Essstörungen: Vor allem Mädchen immer häufiger betroffen

Soziale Medien verantwortlich:Immer mehr Mädchen leiden unter Essstörungen

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Laut einer Krankenkasse leiden immer mehr Menschen unter einer Essstörung - vor allem Mädchen zwischen 12 und 17. Das habe insbesondere mit den sozialen Medien zu tun.

Berlin: Eine junge Frau legt ein Maßband um ihren Bauch.
Gerade der Zwang zur Selbstoptimierung, der in den sozialen Medien vorherrscht, sorgt laut der Krankenkasse KKH bei vielen für eine Essstörung.
Quelle: dpa

Alles für den angeblich makellosen Körper: Insbesondere der Trend zur Selbstoptimierung auf Social-Media-Plattformen führt einer Krankenkasse zufolge zu massiv steigenden Zahlen von Essstörungen vor allem unter Mädchen und jungen Frauen.
Besonders unter 12- bis 17-jährigen Mädchen stieg die Zahl der Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating - krankhaften Essanfällen. Sie kletterte hier vom Vor-Corona-Jahr 2019 bis 2023 von 101 auf 150 Fälle je 10.000 Versicherte, wie die KKH Kaufmännische Krankenkasse mitteilt. Das sei ein Plus von fast 50 Prozent - in keiner anderen Gruppe sei der Anstieg derart deutlich.
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Psychologin: Gerade junge Menschen für fragwürdige Ideale anfällig

Die boomende Selbstoptimierung-Szene und fragwürdige Ideale könnten besonders bei Heranwachsenden zu einem verminderten Selbstwertgefühl und sogar zu psychischen Erkrankungen wie Essstörungen führen, warnt die Kasse.
"In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können solche übersteigerten Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden", sagt die KKH-Psychologin Franziska Klemm. Sie warnt:

Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen.

Franziska Klemm, Psychologin

Für die Untersuchung wertete die Krankenkasse die Daten eigener Versicherter aus den Jahren 2019 bis 2023 aus. Basis seien rund 1,66 Millionen KKH-Versicherte im Jahr 2023, darunter seien rund 90.300 Mädchen und Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die KKH hat nach eigenen Angaben derzeit rund 1,5 Millionen Versicherte.
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Insbesondere junge Frauen betroffen

Besonders anfällig sind nach Einschätzung der Psychologin Mädchen - die von derartigen Videos nicht nur direkt angesprochen würden, sondern sich auch mehr mit sich selbst beschäftigten als Jungen. Sie verglichen sich häufiger in sozialen Medien und verspürten einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen. Außerdem sei vielen nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert sei.
Bei den gleichaltrigen Jungen dagegen stagnierte den Angaben zufolge die Zahl der Betroffenen beinahe - registriert wurde ein Plus von gut vier Prozent oder ein Anstieg von 34 auf 36 Fälle je 10.000 Versicherte.
Unter den 18- bis 24-jährigen Frauen stellt die Kasse einen Anstieg um 25,1 Prozent fest, insgesamt stieg die Zahl der betroffenen Frauen um 10,4 Prozent. Laut Hochrechnung der Versicherung hatten 2023 fast 460.000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung - 7,5 Prozent davon waren Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren.
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Vermeintliche Makel "Cortisol Face" und "Toebesity"

In zahllosen Videos erzählten schlanke Frauen von ihrer "Reise zum Idealkörper", gleichzeitig prangere eine "virtuelle Beauty-Polizei" vermeintliche Schönheitsmakel wie runde, volle Gesichter ("Cortisol Face") oder gar übergewichtige große Zehen ("Toebesity") an, warnt die Kasse.
"Aufklärung allein hilft da nicht", betonte Klemm. Wirksamer sei es, ein positives Selbstbild zu fördern und den kritischen Umgang mit Schönheitsidealen zu stärken: "Das alles schützt nachweislich vor der Entwicklung einer Essstörung." Neben der Teilnahme an Präventionsprogrammen könnten Jugendliche selbst viel tun, sagte Klemm:

Wichtig ist, sich der Diskrepanz zwischen geschönten Online-Darstellungen und der Realität bewusst zu werden. Ganz konkret heißt das, rauszugehen und zu schauen, wie die Menschen wirklich sind.

Franziska Klemm, Psychologin

Und: Eine Strategie sei ein sensiblerer Umgang mit sozialen Netzwerken - also: weniger Zeit damit verbringen und Social-Media-Pausen einlegen.
Quelle: dpa

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