Atomwaffen zerstören ohne Super-GAU | Terra-X-Kolumne
Kolumne
Terra X - die Wissens-Kolumne:Atomwaffen zerstören ohne Super-GAU?
von Suzanna Randall
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Angriffe auf iranische Atomanlagen schüren Angst vor nuklearen Explosionen. Warum moderne Atomwaffen nicht durch Beschuss explodieren - und trotzdem eine andere Gefahr bleibt.
Als 2022 das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja im Zuge des russischen Angriffskrieges beschossen wurde, war die Angst vor einem weiteren Super-GAU wie bei Tschernobyl oder Fukushima groß. Zum Glück wurde - bislang - keines der AKWs in einem dafür kritischen Maße beschädigt.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Einsatz von Atomwaffen eine rote Linie
Atom- und Wasserstoffbomben gelten als Inbegriff des Schreckens, ein nuklearer Krieg als plausibles Weltuntergangsszenario. Der Einsatz von Atomwaffen markiert eine rote Linie, von der kein vernünftiger Mensch will, dass sie überschritten wird.
Mal abgesehen davon, dass nicht alle Menschen vernünftig sind, ist die Frage berechtigt, ob nicht auch konventionelle Kriegsmanöver, wie der massive Beschuss von Atomanlagen, aus Versehen möglicherweise vorhandene Atomwaffen auslösen können.
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So funktionieren Atomwaffen
Das immense zerstörerische Potenzial moderner Atomwaffen beruht auf der Kernspaltung: Bei klassischen Atom-(Fissions)bomben wird die Energie direkt durch die Kernspaltung freigesetzt, bei Kernfusionswaffen (Wasserstoffbomben) dient eine Fissionsbombe als Zünder, um die noch zerstörerischere Kernfusion - bei der zwei leichte Wasserstoffkerne verschmelzen - in Gang zu setzen.
Die Kernspaltung erfolgt durch ein sehr schnelles Neutron, das auf einen Uran-235 oder Plutonium-239 Kern trifft und diesen spaltet. Dabei wird einerseits Energie freigesetzt - und andererseits zwei bis drei schnelle Neutronen, die neue Kerne spalten können.
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Atombomben reagieren in Sekunden
In einem Atomkraftwerk wird dieser Prozess durch Steuerstäbe kontrolliert, sodass jeweils nur ein Neutron für die nächste Reaktion zur Verfügung steht. In einer Atombombe hingegen läuft die Kettenreaktion ungebremst innerhalb von Mikrosekunden ab - und es kommt zur gefürchteten nuklearen Detonation.
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Präzision statt Pulverfass: Ohne Zündung keine Kettenreaktion
Das geschieht aber nur, wenn die Bombe gezündet wird - und das passiert nicht einfach so. In einer ungezündeten Atombombe ist das Uran beziehungsweise Plutonium so angeordnet, dass die Masse an spaltbarem Material zu klein für eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion ist.
Selbst wenn sich ein schnelles Neutron dorthin verirren sollte, verpufft die Kettenreaktion, bevor sie richtig begonnen hat, weil die Dichte an Atomkernen zu niedrig ist, als dass genug frei werdende Neutronen erneut auf spaltbare Kerne treffen.
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Warum Atombomben nicht spontan detonieren
Um die Bombe scharf zu stellen, wird im Inneren eine präzise, symmetrische Implosion erzeugt, die die spaltbare Masse stark komprimiert - erst kurz vor dem Höhepunkt der Kompression wird ein Neutroneninitiatoraktiviert. Denn die für die Kernspaltung benötigten schnellen Neutronen entstehen nicht von selbst und auch nicht im Zuge einer z.B. durch Raketenbeschuss ausgelösten Explosion. Diese würde zudem das Materialreservoir auseinanderreißen, bevor die kritische Masse für eine Kettenreaktion erreicht wird.
Es braucht also eine exakt abgestimmte Abfolge interner Zündprozesse, um eine nukleare Detonation auszulösen. Dass dies durch Beschuss von außen geschieht, ist physikalisch unmöglich.
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Radioaktives Material kann trotzdem freigesetzt werden
Allerdings ist die Vorstellung eines auseinandergerissenen Reservoirs radioaktiven Materials auch nicht gerade beruhigend. Solche "Broken Arrow"-Zwischenfälle, bei denen radioaktive Strahlung frei wurde, hat es während des Kalten Krieges mehrfach gegeben.
Glücklicherweise liegt die Menge der in einer Atom- bzw. Wasserstoffbombe enthaltenen radioaktiven Stoffe nur im Kilogrammbereich und eine mögliche Kontamination bleibt lokal begrenzt - ganz anders als bei einem Atomkraftwerk. Da reden wir von Tonnen radioaktiven Materials, einer schon laufenden Kettenreaktion und kritischen Kühlungs- und Sicherheitssystemen, die durch schweren Beschuss untauglich gemacht werden können.
Die Bedrohung durch AKWs in Kriegsgebieten ist also ungleich höher, als die von herumliegenden Atombomben - zumindest solange Letztere nicht absichtlich gezündet werden.
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... ist promovierte Astrophysikerin und trainiert nebenbei als Astronautin. Schon in ihrer Abi-Zeitung stand: "Suzie will die erste Frau auf dem Mars werden." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bei Terra X Lesch & Co ergründet sie physikalische Phänomene - bevorzugt solche, die mit dem Weltraum zu tun haben. Dabei möchte sie vermitteln, dass (Astro-)Physik für alle verständlich sein und dabei richtig Spaß machen kann.
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