicht hat, dann kann der Tod ein Gefühl des Versagens sein. Wenn man aber ein sehr erfülltes Leben hatte, dann kann der Tod ein positiver Gedanke sein wie: 'Okay, ich hatte ein gutes Leben'."

Rushdie betont, dass er selbst in vielerlei Hinsicht genau das Leben geführt habe, das er sich gewünscht habe.

Ich wollte immer Schriftsteller werden. Es war das Einzige, was ich je wollte.

Salman Rushdie

Salman Rushdie, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels

Salman Rushdie erhielt im Oktober 2023 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

20.10.2023 | 14:30 min

Rushdie: "Vertrauen in demokratische Institutionen gesunken"

Rushdie entführt seine Leser nach Long Island, wo ein junger Schriftsteller einen verschwundenen Kollegen sucht. Er beschreibt darin - angelehnt an Franz Kafkas "Amerika" - eine totalitäre, korrupte Welt, die man auch als versteckte Kritik an Trumps Amerika deuten könnte.

Ich denke, dass das Vertrauen der Menschen in demokratische Institutionen auf der ganzen Welt und über Generationen hinweg gesunken ist.

Salman Rushdie

"Und deshalb sind die Menschen Opfer aller möglichen anderen Kräfte geworden, wie Sektierertum, Demagogie und Autoritarismus", führt Rushdie aus und zeichnet dabei kein gutes Bild der derzeitigen Gesellschaften.

"In Amerika haben wir eine besonders dramatische und clowneske Version davon", so sein Seitenhieb auf die Regierung von US-Präsident Donald Trump.

Präsident Donald Trump hält eine Darstellung des neuen Ballsaals im Weißen Haus in den Händen, während er sich mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte trifft.

Ein Jahr Donald Trump: Seine Politik spaltet die USA, verändert die Welt und verliert an Rückhalt.

29.10.2025 | 6:41 min

Rushdie: Rechte Demagogen haben "Kultur als Feind"

Die Proteste auf Amerikas Straßen geben ihm Recht. Rushdie fordert Kunstfreiheit statt Denkverboten, Zensur und Fake. Und warnt vor einem Kulturkampf: "Wo immer diese rechten Demagogen, Populisten und autoritären Figuren auftauchen, ist die Kultur ihr Feind. Die Kultur im weitesten Sinne, angefangen bei Universitäten, Literatur, Musik, die breite Manifestation der Kultur. Das ist ihr erklärter Feind.

In seinem Buch "Die elfte Stunde" vergegenwärtigt Rushdie die Vergänglichkeit, bricht das Tabuthema Altern und Tod auf. Zugleich ist es Rushdies erstes Belletristik-Werk seit dem Anschlag auf sein Leben - und damit auch sein Weg zurück in die Normalität, in die Gegenwart des Schreibenden.

Salman Rushdie , 1947 in Bombay geboren, ging mit vierzehn Jahren nach England und studierte später in Cambridge Geschichte. Mit seinem Roman "Mitternachtskinder", für den er den Booker-Prize erhielt, wurde er weltberühmt. 2023 wurde Rushdie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Für den Roman "Die Satanischen Verse" wurde er 1989 in einer Fatwa vom damaligen iranischen Revolutionsführer Chomeini zum Tode verurteilt, was ihn für viele Jahre in die Isolation zwang.

2022 wurde er bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt und verlor ein Auge. Im Mai 2025 wurde der Attentäter Hadi Mata zu 25 Jahren Haft verurteilt.


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