Erste Hilfe für die Psyche: Mehr Unterstützung für Betroffene
Kurse für frühe Unterstützung:Wie Erste Hilfe für die Psyche geht
von Melanie Strobl
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Die Zahl der Menschen, denen es psychisch schlecht geht, hat zugenommen. Wie Betroffenen frühzeitig geholfen werden kann, wollen Erste-Hilfe-Kurse für die Psyche vermitteln.
Offen ansprechen und auf Hilfsangebote verweisen: Wie man Menschen, denen es psychisch schlecht geht, am Besten hilft. (Symbolbild)
Quelle: PantherMedia
Indra ist mit einer schizophrenen Mutter aufgewachsen, Susanne hat einen Freund durch Suizid verloren und Claudia kennt depressive Menschen aus ihrem Freundeskreis. Sie alle haben Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen gemacht - wussten aber lange nicht, wie man mit Betroffenen richtig umgeht.
Auch deshalb haben sie sich für einen "Erste-Hilfe-Kurs für die psychische Gesundheit" angemeldet. Hier lernen Teilnehmende nicht nur Grundwissen über psychische Störungsbilder wie etwa Depression, Angststörungen oder Psychosen, sondern auch, wie man diese frühzeitig erkennt und Betroffenen als Laie helfen kann.
Knapp 18 Millionen Betroffene
Immer mehr Menschen in Deutschland geht es psychisch schlecht. Rund jede vierte erwachsene Person in Deutschland ist im Laufe eines Jahres von einer psychischen Erkrankung betroffen. Insgesamt sind es laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) etwa 18 Millionen Menschen. Die meisten von ihnen leiden unter Angststörungen.
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Indra kennt die Probleme. Seit 27 Jahren arbeite sie schon als Führungskraft - den betrieblichen Ersthelfer für körperliche Unfälle habe sie noch nie gebraucht, erzählt sie:
Was ich aber sehr häufig habe, sind Begegnungen mit Menschen, die nicht unbedingt gleich eine psychische Erkrankung haben, aber die in einem Down sind, die Hilfe brauchen.
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Indra
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Frühe Hilfe bei psychischer Belastung sehr wichtig
Und je früher diese Hilfe kommt, desto eher kann verhindert werden, dass sich psychische Belastungen verstärken oder zu dauerhaften Erkrankungen entwickeln, erzählt Dr. Christina Jochim. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV).
Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit helfen dabei, zu entstigmatisieren, zu informieren und Wissen über professionelle Unterstützung zu vermitteln.
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Dr. Christina Jochim, stellvertretende Bundesvorsitzende DPtV
Allerdings dürfe man als Laie auch seine eigenen Grenzen und Belastungen nicht überschätzen, so Jochim. Ein zertifiziertes Programm bei Erste-Hilfe-Kursen für die psychische Gesundheit sei daher wichtig.
Ein Beispiel dafür ist das MHFA-Programm. MHFA steht für "Mental Health First Aid" und wurde ursprünglich in Australien entwickelt. Das wissenschaftlich fundierte Konzept wird mittlerweile in 29 Ländern umgesetzt. Irene Rah bietet über das Programm Kurse in München an.
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Wie kann Betroffenen geholfen werden?
Laut Rah ist ein erster Schritt, um Betroffenen zu helfen, dass man aktiv anspricht, wenn man bemerkt, dass sie belastet sind oder sich verändert haben. Wichtig dabei: die Person nicht zu bewerten und "W-Fragen" zu stellen. Zum Beispiel: Wie lange geht es dir schon nicht gut? Oder: Was hat dir in der Vergangenheit geholfen, wenn es dir nicht gut ging?
Daraufhin könne man auch niedrigschwellige Angebote machen, sagt Rah. Zum Beispiel auf den Krisendienst verweisen. Dort kann man anonym und kostenlos anrufen, wenn es einem schlecht geht.
Viele denken, sie müssen es alleine schaffen. Und da einfach da zu sein und zu sagen: Nein, musst du nicht.
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Irene Rah, MHFA-Programm
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Es gebe viele Möglichkeiten für Betroffene und auch der oder die Helfende sei eine Unterstützung. Diese Erkenntnis sei sehr wichtig, so Rah weiter.
Susanne nimmt aus dem Kurs viel mit. Sie erinnert sich an den Tag, an dem ihr Freund eine Spielzeugkiste für ihre Kinder vorbeibrachte. Sie habe sich gewundert, erzählt sie - aber er meinte, er brauche das nicht mehr. "Ich habe einfach nicht verstanden, dass er Ordnung schafft in seinem Leben, um es dann auch zu beenden", sagt Susanne heute. Diese Anzeichen zu erkennen und ihm die richtige Unterstützung anzubieten, hätte sie gerne früher gewusst.
Es gibt Hilfe, auch in scheinbar ausweglosen Situationen. "Ich weiß nicht mehr weiter", "Ich kann nicht mehr": Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie unbedingt, mit jemandem darüber zu sprechen - egal, ob Familie, Freunde oder Menschen, die sich auf diese Themen spezialisiert haben.